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ADB:Kraus, Georg

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Artikel „Kraus, Georg“ von Georg Daniel Teutsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 70–72, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kraus,_Georg&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 03:00 Uhr UTC)
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Kraus: Georg K., der bedeutendste deutsche Chronist Siebenbürgens im 17. Jahrhundert, ist den 17. Sept. 1607 in Hermannstadt geboren, wo sein Vater, Adam K., ein „wohlvermögender“ Kaufmann war, der großen Handel nach Wien trieb. Auf der Rückreise von hier wurde dieser mit seinen Frachtwagen schon nahe der Vaterstadt von streifenden Horden des Fürsten Gabriel Bathori überfallen, geplündert und so verwundet, daß er 16 Tage darauf starb. In diese Zeit, da „des Tyrannen“ Bathori Zügellosigkeit in dem überwältigten Hermannstadt ungehindert schaltete, gehen des Knaben früheste Erinnerungen zurück; er konnte nie vergessen, wie (1611) „des Fürsten Trabanten“ auf gefangene deutsche Soldaten in den Gassen der Stadt „nach dem Ziel“ geschossen, während andere geschleift oder mit Rossen zerrissen wurden, der Büchsenmeister auf dem großen Ring an das geladene „Stück“ gebunden und weggeschossen, [71] ein Führer von Adel vom Rathsthurm gestürzt wurde. Auch das Vermögen des Vaters ging durch die plündernden Truppen Bathoris fast ganz verloren; doch sorgte der Stiefvater, Kaufmann Gregor Stamp für eine gute Erziehung des Knaben, der 1622 nach Klausenburg zur Erlernung der ungarischen Sprache geschickt wurde und nach zweijährigem Aufenthalte hier seine Gymnasialstudien in Hermannstadt endigte. Das J. 1626 brachte er in der Kanzlei des fürstlichen Protonotars Stephan Kassai zu, die Hälfte des folgenden bei dem kaiserlichen Rath von der Schran in Wien. Nach solcher Vorbereitung zog K. 1627 mit Gabriel Bethlens Geleits- und Empfehlungsbrief über Venedig, wo er in dem, mit dem Fürsten in vielfacher Handelsverbindung stehenden reichen holländischen Kaufherrn Daniel Nys einen freundlichen Förderer fand, nach Padua. Hier studirte er die Rechte „bis in das dritte Jahr“ zugleich mit einem Landsmann, den Gabriel Bethlen unterstützte, Johann Horvath de Palocz, und erweiterte, getragen von Erinnerungen an das classische Alterthum, seine Menschen- und Länderkenntniß durch einen mehrmonatlichen Aufenthalt in Rom, sowie durch weite Reisen bis nach Neapel und Sicilien, wo er den Aetna brennen sah, ja selbst bis nach Malta. Die schwere Pest, welche 1630 in Oberitalien wüthete, nöthigte ihn zur Heimkehr, die er durch Dalmatien, über Wien und Kaschau, den Gefahren des Meeres wie des Krieges glücklich entkommend, vollzog; im Sommer 1631 langte er in Hermannstadt an. Hier begann er ein Handelsgeschäft und besuchte in der Führung desselben wiederholt die Walachei, bis er 1646 zum Rathsschreiber von Schäßburg berufen wurde, wo Verwandte seiner (zweiten) Gattin in einflußreichen Aemtern standen. In dieser Stellung ist K. bis zu seinem Tode geblieben, der Stadt und des Stuhles Schäßburg, deren Bürger und Beamter er nun war, häufiger Vertreter auf den unheil- und sturmvollen Landtagen und – oft nicht ohne Lebensgefahr – in anderen schweren Wirren jener schweren Zeit, in der hier „der unüberwindlichste türkische Kaiser alle seine Feinde unter die Schärfe seines Säbels beugte“, die Nationen des Landes selbst sich in Krieg und Frieden fast fortwährend feindlich gegenüberstanden, und in 20 Monaten drei Fürsten einen gewaltsamen Tod fanden. In so bösen „Zeitläuften“ wurde dem warmen Freund seines Volkes und seiner neuen Heimathstadt der Werth der Geschichte doppelt klar, die nach „dem weisen Heiden Cicero“ ein Zeugniß der Vergangenheit, ein Licht der Wahrheit und eine Meisterin des Lebens sei, auch eine „Unterweisung und Vorbereitung zu allen politischen Geschäften“, die da lehre, „wie