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ADB:Köhler, Louis

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Artikel „Köhler, Louis“ von Carl Krebs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 314–317, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:K%C3%B6hler,_Louis&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 15:09 Uhr UTC)
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Köhler: Louis K., bedeutender Clavierpädagoge und Musikschriftsteller, ist am 5. September 1820 in Braunschweig geboren und am 16. Februar 1886 in Königsberg i. Pr. gestorben. Seine schöne Stimme und sein gutes Gehör verschafften ihm früh Aufnahme in den von dem Präfecten A. Sonnemann geleiteten Singchor, mit dem er, wie es des Landes Brauch war, an mehreren Tagen der Woche in den Straßen seiner Vaterstadt herumzog; und seine allgemeine musikalische Begabung veranlaßten den Chorleiter, ihm auch Unterricht im Clavierspiel zu ertheilen. Ungeheurer Fleiß brachte ihn bald auf eine beträchtliche technische Höhe. Auch im Violinspiel, das ihn Ch. Zinkeisen jun. lehrte, erreichte er eine Fertigkeit, die ihn befähigte, im Braunschweiger Theaterorchester mitzuwirken. Nebenbei betrieb er eifrig Harmonielehre (bei C. L. D. Zinkeisen und Dr. A. Leibrock), sang in verschiedenen Vereinen als Altist mit, hörte die besten Musikaufführungen und suchte sich überhaupt nach jeder Richtung tonkünstlerisch weiter zu bilden. Ein Verwandter, den er 1839 in Potsdam besuchte, setzte ihn dann in die Lage, seine Studien auf breiterer Basis zu vollenden: er schickte ihn nach Wien zu Karl Czerny, der indessen keinen Clavierunterricht mehr ertheilte und den lernbegierigen Jüngling an C. M. v. Bocklet weiter wies, „ein Spieler à la Hummel, den selbst Beethoven einst hochschätzte“. Die Compositionsübungen wurden hier [315] unter Leitung von Simon Sechter und Ign. Ritter v. Seyfried fortgesetzt. In Wien trat K. auch zum ersten Mal als Tonsetzer in die Oeffentlichkeit, mit einer Musik zur „Helena“ des Euripides, die Karl v. Holtei bei ihm bestellt hatte. In aller Stille waren vorher schon ein Streichquartett, eine Symphonie in D-dur u. A. entstanden. Dann kam die Oper in den Bereich seines Schaffens: „Prinz und Maler“ wurde vom Braunschweiger Hoftheater angenommen, vom Componisten aber zurückgezogen zu Gunsten seiner „Maria Dolores“ (Braunschweig 1844), die nach wenig Aufführungen von der Scene verschwand. Andere Opernpläne stiegen auf, „Gil Blas“, auch ein Ballet „Der Zaubercomponist“ wurde geschrieben, aber Zweifel an der Richtigkeit der eingeschlagenen Wege drückten K. einerseits die Feder in die Hand, zur Aussprache der Gedanken, die ihn bedrängten (Signale 1844–45) und veranlaßten ihn andererseits, um das Opernwesen von Grund auf kennen zu lernen, eine Stellung als Theatercapellmeister anzunehmen (bei Gehrmann) und in kleinen ostpreußischen Städten Bühnenwerke jeder Art zu dirigiren, bis er 1846 als zweiter Dirigent an das Stadttheater nach Königsberg kam, wo er verschiedene Melodramen und Singspiele schrieb.

