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ADB:Kremplsetzer, Georg

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Artikel „Kremplsetzer, Georg“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 122–123, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kremplsetzer,_Georg&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 05:24 Uhr UTC)
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Kremplsetzer: Georg K., Componist. Er war ein reich angelegtes, hochbegabtes Talent, dessen Ausbildung und Pflege aber nur zu lange vernachlässigt blieb, so daß später keine völlig reife Frucht mehr zu zeitigen vermochte. Geboren den 20. April 1826 zu Vilsbiburg in Niederbaiern und nach dem Vorbilde des durch eigenen Fleiß behäbig gewordenen Vaters zu dessen Geschäft bestimmt, lernte der Junge die Tuchmacherei. Viel lieber hätte K. bei seinem frühzeitigen Interesse an Musik sich in einem der musikalischen Fächer ausgebildet; doch war der Vater diesem Wunsche durchaus abgeneigt. Nur hinter dessen Rücken erhielt er ein wenig Unterricht auf der Flöte. Was er zu seinem künftigen Berufe an Kenntnissen bedurfte, wurde auf einer Gewerbeschule erworben. Dann ging K. nach damaliger Sitte auf die Wanderschaft, besuchte als Geselle die größeren Fabriken in Sachsen und stand als Geschäftsführer zu Chemnitz in Condition. In diese Zeit fallen seine ersten, ganz autodidaktischen Versuche, auch inscenirte K. kleine Dilettantenconcerte, in welchen er durch seine angenehme Tenorstimme, noch mehr aber durch eine unverwüstliche Heiterkeit überall Freunde gewann. Es gelang ihm einige Kenntnisse in der Technik seiner geliebten Kunst zu erhaschen, welche zur Liedercomposition mit Guitarrebegleitung ausreichten. Doch mußte er nach seiner Rückkehr in die Heimath wieder an den Webstuhl. Erst nach dem Tode des Vaters konnte er der Stimme seines Herzens folgen: K. überließ die Leitung der Fabrik seinem Schwager und eilte nach München, wo Franz Lachner den schon 30jährigen Schüler bereitwillig aufnahm und dessen Studien leitete. Später fand er an Jos. Rheinberger einen theilnehmenden Freund, Berather und Führer. Mit Feuereifer studirte er Harmonielehre und Contrapunkt und warf sich auf das Clavierspiel, welches seinen an schwere Arbeit gewohnten Händen die größten Schwierigkeiten bot. Unaufhaltsam wagte er sich an Probleme und suchte den drängenden Strom von Gedanken und Ideen in Form zu gießen und zu bemeistern. Ein Zufall führte ihn zu der damals frisch aufblühenden Künstlergesellschaft „Jung-München“. Hier fand er vielfach verwandte, gleichstrebende, ringende und selbständig-bewußte Naturen. Nun fühlte er sich im richtigen Element und glaubte die Ergänzung seiner Bestrebungen und den richtigen Boden dafür gefunden zu haben. Er verherrlichte die Feste und Gelage seiner Freunde, wobei Phantasie und Humor nach saueren Wochen fröhliche Stunden feierten. Bald waren seine komischen Lieder und Scenen, z. B. die keck aus dem Handwerksburschenleben herausgezogene vom „Schuster und Schneider in der Herberge“, von lauten Erfolgen und Triumphen begleitet. „Ein Musiker mit frisch und kräftig schlagendem Herzen, der mit Lust jede gebotene Aufgabe ergriff und dabei ein Mann von ehrlichem, lebensfrohen Charakter wie Wenige, welch’ trefflicher Gewinn für gesellige Kreise.“ Ein Cyclus „Landsknechtlieder“ (gedichtet von F. Pocci) machte ihn weiteren Kreisen bekannt. Mit den Fortschritten in der Technik wuchs die Lust am Schaffen, er wagte sich an eine Operette „Der Onkel aus der Lombardei“ und das Märchenspiel „Hansel und Gretel“, welche zwar bei den beliebten Künstlerfesten durchschlagende Erfolge erzielten, leider aber nicht auf die Bühne kamen, deren Bretter nun einmal doch die Welt bedeuten. Als „Jung-München“ älter wurde und zuletzt sich auflöste, fand K. im „Akademischen Gesangverein“ neue Thätigkeit; für diese Musensöhne [123] componirte er eine Serie köstlicher Burlesken, tragikomische Ritterstücke und altklassische Possen (z. B. „Medea“, Text von Fr. v. Ziegler). Einen neuen Aufschwung nahm der Tondichter, nachdem es ihm endlich gelang, seine anmuthige Operette „Der Vetter auf Besuch“ im Münchener Hoftheater (später am Friedrich-Wilhelmstädter Theater zu Berlin) mit gutem Erfolg aufzuführen. Dann machte er sich an die Composition einer lang geplanten größeren, komisch romantischen Oper „Die Franzosen in Gotha“ (Text von Karl Heigel), welche in sechs Monaten vollendet wurde, aber wegen allzu schwieriger Ausstattung auf keiner Bühne die verdiente Annahme erhielt. Eines glücklichen Erfolges in München und Berlin erfreute sich das kerndeutsche Märchen-Libretto „Der Rothmantel“ (von Paul Heyse). Inzwischen hatte K. sich verheirathet und 1865 an dem neuerbauten Münchener Actientheater die Stelle eines zweiten Kapellmeisters angetreten, welche ihm jedoch bald durch die damals beliebten Offenbachiaden, die er trotz seines inneren Widerstrebens immer dirigiren sollte und durch die Intriguen des Theaterlebens verleidet wurde; da kam ihm 1868 eine Kapellmeisterstelle in Görlitz erwünscht, von wo aus er 1870 an die Woltersdorff’schen Theater in Berlin und Königsberg ging. In letzterer Stadt erkrankte K. aber schwer und kam als gebrochener Mann in die Heimath zurück, wo ihn wegen des zerstörten Wohlstandes seiner Familie auch kein angenehmes Loos erwartete. Noch einmal wagte er sich nach München, wo er eine Messe und noch in den letzten Tagen eine Festouvertüre für die Heimkehr der siegreichen Truppen schrieb, dann starb er am 6. Juni 1871 zu Vilsbiburg. Mit Ausnahme einiger Lieder, welche durch Stich ihren Weg in die Oeffentlichkeit fanden, sind seine Schöpfungen, welche das tiefste Gemüth mit dem fröhlichsten Humor vereinen, bisher noch Manuscript und im Besitz seiner zu München weilenden Wittwe geblieben. Sein früher Tod entriß der Kunst einen Vieles und Hohes verheißenden, treuen Jünger. Seine genialen, fröhlichen und oft ächt kaustischen Briefe wären wol einer Sammlung werth.

Vgl. Nr. 176 Außerord. Beil. zur Allg. Ztg. v. 25. Juni 1871 und H. Mendel, Musikal. Convers.-Lex., Berl. 1876, VI. 153.