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ADB:Kniphoff, Claus

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Artikel „Kniphoff, Claus“ von Werner von Melle in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 291–293, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kniphoff,_Claus&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 09:04 Uhr UTC)
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Kniphoff: Claus K., ein seiner Zeit berüchtigter Seeräuber, war um 1500 in Kopenhagen geboren. Von seinem Stiefvater, Jürgen Kock, genannt Mynter, einem Bürgermeister zu Malmoe, gut erzogen, trat er schon früh in dänische Kriegsdienste. Ein rasches Avancement weckte seinen Ehrgeiz, der von Jahr zu Jahr wuchs und ihn bald auf traurige Abwege führte. Im J. 1522 hatte der tyrannische König Christiern II. von Dänemark und Norwegen aus Furcht vor seinen eignen aufständischen Unterthanen und vor der Waffengewalt der von ihm vielfach beleidigten Hansestädte sein Land verlassen müssen. Er war mit seiner Familie und vielen Schätzen nach Zeeland und Flandern und an den Hof der Regentin der Niederlande, Margarethe von Oesterreich, geflohen und suchte von dort aus bei fast allen Fürsten Europa’s Hülfe zur Wiedereroberung seines Reiches zu erlangen. Da er aber nirgends Unterstützung fand, unternahm er es schließlich sein Heil auf eigne Faust zu versuchen. Schon vertrat in der Ostsee Sören Norby seine Sache, indem er von der Insel Gothland aus die Kaperei, insbesondere gegen die Hansen, in des Königs Namen betrieb. Da rüstete Christiern 1525 eine andere Flotte, die sich mit Sören Norby vereinigen sollte, um dann mit diesem gemeinsam die Hansen zu demüthigen und Norwegen zu erobern. Zum Oberanführer des Geschwaders aber wählte er K. und bevollmächtigte diesen nach Bedürfniß Landsknechte anzuwerben sowie Capitäne, Schiffer und andere erforderliche Offiziere zu ernennen. Demgemäß ließ K. die Werbetrommel rühren, und bald fanden sich, angelockt durch die Aussicht auf eine reiche Kriegsbeute, viele kampf- und seegewohnte Leute, Abenteurer und Glücksritter aller Art, darunter auch mancher Edelmann, zu ihm. Ein altes Volkslied spricht von nicht weniger als 1000 Mann. K. selbst, der Anführer dieser Schaar, war damals ein Jüngling von 25 Jahren, groß und schön, ritterlichen Ansehens, kräftigen, gewandten Körpers und ungewöhnlich begabten Geistes. Der Auftrag des vertriebenen Königs erschien ihm ein höchst ehrenvoller, er wollte sich desselben trotz seiner Jugend würdig erweisen und die Welt von seinem Ruhme erfüllen. Seine eigenen hochfliegenden Pläne aber sowie die unbedingte Parteinahme für die Sache seines Herrn, in dem er nur einen Unglücklichen erblickte, ließen ihn die Grenze zwischen dem ehrlichen Kriege und der Piraterie bald verkennen und überschreiten. Eine offene Kriegserklärung erachtete [292] er den verhaßten Hansen gegenüber für unnöthig und eine reiche Beute, durch die er seine Macht und sein Ansehen zu vergrößern wünschte, erschien ihm so begehrenswerth, daß er bald nicht nur hansische, sondern auch andere Schiffe anhielt und ausplünderte. So kam es, daß der kühne Jüngling, der zu edlerem Beruf bestimmt schien, durch Ehrgeiz und Ruhmsucht geblendet die Ehrenbahn des Kriegers verließ und zum Freibeuter hinabsank. Als sein böser Genius aber und sein Anstifter zu allen Unthaten galt einer seiner Genossen, der rothe Claus, der sich bald zum Unteranführer emporschwang, und dessen tyrannische Bosheit