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ADB:Kolowrat-Krakowský, Leopold Graf von

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Artikel „Kolowrat-Krakowski, Leopold Graf“ von Anton Victor Felgel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 455–458, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kolowrat-Krakowsk%C3%BD,_Leopold_Graf_von&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 06:11 Uhr UTC)
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Kolowrat-Krakowski*): Leopold Graf K.-K. wurde am 31. December 1727 geboren. Sein Vater Philipp Graf K., ein jüngerer Sohn des Johann Franz Grafen K. aus dessen Ehe mit Eleonore Claudia Gräfin Anquissola, war Ritter des goldenen Vließes, k. k. wirklicher geheimer Rath, Kämmerer, Oberst-Burggraf und Präses des Landesguberniums im Königreiche Böhmen, Präses und Director des größeren Landesausschusses der böhmischen Stände, seit dem 4. Februar 1725 mit Maria Barbara Gräfin Michna von Waitzenau vermählt und starb am 28. März 1773 zu Prag, 85 Jahre alt. K. genoß eine sorgfältige Erziehung, wurde k. k. Kämmerer und vermählte sich am 24. August 1750 mit Maria Theresia (geb. im November 1728), einer Tochter des Johann Wenzel Caretto Grafen von Millesimo zu Nemischl und dessen Gemahlin Eleonora, geb. Gräfin Starczewsky von Tereschau. Er trat frühzeitig in den Staatsdienst, war anfänglich bei der königlich böhmischen Appellationskammer angestellt und wurde später zum Beisitzer des größeren Landrechts in Böhmen aufgenommen. Wir finden ihn als Assessor bei dem k. k. Landesgubernium in Böhmen, der Commission für Gewicht und Maß, dann der Militär- und Navigationscommssion und als Präses des städtischen Oeconomie-Oberdirectoriums. Kaiser Franz I. ernannte ihn am 5. März 1757 zu seinem wirklichen geheimen Rathe. Im J. 1767 erscheint K. als Präses der Polizei-, Sicherheits- und alten Cameral-Schulden-Commissionen, des Armen- und Spinnhauses und des Versatzamtes in Prag. Der Kaiser hatte ihn durch Verleihung des Commandeurkreuzes des königlich ungarischen St. Stefan-Ordens ausgeseichnet. Am 9. Februar 1769 starb Kolowrat’s erste Gemahlin. Am 13. September desselben Jahres vermählte er sich wieder mit Maria Theresia Gräfin von Khevenhüller (geb. am 4. Jänner 1741), gewesenem Kammerfräulein der Kaiserin, späterer Sternkreuz-Ordensdame und Dame du Palais, einer Tochter des Johann Josef Fürsten von Khevenhüller-Metsch aus dessen Ehe mit Karoline Gräfin von Metsch. In demselben Jahre noch erfolgte Kolowrat’s Ernennung zum böhmischen und österreichischen Vicekanzler in Wien. Bei den Berathungen, welche über die Aufhebung des geistlichen Asylrechtes gepflogen wurden (gegen Ende des Jahres 1769), schloß sich K. der Ansicht des obersten Kanzlers an, indem er sich für größte Behutsamkeit des Vorgehens gegenüber solchen Gewohnheiten und Gebräuchen aussprach, die wegen ihres engen Zusammenhanges mit Religionssachen von dem Volke mit Ehrfurcht angesehen, von der weniger unterrichteten Mehrzahl der Geistlichkeit wie ein Bestandtheil der Religion betrachtet und festgehalten werden. Die Geistlichkeit solle zwar zur Auslieferung jedes Missethäters verhalten werden, sei aber die Auslieferung wirklich geschehen, dann möge – nur wenige besonders zu bestimmende schwere Verbrechen ausgenommen – stets die Todesstrafe im Wege der kaiserlichen Gnade in eine angemessene Leibesstrafe umgewandelt werden. Im December 1771 erfolgte seine Ernennung zum Hofkammerpräsidenten und Präses der Ministerial-Banco-Hof-Deputation. Zugleich wurde ihm das Präsidium des Commercien-Hofrathes übertragen. Josef II. hielt ihn zu diesen Aemtern sehr geeignet und tüchtig, da K., wie Josef am 27. November 1771 an Maria [456] Theresia schrieb, zu dem Kammerpräsidium die Fähigkeit, zu dem Commercialpräsidium die Uneigennützigkeit besitze. Auch das Kassenwesen sowie das Schuldenwesen und Münzdepartement sollten ihm anvertraut werden. Im J. 1773 äußerte er sich abfällig über die vom Hofkriegsrathspräsidenten Grafen Lacy schon im J. 1767 gestellten Anträge, welche die Aufhebung des General-Kriegscommissariates und die Ueberweisung der bisher von dieser Behörde besorgten Geschäfte an den Hofkriegsrath