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ADB:Krafft, Hans Ulrich

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Artikel „Krafft, Hans Ulrich“ von Wilhelm Heyd in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 11–13, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Krafft,_Hans_Ulrich&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 14:15 Uhr UTC)
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Krafft: Hans Ulrich K. (von Dellmensingen), geb. am 25. März 1550, † am 21. Februar 1621, gehörte einem der ältesten Patriciergeschlechter Ulms an, welches sich in Gemeinde- und Kirchenämtern um seine Vaterstadt hochverdient gemacht hat. Wie sein Ahne Lutz K., unter dessen Regiment der Bau des Ulmer Münsters begann, so war auch sein Vater Hans K. Bürgermeister, starb aber als Aelterer des Raths im J. 1577. Er selbst, zum Kaufmannsstand bestimmt, widmete seine Dienste zuerst dem Handelshaus des Hieronymus Imhof zu Augsburg, welcher ihn behufs Erlernung der französischen Sprache nach Lyon und dann in Geschäften auf drei Jahre nach Florenz gehen ließ. Dort erweckten Landsleute, die aus Alexandria zurückkamen, in ihm die Lust „orientalische Lande“ zu besuchen. Um nun dieses Ziel seiner Wünsche besser zu erreichen, trat er über in den Dienst des Augsburger Hauses „Melchior Manlich und Mitverwandte“, welches ein Comptoir in Marseille hatte und von dort aus sieben eigene Schiffe beschäftigte. Auf einem der letzteren fuhr K. nach mehrmonatlichem Aufenthalt in Marseille den 2. September 1573 nach dem Orient ab, um gemeinsam mit anderen Angestellten jenes Hauses, die schon dort [12] weilten, den Factoreigeschäften in Tripolis und Aleppo vorzustehen. Zuerst gab ihm ein zweimaliger Aufenthalt in Cypern Gelegenheit, die Zustände dieses Eilands im Beginn der Türkenherrschaft kennen zu lernen. Dann beschäftigte ihn in Tripolis das Aus- und Einladen der Kauffahrer seines Hauses, in dem Hauptemporium Aleppo (Sommer 1574) der Umsatz der Waaren unter lebhaftem Geschäftsverkehr mit anderen abendländischen Kaufleuten, mit Syrern, Armeniern, Persern und Juden. Aber kaum war er von seiner ersten Reise in diese Binnenstadt nach dem Hafenplatz zurückgekehrt, so traf die Nachricht von dem Bankerott der Manlich ein; auf Antrag der Hauptgläubiger des Hauses wurde K. mit zwei anderen Vertretern desselben gefangen gesetzt und nachdem die beiden letzteren gestorben waren, blieb er als einzige Zielscheibe für die Plackereien der Gläubiger und für die Erpressungen seiner Gefängnißwärter zurück. Während K. einerseits durch gewisse Fertigkeiten und Kenntnisse den Orientalen zu imponiren und dadurch sein Loos zu erleichtern wußte, wurde andererseits durch die gottvertrauende Ausdauer und die unerschütterliche Ehrenhaftigkeit, welche er im Unglück bewies, die Achtung wesentlich erhöht, deren sich K. bei den in Tripolis und Aleppo angesiedelten Italienern (Venetianern) und Franzosen von Anfang an um seiner Biederkeit, Offenheit und Jovialität willen erfreut hatte. Den aufopfernden Bemühungen dieser Kaufleute sowol als der Curatoren des Manlich’schen Hauses gelang es endlich, die Gläubiger zufrieden zu stellen und das Ende der dreijährigen Schuldhaft (1574–1577) herbeizuführen. Nun eilte K. zurück nach Marseille (Ankunft am 19. October 1577) und sah endlich auch die deutsche Heimath wieder (Winter 1578–79). Hier eröffnete sich ihm ein neuer befriedigender Wirkungskreis, indem er bei dem Großhändler Hans Richter in Troppau als Buchhalter eintrat (1582–85), wodurch er reichliche Gelegenheit erhielt, sich auch in Schlesien, Böhmen, Galizien und Ungarn umzusehen. Doch zog es ihn endlich nach der freien Reichsstadt zurück, welcher er entstammte, und gerne widmete er seine fernere Lebenszeit ihrem Dienst in der Stellung als Pfleger (Administrator) des Territoriums, welches die Stadt von den Grafen von Helfenstein erworben hatte. Am 14. November 1587 bezog er seinen Amtssitz Geislingen, wo man noch einzelne Spuren seines gedeihlichen Wirkens verfolgen kann; im J. 1619 legte er durch das Alter geschwächt das Amt in die Hände seines Sohnes Raimund, um die letzten zwei Jahre seines Lebens in Ulm zu verbringen, wo er gestorben ist. So geschäftsvoll das Pflegeramt gewesen war, hatte er doch Zeit gefunden, noch im höheren Alter, aber mit merkwürdig treuem Gedächtniß einen Bericht von seinen Erlebnissen niederzuschreiben, welcher am 24. August 1616 abgeschlossen wurde. Schon vorher war das Publikum unterrichtet worden über die Ergebnisse der Reise des Augsburger Doctors Leonhard Rauwolff, welcher sich als designirter Arzt für die Manlich’schen Factoreien im Orient mit K. zu Marseille eingeschifft hatte und in brüderlicher Freundschaft mit ihm verbunden blieb. Auf sein Buch konnte K., wo es sich um syrische Landesprodukte handelte, ruhig verweisen und sich auf Nachträge und Ergänzungen beschränken, aber für die Schilderung des Charakters, der Sitten und Bräuche der Bewohner stand K. die reichere Lebenserfahrung, die vielseitigere Bekanntschaft mit Menschen aller Klassen und eine für seine Zeit recht vorurtheilsfreie Anschauung zu Gebot. Das interessante Werk, dessen Reiz durch die anschauliche, witzige Diction und den treuherzigen Ulmer Dialect noch erhöht wird, ist erst im J. 1861 im Druck erschienen; was Prälat Schmid daraus im Schwäbischen Magazin zur Beförderung der Aufklärung, herausgegeben von Joh. Kern, Bd. II (Ulm 1787), S. 649 ff. mitgetheilt hatte, war wol nur Wenigen zu Gesicht gekommen.

[13] Reisen und Gefangenschaft H. U. Krafft’s aus der Orig.-Hdschr. hrsg. v. K. D. Haßler (Biblioth. des Lit. Vereins), Stuttg. 1861. – Ein deutscher Kaufmann des 16. Jahrh. H. U. Krafft’s Denkwürdigkeiten, bearb. v. A. Cohn, Gött. 1862. – Weyermann, Neue Nachrichten von Ulmer Gelehrten und Künstlern, S. 242 ff. – Haid, Ulm mit seinem Gebiet (Ulm 1786), S. 630 f. – Klemm, Die Stadtkirche zu Geislingen (Geislingen 1879), S. 16 f., 33, 37, 51 f. – Die Gedenktafel im Ulmer Münster, auf welcher Krafft’s Todestag zu lesen war, ist verloren, aber die Inschrift hinlänglich bezeugt durch Frick’s Münsterbeschreibung (Ausg. v. Haffner 1766, S. 95) und durch mehrere Ulmer Handschriften (nach gütiger Mittheilung von Prof. Veesenmeyer), deren eine außerdem den Ort des Todes feststellt.