und Grausamkeit die Volkslieder jener Tage vielfach verwünschen. Geraume Zeit trieb nun K. in den nordischen Gewässern sein Unwesen. Als es aber ruchbar wurde, daß aus seinem Kriegsunternehmen nichts als ein gemeiner Piratenzug geworden war und als König Christiern eine Ermächtigung zu solchem Vorgehen in Abrede stellte, da erklärte auch die Regentin der Niederlande, bei der sich Christiern noch immer aufhielt, daß sie K. nicht schützen werde und die Hansen auffordere, ihm und seinen Gesellen, wo sie derselben habhaft werden könnten, der Seeräuber Recht und Gericht widerfahren zu lassen. Während K. dann seine Raubzüge mit immer größerer Kühnheit fortsetzte und sogar einmal den Versuch machte sich der Stadt Bergen zu bemächtigen, mußten die Hansen im eigenen Interesse einen Feldzug gegen den gefährlichen Piraten allen Ernstes ins Auge fassen. Nach mehrfachen Berathungen nahm endlich Hamburg das schwierige Werk allein auf sich. Der Rath rüstete auf Kosten der Stadt 4 zweimastige Kraffeln und 2 kleinere Bojen aus, die im Herbst 1525 unter Führung des Admirals Simon Parseval wohlbemannt und kampfbereit den Piraten entgegenzogen. Bald traf man auch den Feind in der Osterems, d. h. dem Fahrwasser zwischen den Watten östlich der Insel Borkum, unfern des Meerbusens Dollart bei Ostfriesland, in den die Ems sich ergießt. K. aber dünkte sich mit seinen größeren Schiffen und seinen kampfgewohnten Leuten den Hamburgern weit überlegen. Er ließ ihnen daher siegesgewiß melden, daß er zum Kampfe bereit sei und feuerte bei ihrem Herannahen in artiger Weise drei Salutschüsse ab. Die Hamburger erwiederten unverzüglich den Gruß, da jedoch schon der Abend herannahte ward das Treffen auf den nächsten Tag verschoben. Inzwischen schickte K., der seiner Sache noch sicherer zu sein wünschte, ans Land, um dort Alle, die nur halbwegs bereit waren, als neue Genossen anzuwerben. Fischersleute und Bauern ließ er aus den Betten holen und versprach ihnen reiche Beute, wenn sie nur einige Stunden lang helfen wollten. Am anderen Tage, den 7. October, eröffneten die Hamburger um 8 Uhr Morgens das Treffen, das nach achtstündigem, heißem und erbittertem Kampfe endlich um 4 Uhr Nachmittags zu ihrem Gunsten entschieden war. Der Hauptruhm des Tages gebührte dem kühnen Anführer Ditmar Kohl, dem es gelang das größte Schiff Kniphoff’s, die Gallion, zu entern und dann im Sturm zu nehmen. Das Glück, das K. so oft günstig gewesen war, hatte ihn endlich verlassen. Wuthschnaubend fochten seine Leute im blutigen Handgemenge nur noch um ihr Leben. Sie hatten einen schweren Stand, denn nicht allein die wohlbewehrten eigentlichen Kriegsleute, sondern auch die Hamburger Bootsleute, so viel ihrer entbehrlich, waren auf die Gallion gekommen, und gerade diese richteten mit ihren kurzen Handbeilen, die sie wie Streitäxte schwangen, ein furchtbares Blutbad an. Wen sie faßten, den schlugen sie todt; Pardon gaben sie nicht und die Flüchtigen verfolgten sie bis in die Mastkörbe hinauf. K. selbst, der an diesem Tage einen ganz unscheinbaren Anzug trug, focht unter den Genossen, als er aber sah, daß sein Cumpan, der verhaßte rothe Claus, nach rasender Gegenwehr von den wüthenden Bootsleuten geradezu in Stücke gehauen wurde, da hielt er es, um solch schrecklichem Ende zu entgehen, für rathsamer sich zu ergeben. Ein Rottmeister, dem er sich anvertraute, nahm [293] ihn unter Nennung eines anderen Namens gefangen und schützte ihn so vor den Bootsleuten, die ihn sonst unfehlbar