bezweckten und bezeichnete das ganze von Lacy vorgeschlagene neue militärische Oeconomiesystem als ein fehlerhaftes, wodurch er sich die heftigsten Angriffe des eigenwilligen und reizbaren Grafen Lacy zuzog. Desgleichen bekämpfte K. das vom Grafen Cobenzl, dem Vicepräsidenten der Hofkammerabtheilung für die indirecten Abgaben ausgearbeitete neue System, welches im Wesentlichen auf Abschaffung aller inneren Zölle (mit Ausnahme der gegen Ungarn und gewisser Gebühren auf Wein und auf Vieh), ferner Aufhebung aller ständischen und Privatmauthen und einer Reihe von Localgebühren, Umwandlung vieler Einfuhrverbote in 20 procentige Zölle, Erleichterung des Zollverfahrens und günstigere und rücksichtsvollere Behandlung der Reisenden bezweckte. Es bedurfte des ausdrücklichen Auftrages der Kaiserin, um K. zur Vorlage dieser Ausarbeitung (am 17. Mai 1775) zu veranlassen. Er behauptete, daß diese Neuordnung eine Verminderung der Einnahmen für die Finanzen um mehr als drei Millionen und eine bedeutende Erhöhung der Ausgaben für die Verwaltung durch Aufstellung eines doppelten Grenzcordons und bessere Bezahlung der Wache unausbleiblich zur Folge haben werde. Die Kaiserin entschied sich jedoch für die freisinnigeren Anschauungen, welche die Mehrzahl der Staatsräthe ausgesprochen hatten (Patent vom 15. Juli 1775). An den folgenden Berathungen und Erhebungen, welche über die Ersprießlichkeit einer Aufhebung der zwischen Ungarn und den übrigen österreichischen Erblanden bestandenen Zwischenzolllinie gepflogen wurden, nahm K. vermöge seiner amtlichen Stellung regen Antheil. Er ließ erheben, wie viel baares Geld außer dem in die Türkei abgeflossenen Silbergelde und den von der Finanzverwaltung an Holland, Belgien abgegebenen Rimessen im J. 1779 exportirt worden war und warnte vor der drohenden Gefahr empfindlichen Mangels an Baargeld. Am 14. Februar 1781 legte K. eine Mercantiltabelle über das Jahr 1779 vor und begleitete sie mit ausführlichen Erwägungen. Er trat im Januar 1782 den im Schooße des Hofkammergremiums gegen die Vorschläge des preußischen Maklers Samuel Goldschmidt – Wien zu einem vom Zollzwange befreiten Handelsplatze zu machen und sohin die Wiener Jahrmärkte zum Range der Leipziger Messen zu erheben – geäußerten Bedenken bei. Im Gegensatze zu den in der kaiserlichen Entschließung vom 31. Juli 1782 erklärten Anschauungen Josefs II. war K. mehr für die gremiale Behandlungsweise der Geschäfte bei den Hof- und Länderstellen eingenommen, als für die präsidiale. Er unterbreitete dem Kaiser am 21. Juli 1782 Vorschläge zur Mäßigung und Beschränkung des freien Verfügungsrechtes der Vorstände mindestens der Länderstellen. Am 10. October 1782 trat K. als oberster Kanzler an die Spitze der böhmischen und österreichischen Hofkanzlei, welche in ihrer erweiterten Gestaltung als „vereinigte Hofstelle“ nunmehr die Finanz- und die politische Verwaltung umfaßte. Der Kaiser genehmigte am 27. November 1782 die von K. für diese Behörde entworfene Amtsinstruction. Bei Gelegenheit der Ausarbeitung eines neuen Zolltarifs und einer Durchführungsinstruction versuchte K. – hierin mit den Ansichten des Fürsten Kaunitz übereinstimmend – vergeblich im October 1783 den Kaiser von Ergreifung von Prohibitivmaßregeln abzubringen. – Bezüglich der Frage, welche indirecten Abgaben nach Beendigung der Grundsteuerregulirung aufzuheben und durch Erhöhung der Grundsteuerquoten zu ersetzen wären, pflichtete K. wol im Allgemeinen den Ansichten Zinzendorf’s [457] bei, sprach sich jedoch im J. 1787 für die Beibehaltung des Tabakmonopols und die Ausdehnung desselben auf Ungarn und Siebenbürgen, für die Forterhebung der Erbsteuer und der Judentoleranzsteuer, für die Beibehaltung des Zahlenlotto’s und des Salzmonopols aus. – Kaiser Franz II. hob am 18. November 1792 die böhmische und österreichische Hofkanzlei, die Hofkammer, die Ministerial-Hof-Banco-Deputation und die Commerz-Hofstelle auf. Die bisher von diesen Stellen geleiteten Geschäfte wurden in den Wirkungskreis eines neu errichteten „Directorium in cameralibus der hungarischen, siebenbürgischen und deutschen Erblande, wie auch in publico-politicis dieser letzteren“ übertragen und K. zum obersten Directorialminister