Ziemlich plötzlich muß ihm hier die Erkenntniß gekommen sein, daß er zu diesem Beruf nicht tauge, denn er gab nach kurzer Zeit das Operndirigiren und Operncomponiren ganz auf und widmete sich vornehmlich der Erziehung der clavierspielenden Jugend. „Eine Art Naturbestimmung zog mich“, so sagt er im Vorwort zu seiner „Systematischen Lehrmethode für Clavierspiel etc.“, „zu dem Musiklehrerberufe hin und machte, daß ich ihn mit Liebe erfüllte. Die Neigung, Alles, was dieser Beruf in sich begreift, recht gründlich zu erkennen, entsprang aus solcher Liebe. Nicht nur der Trieb, den Pflichten eines gewählten Berufes im Leben genügen zu können, sondern auch der Gegenstand als eine Sache der Kunst an und für sich zog mich an“. Hiermit hatte er den eigentlichen Kern seiner Begabung entdeckt, was sich auch im äußeren Erfolg zeigte, denn er wurde al Clavierlehrer so gesucht, seine Unterrichtsthätigkeit wuchs schnell so sehr an, daß er sie schließlich durch Einzelunterweisung nicht mehr bewältigen konnte und deshalb von 1856 an neben seinem Privatunterricht noch sogenannte „Claviercirkel“ einrichtete. (Näheres hierüber nebst dem dabei eingeführten Musikunterrichtsprogramm im „Klavierlehrer“ 1886, S. 74 f.) Als Ergänzung zu seiner mündlichen Lehre müssen wir die zahlreichen Aufsätze, kleinen Schriften und größeren Werke betrachten, die er nach und nach veröffentlichte, und durch die er vielleicht noch fruchtbringender gewirkt, gewiß aber einen größeren Kreis angeregt hat, als durch seinen persönlichen Unterricht. Er war ein ausgesprochenes Schriftstellertalent. Voll Phantasie und Geist, des Wortes in hohem Grade mächtig, gestützt durch das gründlichste, am eigenen Leibe erprobte musikalische Wissen und Können, vermochte er seinen Ausführungen neben dem Reiz des individuellen Ausdrucks eine ungewöhnliche Ueberredungskraft zu geben. Sein Eifer galt in erster Linie der Pädagogik. Was er hier aus einem reichen Erfahrungsschatz austheilte, sei es in ausführlichen Lehrbüchern oder in aphoristischer Form, das hat seinen Werth erwiesen und wird ihn auch weiter erweisen, da K. über das Einzelne hinaus immer auf das Allgemeine und Typische zu gehen versuchte. Die Worte, die er über sein Lehrsystem des Clavierspiels sagt, haben Geltung für seine ganze Lehrthätigkeit und öffentliche Wirksamkeit: „Jede Kunstleistung beruht ja auf Naturgesetzen, aus diesem können und mögen wir alle nicht hinaus. Das der Clavierspielmechanik zu Grunde liegende Naturgesetzliche, nicht aber die persönliche Spielmanier (die Jeder in besonderer Weise hat) … habe ich nun als Ausgangspunkt genommen und – im Gefühl [316] einer wohl bestehenden, allgemeinen Klaviervernünftigkeit – das Weitere daraus gefolgert“.

Doch neben dem engeren Feld, das er mit besonderer Liebe bebaute, interessirte ihn immer die Entwicklung seiner Kunst im ganzen. So wurde er durch Richard Wagner’s Musikdramen tief bewegt, weil sie ihm ein Ideal verwirklicht zeigten, dem er in dunklem Drange selbst nachgestrebt hatte, und begeistert trat er für des Meisters Werke und Theorien ein, sowie für alles, was sich um ihn scharte oder mit ihm zusammenhing. Vielleicht hat er hier bisweilen Spreu und Weizen nicht genau genug unterschieden, im allgemeinen muß aber gesagt werden, daß er, getreu dem Grundsatz: „Der Enthusiasmus, der die Fehler kennt, ist allein der reine“ („Melodie der Sprache“) mit seinem klaren Blick und seinem das Alte treu hütenden, dem Neuen warm entgegenkommenden Sinn schriftstellerisch Wagner und seiner Sache mehr genützt, als viele jener Schwarmgeister, die, ehrlich bestrebt zwar, dem Genie die Wege zu ebnen, doch durch Uebereifer Schranke über Schranke zwischen ihm und dem Publicum aufrichteten.

