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ADB:Holtei, Carl von

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Artikel „Holtei, Karl von“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 3–5, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Holtei,_Carl_von&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 02:21 Uhr UTC)
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Holtei: Karl v. H., Dichter, Schauspieler, Vorleser und Dramatiker, geb. am 24. Januar 1797 zu Breslau, † daselbst am 12. Februar 1880. Die Litteraturgeschichte kennt wenig Lebensläufe, die so bewegt sind wie der Holtei’s, der zwar nicht zu den hervorragendsten, aber ohne Zweifel zu den populärsten modernen deutschen Dichtern zählt und auf dem Gebiete der Dialectdichtung, auch wenn er nicht gleich tief, wie etwa Hebel, in das Wesen und den Geist des Volkes eindringt, geradezu einen ersten Platz einnimmt. Als 1878 Holtei’s 81. Geburtstag festlich begangen wurde, sagte Professor Weinhold, sein Wirken und Leben treffend schildernd, von ihm: „Holtei ist ein vielseitig entwickeltes Wesen; er ist Dichter, Redacteur, Schauspieler, Liedersänger, künstlerischer Vorleser, Meister im plaudernden Gespräch und im Briefwechsel gewesen; er war ein wilder fahrender Geselle und ein fleißiger Bücherschreiber; er verlor sich in leichtsinniges, thörichtes Treiben und gab sich kindlich weich dem stillen Leben der Natur hin und lauschte den ernsten Geheimnissen der menschlichen Seele. Eine dunkle Macht [4] jagte ihn in früher Jugend auf die wirren Pfade seines Lebens, und dieser Macht ist er gefolgt, wohin sie ihn führen wollte, ohne ihr bewußtes Wollen entgegenzustellen.“ Das ist der ganze Holtei! In zwei große Epochen zerfällt das Leben Holtei’s, deren eine die Wanderjahre umfassend bis 1850 reicht, während der anderen, die mit H.’s Tod ihren Abschluß findet, das ruhige Schaffen und der Frieden des Alters die charakteristische Signatur gibt. Ueber die ersten vier Jahrzehnte der ersten Epoche liegt von H. selbst eine Quelle vor in seiner autobiographischen Schrift „Vierzig Jahre“ Breslau (1843–50, 8 Bde., 2. Aufl. 1859/62, 6 Bde.), der wir zunächst folgend, seinen Lebenslauf erzählen. Nach dem frühen Tod seiner Mutter, einer geb. v. Kassen, von einer Verwandten in der verkehrtesten Weise erzogen, ausgebildet auf dem Magdalenäums-Gymnasium zu Breslau, kam H. frühzeitig nach dem Dorfe Obernigk als Eleve der Landwirthschaft, um in einem ernsten Beruf die Leidenschaft für das Theater wieder zu verlieren, die ihn namentlich beim Spiele Ludwig Devrient’s machtvoll erfaßt hatte. Sein Eintritt in das schlesische Reserve-Armeecorps befreite ihn ein Jahr später aus der Obernigker Einsamkeit und als er wieder nach Breslau kam, begann er juridischen Studien auf der dortigen Universität sich zu widmen. Freundliche Beziehungen zu dem bekannten Schriftsteller Carl Schall führten ihn vollständig zu seiner alten Liebhaberei, dem Theater, zurück und so erschien er am 5. November 1819 als Mortimer (Maria Stuart) auf dem Breslauer Stadttheater und wurde sogleich engagirt, nachdem er schon vorher auf dem Schloßtheater des Grafen Herberstein in Grafenort bei Glatz sich als Darsteller versucht, auch Lustspiele und Gedichte geschrieben hatte. Bald jedoch verließ er sein Breslauer Engagement und zog mit einem Freunde, der zur Guitarre sang, als Declamator umher. So kam er auch nach Dresden, wo ihn Tieck zum Aufgeben dieses Wanderlebens veranlaßte und ihm eine Unterkunft beim Hoftheater verschaffte. Allein auch hier hielt es ihn nicht und nach manchen Kreuz- und Querfahrten kehrte er nach Obernigk zurück, heirathete dort 1821 die Schauspielerin Louise Rogée (s. u.), die nun am Breslauer Theater Triumphe feierte, während er an eben dem Institut eine Stelle als Theaterdichter und Secretär annahm, außerdem eine bekannte Wochenschrift „Der Obernigker Bote“ (Breslau 1822), dann mit Schall und Barth ein großes „Blatt „Deutsche Blätter für Poesie, Litteratur, Kunst und Theater“ herausgab (ebd. 1823) und das „Jahrbuch deutscher Nachspiele“ ebd. 1822–24), nachmals als „Jahrbuch deutscher Bühnenspiele“ von Gubitz fortgesetzt, begründete. Ein Theaterscandal machte der Stellung der Gatten ein Ende und das Paar begab sich nun auf eine Kunstreise, die es nach Prag, Wien, Brünn, Berlin und Hamburg führte. Endlich ließ es sich in Berlin nieder, wo Frau v. H. am königlichen Theater angestellt wurde, während H. eine fruchtbare litterarische Thätigkeit eröffnete. Vor Allem arbeitete er mit Erfolg auf dramatischem Gebiet und gab mit seinen „Wiener in Berlin“, „Berliner in Wien“ dem deutschen komischen Singspiel einen neuen lebensvollen Impuls. Auch nach dem Tode seiner Frau (1825) setzte er dieses Wirken fort und nahm zugleich beim Königstädtischen Theater die Stellung eines Directionssecretärs, Bühnendichters und Regisseurs ein. Nachdem er diese Stelle niedergelegt hatte, begleitete er den Grafen Herberstein nach Paris, lebte dann einige Zeit in Düsseldorf und Weimar, von Goethe freundlich aufgenommen und an Johanna Schopenhauer eine Freundin für’s Leben findend. Nach Berlin zurückgekehrt ließ er die Dramen „Der Kalkbrenner“, „Der alte Feldherr“, darunter das bis heute sein Publikum findende Volksstück „Leonore“ u. A., aufführen, ebenso seinen „Johannes Faust, der wunderthätige Magus des Nordens“, heirathete Julie Holzbecher (s. o.) und gab die erste Ausgabe seiner „Schlesischen Gedichte“ (Berl. 1830, 14. Aufl. 1875) heraus, denen bereits „Gedichte“ (Berl. 1826, 5. Aufl. Breslau 1861) vorangegangen [5] waren. Von nur kurzer Dauer war ein mit seiner Frau an das Hoftheater zu Darmstadt angenommenes Engagement, das er bald aufgab, um sich abermals nach Berlin zu wenden, wo nun u. A. der von Gläser componirte Operntext „Des Adlers Horst“, der durch Ludwig Devrient’s Spiel bekannt gewordene „Dumme Peter“ und „Das Trauerspiel in Berlin“ entstand, in denen zum erstenmal der Versuch unternommen wurde den Berliner Jargon auch für das Tragische nutzbar zu machen. 1833 betrat er selbst wieder auf dem Königstädtischen Theater in Berlin die Bühne und spielte u. A. den Wachtmeister in „Leonore“, seinen „Hans Jürge“, dann auch in dem effectvollen Drama „Lorbeerbaum und Bettelstab“, das seinem Namen ein langes Leben in den Bühnenannalen gesichert hat. Eine Kunstreise mit seiner Frau entführte ihn von neuem Berlin, auf der er u. A. die beiden Stücke „Wiener in Paris“ und „Shakespeare in der Heimath“ schrieb. Als er abermals zurückkehrte und sich in manchen seiner Erwartungen getäuscht sah, gedachte er der Bühne Valet zu sagen und begann die Abfassung der schon oben erwähnten „Vierzig Jahre“ zu schreiben. Allein schon 1837 folgte er einem Rufe als Director des Theaters in Riga. Den glücklichen Tagen, die er dort verlebte, machte der Tod seiner Gattin (1839) ein jähes Ende und ruhelos zog er nun wieder umher, Shakespeare recitirend, wie er es schon früher einmal gethan. Auch vollendete er wieder einige Bände seines Memoirenwerks, bis alle seine Thätigkeit von Neuem durch eine sorgenvolle Directionsübernahme, die des Stadttheaters zu Breslau, durchkreuzt ward. 1845 warf er die Bürde von sich, schrieb weiter an seiner Lebensgeschichte und nahm dann die Vorlesungen von Neuem auf. 1847 vom Fürsten von Trachenberg dahin berufen, dichtete er dort seine „Stimmen des Waldes“ (1848), in denen sich der Dichter H. neben seinen prächtigen „Schlesischen Gedichten“ von der liebenswürdigsten Seite zeigt. Schon das folgende Jahr sieht ihn abermals mit dem Wanderstab in der Hand; 1850 endlich läßt er sich in Graz nieder, und nun beginnt die Periode seines Schaffens auf dem Gebiete des Romans. Noch in die Zeit vor 1850 fallen neben anderen und oben schon erwähnten Schriften die Sammlungen seiner Dramen u. d. T. „Beiträge für das Königsstädter Theater“ (Wiesbaden 1832), „Almanach für Privatbühnen“ (Riga 1838) und „Theater“ (Breslau 1845, in 6 Bdn. nochmals 1867), ferner „Deutsche Lieder“ (Schleus. 1834, 2. Aufl. 1836) etc. 1864 siedelte H. nach Breslau über und lebte dort – die letzten Jahre im Kloster der barmherzigen Brüder – bis an sein Ende, geliebt und gelegentlich seines 80. Geburtstags von ganz Deutschland gefeiert, ausgezeichnet von seinem Kaiser und geehrt durch die Begründung eines nach ihm benannten Fonds, dessen Gelder zur Unterstützung hilfsbedürftiger Schriftsteller verwendet werden. Wenn auch den meisten seiner Romane, die er in dieser zweiten Epoche seines Lebens schuf, eine künstlerische Conception abgeht, wenn an ihnen auch oft die Flüchtigkeit der Darstellung zu rügen ist, so fesselten sie doch alle durch die Unmittelbarkeit des Geschilderten und die Liebenswürdigkeit und Lebendigkeit, die ihnen meistens zu eigen ist. Am bekanntesten wurden „Die Vagabunden“ (Brsl. 1851), denen sich anschlossen „Christian Lammfell“ (ebd. 1853), „Ein Schneider“ (ebd. 1854), „Ein Mord in Riga“ (Prag 1854), „Die Eselsfresser“ (Brsl. 1860), „Der letzte Komödiant“ (ebd. 1863), „Haus Treustein“ (ebd. 1866), „Erlebnisse eines Livreedieners“ (ebd. 1868) u. A. m., die zum Theil gesammelt sind in den 39 Bänden der „Erzählenden Schriften“ (ebd. 1861–66). Die größte litterarische Bedeutung Holtei’s liegt darin, daß er der „vorzüglichste und eigentlichste Vertreter von Schlesiens Antheil an der deutschen Poesie“ ist.

Vgl. Karl v. Holtei. Eine Biographie (Prag u. Leipzig 1856), u. Max Kurnik, Karl v. Holtei, ein Lebensbild, Berl. 1880.