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ADB:Koch, Ernst

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Artikel „Koch, Ernst“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 292–294, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Koch,_Ernst&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:12 Uhr UTC)
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Koch: Ernst K., hessischer Dichter, wurde am 3. Juni 1808 zu Singlis in Niederhessen im Hause seines Großvaters, des Obervogts Murhard, geboren, wohin sich die Mutter auf einige Wochen zurückgezogen hatte. Der Vater Karl Georg war damals Friedensrichter in Oberaula. Hier und später in Neukirchen und Waldkappel verlebte Ernst seine ersten Kinderjahre und siedelte dann [293] 1816 mit seinen Eltern nach Witzenhausen und 1821 nach Kassel über, wohin der Vater als Kreisrath berufen worden war. Hier trat der Sohn in die dritte Classe des Lyceums ein, das er bei vortrefflichen Anlagen schon 1825 absolvirte, worauf er in Marburg und Göttingen die Rechte studirte und 1829 in Marburg seine Studien durch Promotion zum Dr. jur. zum Abschluß brachte. Er entschloß sich nun, die akademische Laufbahn einzuschlagen und begab sich deshalb nach Berlin, wo er den Sommer von 1830 zubrachte. Da brach die französische Julirevolution aus und warf ihre Zündstoffe auch in das politische, sociale und litterarische Leben Deutschlands hinein, und besonders in Kurhessen, wo schon lange infolge allgemeinen Nothstandes und politischer Unzufriedenheit eine dumpfe Gärung geherrscht hatte, wurden die Gemüther in eine gewaltige Aufregung versetzt. K. kehrte infolge dessen nach Kassel zurück; die Begeisterung für Freiheit hatte auch ihn erfaßt. Er änderte nun seinen Lebensplan und trat im November 1831 als Obergerichtsreferendar in den hessischen Staatsdienst. Gleichzeitig begann er seine Thätigkeit als politisch-humoristischer Schriftsteller, indem er unter dem Namen Leonhard Emil Hubert in dem „Verfassungsfreund“ seine im liberalen Sinne gehaltenen humorvollen „Vigilien“ veröffentlichte. Ebenso schnell, wie K. durch diese Arbeiten in der Gunst des freudig erstaunten Publicums stieg, verlor er dieselbe auch wieder, als er unter dem reactionären Minister Hassenpflug im Juli 1832 zum provisorischen, außerordentlichen Referenten im Ministerium des Innern ernannt wurde. Man hielt ihn fortan für einen Renegaten seiner politischen Ueberzeugung und machte ihn zur Zielscheibe der gehässigsten Anfeindungen. In diese Zeit fiel Koch’s Verlobung mit Henriette v. Bosse, der Tochter eines braunschweigischen Oberstlieutenants, und dem Briefwechsel der Beiden entsprang Koch’s erstes Buch „Prinz Rosa Stramin“ (1834, 5. Aufl. 1890), das er unter dem Namen Eduard Helmer herausgab. Das Buch ist kein Roman, kein Märchen; denn es enthält keine Handlung, berichtet keine Begebenheit. Es ist eine Galerie der lebendigsten und seltsamsten Gemälde, die in buntem und raschem Wechsel auf einander folgen, „ein Potpourri von Stimmungs- und Erinnerungsbildern aus der Kindheit, der Schul- und Universitätszeit, von Naturbetrachtungen und Idyllen, von Liebes-, Soldaten- und Studentenliedern, von socialpolitischen und kirchlichreligiösen Expektorationen, von litterarischen und musikalischen Aphorismen, von Humoresken und Satiren, von Elegien und lustigen Schwänken“, aber immerhin ein Buch, welches das lebhafteste Interesse der Leser erweckte. Inzwischen war K. zu Anfang des Jahres 1834 an das Obergericht als Referendar zurückversetzt worden, um sich zur zweiten Staatsprüfung vorzubereiten; allein der Widerspruch seiner Stellung zu seinen politischen Ansichten, sein jugendlicher, noch wenig gestählter Charakter und endlich der dadurch bedingte Rückgang seiner Verlobung hielten ihn in seinem Streben auf, und so beschloß er im December 1834, sein Vaterland heimlich und ohne bestimmte Aussicht für die Zukunft zu verlassen. Er wandte sich zunächst nach Straßburg im Elsaß, später nach Paris; aber schon nach wenigen Monaten bestimmte ihn der gänzliche Mangel an Subsistenzmitteln, sich in die Fremdenlegion einreihen zu lassen. Die traurigen Schicksale derselben in Algier, Oran und seit 1835 in Spanien, wo die Fremdenlegion als Hülfstruppe der Königin Christine gegen die Carlisten diente, schildert K. in ergreifender Weise in seiner Erzählung „Aus dem Leben eines bösen Jungen“ (enthalten in „Erzählungen“, 1847). Im J. 1837 erkrankte K. und fand in einem Hospital zu Pamplona Aufnahme; hier trat er zur katholischen Kirche über. Bald nach seiner Genesung wurde die Fremdenlegion aufgelöst, und auch K. erhielt als Unterofficier einen ehrenvollen Abschied. [294] In die Heimath zurückgekehrt, verweigerte ihm der Kurfürst von Hessen die erbetene Wiederaufnahme in den hessischen Staatsdienst. Da trat nach zwei Jahren Hassenpflug zum zweiten Male als Protector in das Leben des Dichters ein. Als jener nämlich 1839 an die Spitze der Verwaltung des Großherzogthums Luxemburg gestellt worden war, berief er sofort seinen ehemaligen Referenten dorthin und stellte ihn als Regierungssecretär an. Nach Hassenpflug’s Rücktritt (1840) blieb K. in der Verwaltung, rückte im December 1842 zum Bureauchef auf, verwaltete 1844–1846 die Stelle eines Rendanten am Hauptzollamte und wurde dann auf Wartegeld gesetzt mit der Verbindlichkeit, den deutschen Text des „Memorial des Großherzogthums Luxemburg“ zu besorgen. In dieser Zeit bewirkte er die Herausgabe seiner schon genannten drei „Erzählungen“, von denen die beiden ersten „Der Königin Gemahl“ und „Maria bitt für mich!“ bereits 1841–1842 in Dingelstedt’s „Salon“ erschienen waren. Im J. 1850 wurde K. mit der Vertretung eines erkrankten Professors am Athenäum in Luxemburg betraut, 1851 provisorisch und 1853 definitiv zum Professor der deutschen Sprache und Litteratur an der genannten Lehranstalt ernannt, und in dieser Stellung verblieb er bis zu seinem Tode am 24. November 1858. In den Jahren 1856 und 1857 hatte K., heftig von Sehnsucht zur Heimath ergriffen, die letztere besucht und in Kassel eine so begeisterte Aufnahme gefunden, daß er darüber die vielen Enttäuschungen aus früherer Zeit wol vergessen durfte.

Ernst Koch. Sein Leben und seine Werke von Prof. Dr. J. P. Henrion. Luxemburg 1878. – Palast und Bürgerhaus. Von Ernestine v. L. Jena 1872. Vgl. dazu meinen Artikel über „Ernestine von L. (d. i. Henriette von Bosse). Eine literarische Ausgrabung“ in „Hausfreund“. Sonntags-Beilage zur Casseler Allgemeinen Zeitung, Jahrg. 1898, Nr. 51 und meine Einleitung zu „Prinz Rosa Stramin“, Leipzig 1890.