Als Componist hat K. eine mehr quantitativ als qualitativ hervorragende Thätigkeit entfaltet. Gedruckt als erstes Opus sind „Six morceaux de Salon pour Piano“ (Leipzig, schon in Wien componirt), als letztes Opus (314) erscheint die „Große Klavierschule“ (Leipzig). Dazwischen liegen etwa 80 Werke Klavieretuden, die Kinderklavierschule (op. 80), die Kleinkinderklavierschule (op. 200), die praktische Klavierschule in Briefen, über 500 Volksmelodien aller Nationen für 2 und 4 Hände bearbeitet, Ausgaben klassischer Werke („Praktischer Lehrgang“ und „Classische Hochschule“), ferner Lieder, Chöre und anderes mehr. Soweit Köhler’s Compositionen der Förderung der Technik dienen sollen, sind sie wohl brauchbar und zweckdienlich, als Musik betrachtet vermögen sie indessen keine Befriedigung zu gewähren, ebensowenig wie seine Lieder etc., denn K. beherrschte das Handwerkliche des Tonsatzes zwar vollkommen, eigentliche schöpferische Kraft hingegen war ihm versagt.

Seine umfängliche journalistische Thätigkeit, für die „Signale“, die Königsberger „Hartungsche Zeitung“, die „Neue Zeitschrift für Musik“, die „Berliner Musikzeitung“, den „Klavierlehrer“ etc. etc. ist schwer zu übersehen und läßt sich nicht einmal annähernd aufführen. Hervorgehoben seien jedoch Aufsätze zur Geschichte der Klaviermusik (N. Z. f. M. 1867, 1869, 1872, 1875, 1878) und „Ueber Liszt’s symphonische Dichtungen“ (N. Z. f. M. 1863). Selbständig erschienen folgende Werke: 1. „Die Melodie der Sprache“ (Leipzig 1853). 2. „Systematische Lehrmethode für Clavierspiel und Musik“ I. Theil (An Franz Liszt): Die Mechanik als Grundlage der Technik. Leipzig 1857, 2. Aufl. 1872, 3. Aufl. (von H. Riemann besorgt) 1888. II. Theil: Musiklehre: Tonschriftwesen – Metrik – Harmonik 1858. (Die letzten beiden Abschnitte basiren ganz auf M. Hauptmann’s „Natur der Harmonik und Metrik“.) 3. „Führer durch den Clavier-Unterricht“ (Leipzig 1858, 2. Aufl. 1860, 8. Aufl. 1894). 4. „Die Gebrüder Müller und das Streichquartett“ (Leipzig 1858); vgl. im Anschluß daran den Aufsatz: „Die Quartette der Gebr. Müller und der Florentiner“ (N. Z. f. M. 1867, Nr. 23 und 24). 5. „Der Clavierunterricht. Studien, Erfahrungen, Rathschläge“ (Leipzig 1860, 2. Aufl. 1861, 3. Aufl. 1868, 6. Aufl. 1905 [von R. Hofmann bearbeitet, als 187. Bd. von Weber’s illustr. Katechismen]). 6. „Der Clavierfingersatz in einer Anleitung zum Selbstfinden …“ (Leipzig 1861, 2. Aufl. 1869). 7. „Leicht faßliche Harmonie- und Generalbaßlehre“ (Königsberg 1861, 2. Aufl. 1871, 3. Aufl. 1888). 8. „Gesangs-Führer“ (Leipzig 1863). 9) „Die neue Richtung in der Musik“ (Leipzig 1864). 10. „Einige Betrachtungen über [317] Sonst und Jetzt“ (Leipzig 1867). 11. „Johannes Brahms und seine Stellung in der neueren Clavierlitteratur“ (Hannover 1880). 12. „Der Clavierpedalzug“ (Berlin 1882). 13. „Allgemeine Musiklehre“ (1883).

Biographisches über Köhler außer in den bekannten Nachschlagwerken in den „Signalen“ 1860 und im „Klavierlehrer“ 1881, S. 3 u. 20.