ADB:Lachmann, Johann

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Artikel „Lachmann, Johann“ von Theodor Schott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 469–471, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lachmann,_Johann&oldid=- (Version vom 25. April 2024, 00:59 Uhr UTC)
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Lachmann: Johann L., geb. um 1490 oder 91, der Reformator der Stadt Heilbronn (Württemberg), war der Sohn von Bernhard L. (Lachamann), einem bekannten und geschickten Glockengießer, von dessen Kunstfertigkeit zahlreiche Glocken in Heilbronn und den benachbarten Orten und Städtchen rühmliche Kunde ablegen. Februar 1510 wurde er in Heidelberg als Studiosus der Theologie immatriculirt, während seiner Studienzeit (Dauer derselben unbestimmt) gehörte er einem Kreise tüchtiger junger Leute an, welche später alle der Reformation sich zuneigten und in derselben eine oft bedeutende Rolle spielten: obenan steht Melanchthon, dessen Schwester Anna später sich nach Heilbronn verheirathete; Lachmann’s Landsmann Erhard Schnepf, Johannes Brenz von Hall, Oekolampadius von Weinsberg, Jakob Ehinger von Ulm sind sonst die bekanntesten, mit ihnen allen stand L. zeitlebens in vertrautem Briefwechsel. Leider ist derselbe bis auf wenige Spuren verloren gegangen oder noch in den Archiven vergraben: in Folge davon sind die Nachrichten über Lachmann’s Leben im allgemeinen sehr dürftig. Von seinen Studien erfahren wir nur, daß er ein großer Verehrer von Geiler von Kaisersberg war, in einem Distichon auf seinen Tod hat er dieser Verehrung treffenden Ausdruck verliehen; frühe muß er sich den reformatorischen Ideen zugewendet haben, schwerlich indessen hat er Luther bei dessen Besuch in Heidelberg 1518 gesehen und gehört. In seine Vaterstadt zurückgekehrt, wurde er 1520 Nachfolger des Dr. Johann Kröner im Pfarramte der Kilianskirche, von dort an bis zu seinem Tode ist er der eifrige, unermüdete Vorkämpfer der Reformation in Heilbronn gewesen, seinen [470] Bemühungen, seiner ebenso klugen als entschiedenen Haltung gelang es, den oft hin- und herschwankenden Rath immer wieder für die neue Lehre zu gewinnen und derselben endlich den Sieg zu verschaffen. Nicht blos seine Familienverbindungen mit den angesehensten Männern der Stadt, sondern seine eigene persönliche Tüchtigkeit, sein frommer Wandel, seine feste Entschlossenheit und Ueberzeugungstreue, sein muthiges Eintreten bei allen Gefahren, sein freimüthiges Auftreten gegen die Zuchtlosigkeit der Zeit, verschafften ihm eine hochangesehene Stellung; man wird nicht irre gehen mit der Behauptung, daß in jener entscheidenden Periode kaum eine wichtige Frage und Angelegenheit beim Rathe verhandelt wurde, ohne daß seine Meinung oder ein Gutachten von ihm verlangt worden wäre und im allgemeinen ist die Stadt die Bahn, welche ihr bedeutendster Sohn vorzeichnete, gewandelt. Bei den schwierigen Verhältnissen Heilbronns durch seine kirchliche Abhängigkeit vom Bischof von Würzburg, zu dessen Diöcese es gehörte, zum Kaiser als Reichsstadt, zum schwäbischen Bunde, dessen Mitglied es war, zu Württemberg, das stets ein gefährlicher Nachbar damals von österreichischen Statthaltern regiert wurde, war eine vorsichtige Politik dringend geboten; daß sie nicht lau wurde, sondern unter Benutzung der günstigen Umstände allmählich immer