ADB:Keil, Georg
*): Johann Georg K., verdienter Herausgeber italienischer und spanischer Schriftwerke, geb. den 20. März 1781 in Gotha, † den 1. Juli 1857 in Leipzig, war der Sohn eines Senators und Rathskassirers und erhielt seine Vorbildung bis zum 15. Altersjahre auf dem gothaischen Gymnasium, das er beim Tode seines Vaters wieder verließ, um sich dem Kaufmannsstande zu widmen. Da ihm dieser aber keine Befriedigung gewährte, so gab er ihn nach einigen Jahren wieder auf und siedelte nach Weimar über, wo er mit dem Rath und Beistande seiner Freunde, der neuangestellten Lehrer am Gymnasium Franz Passow und Johannes Schulze, seine unterbrochenen Studien fortsetzte. Nachdem er sich hierauf in Jena vornehmlich der Philologie gewidmet hatte, wurde er an der herzoglichen Bibliothek in Weimar als Secretär angestellt und nach einem Jahre zum zweiten Bibliothekar ernannt; gleichzeitig ertheilte er auch am Gymnasium unentgeltlich Unterricht in der italienischen, spanischen und englischen Sprache. 1814 trat er mit dem Titel eines Hofrathes von seinem Amte zurück, als er sich mit der einzigen Tochter des Leipziger Banquiers Löhr vermählte, und verlegte von nun an seinen Wohnsitz dauernd nach Leipzig. Hier setzte er seine bereits vorher begonnene litterarische Thätigkeit fort und fand zugleich Gelegenheit seine Neigung zu kunstgeschichtlichen Studien zu befriedigen. Schon in Weimar hatte er, durch sein Amt in nähere Verbindung mit Goethe gebracht, auf dessen Antrieb mit der zur Bibliothek gehörigen Kupferstichsammlung sich eingehender beschäftigt; jetzt gelangte er in den Besitz der beträchtlichen Gemäldesammlung seines Schwiegervaters und einer von dem bekannten Kupferstecher Johann Friedrich Bause (Bd. II S. 183), dem Großvater seiner Gattin, herrührenden Kupferstichsammlung, die sich namentlich durch ihren Reichthum an Blättern altdeutscher und altitalienischer Meister auszeichnete. 1828 wurde er zum Domherrn und drei Jahre später zum Dechanten des Collegiatstiftes in Wurzen ernannt und vertrat dasselbe auch 1833 als Abgeordneter in der sächsischen ersten Kammer. Eine seltene Ehre wurde ihm 1831 dadurch zutheil, daß ihn, als den ersten Deutschen, die Real academia española in Madrid zu ihrem Mitglied erwählte. – Keil’s wissenschaftliche Vorliebe richtete sich zumeist auf die italienische und spanische Sprache, um deren Kenntniß und Verbreitung in Deutschland er sich ebenso eifrig als erfolgreich bemüht hat. Es geschah dies theils durch kritische Ausgaben klassischer Schriftwerke, theils durch Lehr- und Hilfsbücher für den höheren Schulunterricht. Bereits in den Jahren 1806 bis 1812 gab er eine „Biblioteca italiana“ heraus, welche in 11 Bänden Tasso’s „Befreites Jerusalem“, Dante’s „Vita nuova e rime“, sowie dessen „Göttliche Comödie“, Bojardo’s „Orlando inamorato“ und Boccaccio’s „Decamerone“ enthält. 1810–1812 folgten 2 Bändchen einer „Sammlung spanischer Originalromane“ [452] in Text und Uebersetzung: die „Vida de Lazarillo de Tormes“ von Hurtado de Mendoza und die „Vida del gran Tacaño, clamado Don Pablos“ von Quevedo Villegas, deren deutsche Uebertragung 1826 als „Geschichte und Leben des Erzschelms, genannt Don Paul“ im 10. Bande der „Bibliothek klassischer Romane und Novellen des Auslandes“ (Leipzig, Brockhaus) mit einer Einleitung wiederholt wurde. Nach einer weiteren Uebersetzung: „Glückliche Unfälle der Liebe in sechs Novellen. Nach dem Italienischen des Cesare Giudici“ (1814) erschienen dann zwei kritische Ausgaben von Calderon’s „Comedias“ (1820 bis 1822 und 1827–1830). Die zuerst unternommene blieb unvollendet und auf 3 Bände beschränkt; die zweite sehr sorgfältige und auch äußerlich gut ausgestattete gelangte in 4 Bänden zum Abschluß. – Von Lehr- und Hilfsbüchern für das Studium beider genannter Sprachen bearbeitete K. eine „Italienische Sprachlehre“ (1812, 3. Aufl. 1831), eine „Spanische Grammatik“ (1814, 2. Aufl. 1837), den prosaischen Theil eines „Elementarbuchs der spanischen Sprache“ (1814) und eine „Spanische Chrestomathie“ (1814). – Aber auch in selbständigen Werken der schönen Litteratur hat er sich nicht ohne Glück versucht. Außer einer anonymen Erzählung „Aemil und Elise, oder die Fahrt auf der Elbe“ (1811) gab er in dieser Beziehung heraus: „Lyra und Harfe“ (1834), eine von warmer Empfindung und bedeutender Formgewandtheit zeugende Sammlung lyrischer Gedichte; ferner: „Märchen und Geschichtchen eines Großvaters. Illustrirt von Ludwig Richter und J. Kirchhoff“ (1847, neue Ausgabe 1860) und „Neue Märchen für meine Enkel. Mit Holzschnitten nach Zeichnungen von E. Hasse und H. Bürkner“ (1850). – Endlich ist noch zu erwähnen, daß K. einen sorgfältig gearbeiteten „Katalog des Kupferstichwerkes von Joh. Friedr. Bause mit einigen biographischen Notizen“ (1849) veröffentlicht und sich mit Gedichten und prosaischen Aufsätzen an den „Erholungen“, dem „Journal des Luxus und der Moden“, der „Leipziger Litteratur-Zeitung“ und der Encyklopädie von Ersch und Gruber betheiligt hat.
Keil- Meusel, G. T. – O. L. B. Wolff, Encyklopädie, VIII. oder Supplem.-Band, S. 261a–262a. – Franz Brümmer, Deutsches Dichterlexikon. Nachtrag. Eichstätt u. Stuttgart 1877, S. 83b–84a.
[451] *) Zu Bd. XV, S. 532.