dieser neuen Behörde ernannt. Im April 1796 erfolgte Kolowrat’s Ernennung zum ersten dirigirenden Staatsminister in inländischen Geschäften und zugleich sein Eintritt in den Staatsrath. Alsbald beantragte K. beim Kaiser eine Umgestaltung und Erweiterung des Staatsrathes. K. sollte zufolge dem kaiserlichen Handschreiben vom 12. Juli 1796 die Mitglieder des Staatsrathes um sich versammeln, um in den Ministerien etwa entstandene grelle Meinungsdifferenzen beizulegen. Er konnte nach seinem Gutbefinden die Staatsräthe zu gemeinsamen Sitzungen mit den Chefs der Hofstellen unter seinem Vorsitze einberufen. Unverkennbar tritt nun schon das Bestreben Kolowrat’s hervor, den Kaiser für die Beseitigung oder doch Umgestaltung des Staatsrathes zu gewinnen. Im November 1798 verdächtigte er die Gründlichkeit der staatsräthlichen Gutachten und trat für Abhaltung von Conferenzen ein, denen allenfalls der eine oder andere Staatsrath beigezogen werden könne. Im December desselben Jahres schildert er dem Kaiser die mannichfachen Gebrechen und Mängel, die nach seiner Ansicht dieser Institution anhaften und beantragt, die Zahl der Mitglieder des Staatsrathes auf vier zu beschränken, wovon zwei Staatsminister sein sollen. Der Kaiser ging zwar auf die weitergehenden Anträge Kolowrat’s noch nicht ein, verfügte aber doch im Januar 1799 einige Aenderungen in der Geschäftsbehandlung durch den Staatsrath. Am 31. August 1801 wurde der Staatsrath aufgehoben. An seiner Stelle wurde ein Staats- und Couferenzministerium als oberste Revisionsstelle für sämmtliche Staatsgeschäfte geschaffen. Es zerfiel in drei Departements (Aeußeres, Krieg und Marine, Inneres), deren jedem ein Minister vorstand. Dem dirigirenden Minister K. als dem Chef des Staats- und Conferenzialdepartements für die inneren Angelegenheiten unterstanden vier Hofkanzeleien (die böhmische und österreichische, die ungarische, die siebenbürgische und die italienische), ferner die Creditcommission und sämmtliche Finanzbehörden. Ueberdies waren ihm die Geschäfte der geheimen Staatspolizei zugewiesen. Aus der bloßen Aufzählung ergibt sich, welche unabsehbare Last der Geschäfte sich K. da aufgebürdet hatte. Sie wäre wol zu groß gewesen auch für die Kräfte eines jüngeren thatkräftigeren Staatsmannes. Ihre Bewältigung war unmöglich für die Schwäche eines altersmüden Greises. Die Uebelstände dieser Ueberlastung traten immer greller zu Tage. Die Erledigung der Geschäftsstücke wurde immer schleppender, stockender, verworrener. Vergebens wurde im Januar 1807 versucht eine Vereinfachung der Geschäftsbehandlung herbeizuführen. Am 7. Juni 1808 wurde dieses Staats- und Conferenzministerium aufgehoben und K. in den Ruhestand versetzt. Er hatte dem Staate durch 63 Jahre unter fünf Monarchen (von Franz I. bis Franz II.) gedient. – Er hatte am 30. Juni 1783 vom Fürsten Löwenstein-Wertheim die Herrschaften Groß-Wezdorf und Rorbach in Niederösterreich gekauft und war sammt seiner Nachkommenschaft am 28. Juli desselben Jahres von den niederösterreichischen Ständen als ein Landesmitglied unter die alten Herrenstandesgeschlechter aufgenommen, am 26. März 1790 als solches introducirt worden. Die ungarischen Stände hatten ihm aus eigenem Antriebe im J. 1802 [458] das Indigenat im Königreiche Ungarn verliehen. K. starb am 2. November 1809. – Seiner ersten Ehe waren eine Tochter (Marie Anna, geb. 1753) und zwei Söhne (Philipp Franz, geb. 1756, und Leopold, geb. 1768), seiner zweiten Ehe vier Töchter (Maria Theresia, geb. 1770, Maria Antonia, geb. 1776, Marie Aloisia, geb. 1780, und Maria Franziska Xaveria, geb. 1783) und ein Sohn (Franz Anton, geb. 1782) entsprossen.

Mit Benutzung von Acten des kais. und kgl. Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien. – Wißgrill, Schauplatz des niederösterreichischen Adels, Bd. V, Wien 1824, S. 216 ff. – Arneth (Alfred Ritter v.), Maria Theresia und Josef II., 3 Bde., Wien 1867–1868. – Arneth (Alfred Ritter v.), Geschichte Maria Theresia’s, Bd. IX u. X, Wien 1879. – Hock und Bidermann, Der österreichische Staatsrath, Wien 1879. – Arneth (Afred Ritter v.), Briefe der Kaiserin Maria Theresia an ihre Kinder und Freunde, 4 Bde., Wien 1881.

[455] *) Zu Bd. XVI, S. 486.