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ADB:Kaspar, Johann

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Artikel „Kaspar, Johann“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 71–72, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kaspar,_Johann&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 23:47 Uhr UTC)
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Kaspar: Johann K., Historienmaler, geboren am 20. Januar 1822 zu Obergünzburg, † am 23. October 1885 ebendaselbst; erhielt den ersten Unterricht von seinem Vater, dem Schreinermeister Franz Joseph K., einem schlichten, sehr verständigen Mann, dann von dem damaligen Schulgehülfen und nachmaligen Zeichnungslehrer Wölfle, der ihn sehr geschickt weiter führte, so daß der junge K. bald Kupferstiche in Kreidemanier trefflich zu copiren vermochte. Diese hervorragende Anlage ermuthigte den Vater, seinen Sohn nach München auf die Akademie zu bringen (1838), wo ihn der gütige Prof. Schlotthauer freudig als Schüler aufnahm, worauf K. bald in die Malschule bei Prof. Clemens Zimmermann und Heinrich v. Heß vorrückte, welcher den frühreifen Knaben als Gehülfen bei den Fresken der Basilika beschäftigte. Hier bethätigte sich K. nicht allein an der Ausführung der durch H. v. Heß entworfenen Compositionen (Gründung des Klosters Fulda), sondern zeichnete auch nach Heß’ Skizzen den Carton zur „Synode von Mainz“ und malte in der Apsis über dem Hochaltare die großen Gestalten der in Baiern wirkenden Glaubensboten (mit Ausnahme der von Johannes Schraudolph ausgeführten Figuren des hl. Korbinian und Ruprecht). Als vollständig selbständige Leistung Kaspar’s entstand 1844–45 das große, die „Steinigung des hl. Stephan“ vorstellende Fresko (über dem Seitenaltare der Epistelseite), nachmals gestochen von Paul Barfus (s. A. D. B. XLVI, 215), eine ganz meisterhafte Leistung, welche W. v. Kaulbach, nach der ihm eigenen Art boshaften Witzes für „das beste Bild in der ganzen Basilika“ erklärte. Von der Composition und der Ausführung entzückt, wünschte nachmals König Otto von Griechenland dasselbe Bild für seine Schloßcapelle in Athen, und H. v. Heß, welcher damals Kaspar’s Aufenthalt nicht wußte, unterzog sich der ehrenvollen Aufgabe, das Werk seines Schülers für den hohen Maecen zu copiren, ein seltener Fall, daß ein gefeierter Meister der Leistung seines Jüngers sich unterordnete. (Vgl. L. Auer’s Kalender f. 1893, S. 51, Donauwörth, wo ein Farbendruck beigegeben ist nach der von K. selbst in der Pfarrkirche in Mindelheim 1867 ausgeführten Wiederholung.) Schraudolph, welcher eine solche Kraft zu schätzen wußte, trachtete, als ihm die Freskotirung des Domes zu Speyer übertragen wurde, seinen jüngeren Landsmann als Gehülfen zu gewinnen. Einen Winter lang zeichnete K. auch an einigen Cartons, gab aber ob seiner durch das Münchener Klima erschütterten Gesundheit, fortwährend an Kopfschmerz leidend, die anziehende Arbeit auf, übernahm jedoch, auf die günstigen Folgen einer längeren Uebersiedelung nach seiner Heimath rechnend, die durch Schlotthauer’s Vermittelung erhaltene Bestellung von Altargemälden für die Nikolaikirche zu Elbing (zwischen Königsberg und Danzig), eine figurenreiche Arbeit, welche K. glücklich und zur vollsten Zufriedenheit der Besteller vollendete. Da der Landaufenthalt seine Leiden besserte, verblieb K., mit wenigen Ausnahmen, in Obergünzburg, wo