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ADB:Kusser, Johann Sigismund

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Artikel „Cousser, Johann Siegmund“ von Arrey von Dommer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 535–537, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kusser,_Johann_Sigismund&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 14:22 Uhr UTC)
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Cousser: Johann Siegmund C., eigentlich Kusser, doch nach seinem eigenen Vorgange meist wie voranstehend geschrieben; genialer Musiker, Operncomponist, [536] besonders ausgezeichneter Capellmeister. Er stammte aus Preßburg, war der Sohn des dortigen gut renommirten Cantors und Componisten Johann Kusser und wird um 1657 geboren sein. Der bekannte Operncomponist Daniel Gottlieb Treu war sein Neffe und nachmals auch sein Schüler im Contrapunkt. Höchst begabt und tüchtig, aber von unruhigem Geiste, der ihn an keinem Orte lang ausdauern ließ, reiste er anfangs als Instrumentalmusiker umher und war in verschiedenen Capellen angestellt; dann ging er nach Paris zu Lully, um mit der französischen Opernmanier und Instrumentalmusik sich bekannt zu machen, und soll daselbst, von Lully sehr geschätzt, sechs Jahre sich aufgehalten haben. Gegen Ende des Jahres 1691 finden wir ihn als Kapellmeister und Componisten bei der braunschweig-wolfenbüttel’schen Oper, wo folgende von ihm componirte Werke über die Bühne gingen: 1692, „Ariadne“, „Jason“, beide von Bressand gedichtet; „Narcissus“ von Fiedler; 1693, „Porus“ von Bressand. Leider konnte er mit Bressand sich nicht vertragen (s. Chrysander Jahrb. I, 191), auch mag der Hofdienst ihm unbequem gewesen sein, daher verließ er wahrscheinlich aus diesen Gründen Wolfenbüttel schon 1693, nach nur etwa anderthalbjährigem Aufenthalte. Noch in demselben Jahre übernahm er, in Verbindung mit Jakob Kremberg und an Stelle des zeitweilig abtretenden Gerhard Schott, die Direction der deutschen Oper zu Hamburg, für welche nun, mit Cousser’s Leitung, die Zeit der Blüthe begann. Wohlvertraut mit der italienischen Gesangmanier und nicht minder bewandert im französischen Geschmacke, dem er besonders in Instrumentalsachen sehr zugethan war, dabei ein Capellmeister, „wie man seines Gleichen nie gesehen hatte“, brachte er bald, soweit die Verhältnisse es irgend zuließen, eine weit bessere Ordnung und Haltung in das bisherige zügellose und dilettantenmäßige Musiktreiben bei der Oper. Die gute Art zu singen, welche er nach Hamburg mitbrachte und an der Bühne einführte, war dort noch etwas ganz Neues, und auch sonst war er äußerst bemüht, die ganze Musikübung auf eine höhere Stufe zu bringen und nach italienischem Geschmacke einzurichten (Mattheson, Ehrenpf. 189). Die Mittel, alle Ausführenden, und selbst gegen ihren Willen, seinen Absichten fügsam zu machen, besaß er in einem Grade, wie nur jemals ein Capellmeister sie besessen haben kann. „Der ehemalige wolfenbüttel’sche Capellmeister J. S. Cousser besaß in diesem Stücke eine Gabe, die unverbesserlich war, und dergleichen mir noch nie wieder aufgestoßen ist“, sagt Mattheson, Capellm. 480; „Er war unermüdlich im Unterrichten, ließ alle Leute, vom größesten bis zum kleinesten, die unter seiner Aufsicht standen, zu sich ins Haus kommen; sang und spielte ihnen eine jede Note vor, wie er sie gerne herausgebracht wissen wollte; und solches alles bei einem jeden insbesondere, mit solcher Gelindigkeit und Anmuth, daß ihn Jedermann lieben, und für treuen Unterricht höchst verbunden sein mußte. Kam es aber von der Anführung zum Treffen und zur öffentlichen Aufführung oder Probe, so zitterte und bebte fast Alles vor ihm, nicht nur im Orchester, sondern auch auf dem Schauplatze: da wußte er Manchem seine Fehler mit solcher empfindlichen Art vorzurücken, daß diesem die Augen dabei oft übergingen. Hergegen besänftigte er sich auch alsofort wieder, und suchte mit Fleiß eine Gelegenheit, die beigebrachten Wunden durch eine ausnehmende Höflichkeit zu verbinden. Auf solche Weise führte er Sachen aus, die vor ihm Niemand hatte angreifen dürfen. Er kann zum Muster dienen.“ Nicht minder hoch stellt Mattheson (Ehrenpf. 146) seine treffende Auffassung der verschiedenen Componisten je nach ihren besonderen Eigenthümlichkeiten; und als nun Keiser kam, fand er den Boden soweit vorbereitet, daß er seine blüthenreiche Saat mit Erfolg darin ausstreuen konnte. Opern von Cousser’s Composition sind in Hamburg in Scene gegangen: 1693 „Erindo“; 1694 „Porus“; „Pyramus und Thisbe“ (ob zur Aufführung gekommen, ist zweifelhaft); „Scipio [537] Africanus“; 1695 kam sein für Braunschweig componirter „Jason“, aber „nach dem Hamburger Humeur“ abgeändert, noch einmal auf die Bühne und war seine letzte Oper, welche über den dortigen Schauplatz ging. Er selbst verließ Hamburg 1696, in welchem Jahre Schott wieder die Direction der Oper übernahm. Hierauf soll er, getrieben von rastlosem Drange nach immer weiterer Vervollkommnung, noch zweimal in Italien gewesen sein; dann nach England hin verschlagen, beschäftigte er sich zuerst in London mit Unterrichten und Concertgeben, bis er 1710 zu Dublin Capellmeister am Trinity-College wurde, in welchem Amte er, fleißig mit theoretischen Studien beschäftigt und hochangesehen wegen seiner künstlerischen und menschlichen Tüchtigkeit, bis zu seinem 1726 erfolgten Tode verblieb. Nach Chrysander, Jahrb. I, 192 ist er schon 1696, also von Hamburg aus, mit Kremberg nach England gegangen, mithin mag er seine italienischen Ausflüge von dort aus unternommen haben; daß er noch aus Irland nach Stuttgart gekommen sei und daselbst seinen jungen Neffen Daniel Treu unterrichtet habe, erzählt Mattheson, Ehrenpf. 371. Gedruckt ist von seinen Compositionen nur wenig: „Apollon enjoué, cont. 6 Ouvertures de Théâtre, accomp. de plusieurs Airs“, 1700; „Heliconische Musenlust in der Oper Ariadne“, 1700; „A Serenade to be represented on the Birth-Day of H. M. George etc.“, 1724. Eine zu London von ihm componirte Ode auf den Tod der Arabella Hunt scheint nicht gedruckt zu sein.