man sich in allen Sachen recht schicken und alle zufälligen Veränderungen und alterationes des Glücks und Unglücks mit Geduld, Mannheit und tapferem Gemüth ertragen solle“. In dieser Ueberzeugung begann K., nachdem er bereits früher, vorangegangenen Amtsgenossen folgend, chronikalische Aufzeichnungen gemacht, aufgefordert von „etlichen fürsichtigweisen Herren und guten Freunden“ im J. 1650, vielleicht auch schon früher, sein großes Werk: „Ueber etliche, in Siebenbürgen und dessen umliegenden benachbarten Ländern geschehene denkwürdige Geschichten, so ab anno 1608 weiter gelaufen“. Es schließt an seine, unter dem Namen „Tractatus rerum, tam bellicarum quam aliarum, ab anno 1599 usque 1606 inclusive in Transsilvania interventarum“, früher geschriebene deutsche Chronik jener Jahre an (sie ist veröffentlicht in den, vom Grafen Joseph Kemény – Klausenburg 1839 – herausgegebenen „Deutschen Fundgruben der Geschichte Siebenbürgens“), umfaßt die Zeit von 1608, dem Regierungsantritt Gabriel Bathoris bis zum 1. Mai 1665, und erzählt im wesentlichen „was unser Land Siebenbürgen, Ungarland, Walachei und Moldau betrifft“, nicht ohne gelegentlich auch aus Polen, Deutschland, selbst aus England seinen Lesern bedeutsames mitzutheilen, doch vorzugsweise und am ausführlichsten immer auf „unseres [72] armen, nunmehr sehr verwüsten und verheerten Vaterlandes geschehene Dinge“ eingehend. Die Arbeit, von tiefer Wahrheitsliebe getragen, gründet sich zunächst auf des Verfassers eigene Erfahrungen und Erlebnisse, auf ein werthvolles, ihm zu Gebot stehendes Urkunden- und Actenmaterial – sehr zahlreiche Originalien sind der Chronik beigeschlossen – auf mündliche und schriftliche Mittheilungen von zeitgenössischen Zeugen, für deutsche, schwedische, polnische Verhältnisse auf deutsche Quellen und Hülfsmittel, die er sich zum Theil aus Wien, auch „nicht mit geringen Unkosten“ verschaffte. Seines Zeitgenossen Johann Bethlen, „Vier Bücher siebenbürgischer Geschichte von 1629–1663“ (Rerum Transsilvanicarum libri IV, Cibinii 1663), hat er verständig benutzt, nicht selten erweitert und ergänzt. Mit scharfem Blick für die, jene Zeit bewegenden großen geschichtlichen Mächte, namentlich auch die gegenreformatorischen Bestrebungen in Ungarn hat er ein feines Verständniß auch für das, was das Leben im Kleinen erhält, für gute Verwaltung, gerechtes Gericht, treuen Haushalt; nach seiner Bildung und Lebensstellung den führenden Patricierkreisen seines Volkes angehörig und die tiefe Abneigung dieser gegen den „vulgus“, „das gemeine Pöbel“, „Herr Omnes“, den „aufwegigen, schwärmenden, unordentlichen“ Haufen selbst nie verhehlend, führt er in eindringlichster Weise auch den „Herren“ ihre Pflicht zu Gemüthe, für der Gemeinde und des Volkes Wohl gewissenhaft und opferwillig zu sorgen. Mit köstlichem Humor an geeigneter Stelle nicht selten den dunkeln Ernst jener grausamen Jahre mildernd, überragt das inhaltvolle Zeitbuch des Schäßburger Rathschreibers nicht nur durch den Reichthum seines Stoffes, sondern auch durch die in ihrer edeln Natürlichkeit immer reizende und spannende Darstellung alle ähnlichen Werke des Landes weithin. Unter dem Titel: Siebenbürgische Chronik des Schäßburger Stadtschreibers Georg K., 1608–65, ist die Arbeit, vom Ausschuß des Vereins für siebenbürgische Landeskunde herausgegeben, von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien in 2 Theilen in den Oesterreichischen Geschichtsquellen (erste Abtheilung: Scriptores, Bd. III. 1862, Bd. IV. 1864) veröffentlicht worden. – K. starb den 26. Jan. 1679.

Georg Binder, Stellen und Auszüge aus einem ungedruckten Zeitbuch des Schäßburger Notarius G. Kraus in A. Kurz, Magazin für Geschichte Siebenbürgens, II. Bd., Kronstadt 1846. Karl Fabritius, Die Schäßburger Chronisten des 17. Jahrhunderts – als Einleitung zu: Siebenb. Chronik von G. Kraus in den Oesterreichischen Geschichtsquellen, Scriptores III, Wien 1862.