er sich im väterlichen Hause ein vollständiges Atelier einrichtete. Hier entstanden viele Bilder: einige Madonnen, die „Vermählung [72] des jungen Tobias“, insbesondere aber zwei prachtvolle, ganz originelle Skizzen: „Christus vor Kaiphas“ und eine „Kreuzigung“, beide von einer bisher bei den Vertretern der religiösen Malerei in München noch nicht bewiesenen Kraft der Farbe und einer höchst dramatisch-lebendigen, hinreißenden Bewegung und Schönheitsfülle der Gestalten. Leider unterblieb die Ausführung dieser Entwürfe, die nach einer unzureichenden photographischen Reproduction (bei Zabuesnig in Kempten) in Privatbesitz verschwanden. Damals folgte K. einer Einladung Wilhelm v. Kaulbach’s nach München, welcher für König Max II. im Mittelbau der Residenz die „Apotheose eines guten Fürsten“ (Trajan) zur Darstellung brachte, wozu er sich der ausführenden, wohlerprobten Hand Kaspar’s mit Erfolg bediente. Da sich sein altes Kopfübel neuerdings meldete, sehnte sich K. nach seinem ländlichen Tuskulum, wohin ihm so viele Aufträge folgten, daß nie eine Lücke in seiner Thätigkeit entstand. Und seine bereitwillige, mit gründlichem Fleiße wetteifernde Uneigennützigkeit ermöglichte ihm auch, den ausgedehnten Wünschen seiner Umgegend Folge zu leisten und die Altäre und Wände vieler benachbarten Kirchen mit Bildern zu schmücken, deren künstlerischer Werth mit der meist höchst bescheidenen Gegenleistung in keinem Verhältnisse stand. Daß seine Zurückgezogenheit und der nöthige Mangel anregenden Verkehrs nicht fördernd wirkten, ist leicht erklärlich; K. sank nie zum Handwerker herab, blieb aber auch nicht auf der gleichen Höhe, die zu so großen weiteren Erwartungen berechtigte. Seine Umgebung und weiteren Auftraggeber hätten dieses sein ideales Streben doch nicht zu würdigen gewußt. Er stand jetzt schon außer der großen Kunstwelt, die seinen kaum erfaßten Namen schnell wieder vergaß. Die Bande, welche ihn an das Leben und die Heimath fesselten, wurden durch den Tod der Eltern und der einzigen Schwester gelöst; der Maler arbeitete nur mit um so größerer Treue in seiner ihn einzig tröstenden Kunstweise weiter. Dazu gehört auch „Der gute Hirte“, ein Bild, welches in der Tiberias-Kirche des fernen Palästina hoffentlich lange noch den deutschen Reisenden eine freudige Ueberraschung gewährt (in Holzschnitt und farbigem Tafeldruck von Knöfler in Wien vervielfältigt). Für den Maler kamen noch schwere Tage der Krankheit mit bedrohlichem Augenleiden; sein stilles Schaffen blieb seine einzige tröstende Freude bis zu seinem wirklich seligen Ende. Die ihm zeitlebens immer erwiesene Verehrung und Liebe bewährte sich über das Grab. Wie ehedem der dichtende Frauenlob von schönen Frauen, so wurde unser Maler von sechs Priestern zu Grabe getragen und das durch seine neidenswerthe Thätigkeit geweihte Heim in ein seinen Namen tragendes Museum verwandelt, dessen größte Zier der mit gebührender Pietät gesammelte Nachlaß dieser echten Künstlerseele bildet.

Vgl. B. Stubenvoll, Beschreibung der Münchener Basilika 1875, S. 53. – Regnet in Lützow’s Zeitschrift 1886, XXI, 116. – Beilage Nr. 28 Augsburger Postzeitung vom 7. Juli 1885 (mit der Geschichte des Tiberias-Bildes) und Beilage 47 derselben Zeitung vom 5. November 1885. – Nr. 306 Augsburger Abendzeitung vom 6. November 1885. – Die kleinen Notizen bei Fr. v. Bötticher u. Singer kommen hier nicht in Betracht.