umgebracht hätten. Als endlich der Kampf geendet, lösten die Hamburger alle Geschütze und riefen Victoria. Sie hatten vier Seeräuberschiffe mit aller Ladung genommen, 162 Gefangene gemacht und das Seeräuberthum des gefürchteten K. gründlich ausgerottet. Es folgte als Nachspiel in Hamburg das peinliche Gericht über die gefangenen Piraten. Noch ehe dies begann, kam ein Schreiben vom Grafen Edzard von Ostfriesland, der ein Freund Kniphoff’s gewesen und auch von König Christiern bewogen war, alles Mögliche zur Rettung seines Hauptmanns zu thun. Der Graf meinte, die Schiffe und Leute seien auf seinem Stromgebiet gefangen und erbeutet und müßten daher auch ihm ausgeliefert werden. Er bekam aber vom hamburgischen Rath eine ablehnende Antwort und ließ dann nichts weiter von sich vernehmen. Andererseits forderte der regierende König von Dänemark, Friedrich I., den Rath auf an den Gefangenen Justiz zu üben. Und dies geschah denn auch unverzüglich. Der Fiscal, der Anwalt des hamburgischen Staates, klagte gegen K. wegen Seeräuberei, indem er ihm vorhielt, daß er 172 Schiffe geplündert und dabei viele Menschen schmählich ums Leben gebracht habe. K. aber wußte sich dagegen mit großer Geschicklichkeit und in gewandter Rede zu vertheidigen. Er berief sich darauf, daß er König Christiern’s bestallter Hauptmann und von diesem zur Kriegführung gegen die Hansen beauftragt sei. Alle Schiffe, die er genommen, habe er nach Kriegsrecht genommen, darum sei er jetzt auch Kriegsgefangener und verlange für sich und seine Leute anständige Haft bis zur Auslösung nach Kriegsrecht und Kriegsgebrauch. Doch das Alles vermochte ihm nicht zu helfen, denn er konnte es nicht rechtfertigen, daß er die Feindseligkeiten ohne alle Wahrschauung und Kriegserklärung angefangen und daß er nicht nur hansische, sondern auch andere Schiffe gekapert und geplündert hatte. Auch stand ihm entgegen, daß ihn schon der frühere Brief der Regentin Margarethe, die Christiern’s Beschützerin war, für einen Seeräuber erklärte. Die Richtherren, zwei Mitglieder des Raths, erkannten ihn daher schuldig des Seeraubes und fanden zu Recht, daß er mit der Strafe der Seeräuber, der Enthauptung, zu belegen sei. K. schalt zwar diesen Spruch vor dem Rath als der höheren Instanz, der Rath aber bestätigte das Todesurtheil. Da K. dies vernahm, bat er nicht um sein Leben, sondern um Gnade für seine Genossen, zumal für die, welche ihm nur gezwungener Weise gedient hatten. Manche große Herren, die sich für K. interessirten, suchten noch zu seinen Gunsten zu interveniren; auch sein Stiefvater, der Bürgermeister von Malmoe, bot ein großes Lösegeld für den Sohn. Doch der Rath ließ dem Rechte seinen Lauf. Unfern der Stadt, auf dem Grasbrook, wo man den freien Elbstrom weit überblicken konnte, wurden seit uralter Zeit die Seeräuber gerichtet. Dort ward denn auch am 30. October 1525 Kniphoff’s Haupt abgeschlagen und als Denk- und Warnungszeichen für die Schiffer auf einen hohen Pfahl gesteckt. Ein gleiches Schicksal erfuhren nach ihm noch 74 seiner mitgefangenen Genossen. K. aber soll, ehe er unverzagt in den Tod ging, im Gefängnisse noch sein sündhaftes Leben bereut und auf dem Wege zum Richtplatz Allen vernehmbar gesprochen haben: „Herr Jesu Christe, der Du Dein Blut auch für mich vergossen, erbarme Dich meiner und sei mir gnädig.“

O. Beneke, Hamb. Geschichten und Sagen, 2. Aufl., Hamburg 1854 S. 166 ff. und die dort S. 382 angegebenen Quellen. v. Liliencron, Histor. Volkslieder III. 516 ff.