mehr kirchliche Neuerungen einführte und endlich die Reformation ganz durchführte, ist hauptsächlich das Verdienst Lachmann’s. Durch seine Predigten in reformatorischem Sinne hatte er rasch einen Anhang gewonnen, sein muthiges Verhalten im Bauernkrieg trug gewaltig dazu bei, sein Ansehen zu erhöhen. Die Lage der Stadt war eine sehr kritische, der Bauernhaufe war durch die bekannte blutige That von Weinsberg übermüthig geworden, ein Theil der Bürgerschaft unzufrieden mit Rath und Geistlichkeit, war nicht abgeneigt, mit den Bauern gemeinschaftliche Sache zu machen. Einen Aufstand der Bauern, welche das Rathhaus stürmen wollten, stillte L. durch sein entschlossenes Dazwischentreten, durch die siegreiche Gewalt seines gerne gehörten Wortes. Die Bauern, welche schon Einlaß in Heilbronn gefunden hatten, bewog er, die starke Contribution, welche sie deren Klöstern auferlegt, zu mäßigen und wieder abzuziehen. Durch seine Vermittelung kam auch ein gütlicher Vertrag zwischen ihnen in Wimpfen zu Stande. Mit Recht galt er damals als Retter der Stadt, aber nach der blutigen Unterdrückung des Bauernaufstandes mußte er den Vorwurf, zu sehr ihnen nachgegeben zu haben, über sich ergehen lassen; von seiner reformatorischen Thätigkeit ließ er sich jedoch nicht abbringen. Die Anklage, übel gegen den Kaiser geredet zu haben, konnte er leicht als unbegründet zurückweisen, eine Citation nach Würzburg, um sich vor dem Bischof wegen seiner Predigten zu verantworten, lehnte er und der Rath ab (1526). Herbst desselben Jahres heirathete er Barbara Weisbronn, ein bedeutender Schritt zur Durchführung kirchlicher Reformen war damit gethan, trotz der schwankenden Haltung des Rathes drangen dieselben immer mehr durch. 1527 wurde durch ihn auf die Empfehlung von Brenz der tüchtige Kaspar Gräter (s. Allg. d. Biogr., Bd. IX. S. 599) zum Rector der Schule berufen, 1527 oder 28 die Feier der Fastnacht abgeschafft, 1528 das Abendmahl unter beiderlei Gestalt ausgetheilt, in demselben Jahre gab L. in Verbindung mit Gräter einen Katechismus heraus, einen der frühesten der Reformationszeit und die einzige gedruckte Schrift von ihm, die uns erhalten ist (die Flugschriften „Drei christliche ermanungen an die Bawrschaft“, 1525, sind nur noch dem Titel nach bekannt). Beachtenswerth ist hierin seine Stellung zum Sacramentstreit, der seit 1525 das Lager der Protestanten in zwei Parteien theilte; unter dem „Syngramma suevicum“, welches Brenz gegen Oekolampadius abgefaßt hatte, steht Lachmann’s Name als der erste (den 21. October 1525), auch in dem Katechismus ist der lutherische Lehrtypus ausgesprochen, diese Anschauung hat L. stets festgehalten, [471] Heilbronn ist daher den zwinglisch gefärbten Confessionen nicht beigetreten. Auf dem Reichstag in Speier 1529 stand Heilbronn auf Seite der protestirenden Städte, zu dem Reichstag in Augsburg 1530 hatte L. ein eigenes Glaubensbekenntniß für die Stadt abgefaßt, das indessen, wie es scheint, nicht übergeben wurde. Dem schmalkaldischen Bunde trat die Stadt zunächst nicht bei, durch Lachmann’s Gutachten beeinflußt, der ein Vertheidigungsbündniß gegen den Kaiser nicht geradezu verdammte, aber das Bekennen und Leiden als die richtige christliche Handlungsweise hinstellte. Um gegen alle Maßregeln des Kammergerichtes gerüstet zu sein, versicherte sich der Rath auf Lachmann’s Vorschlag der Bürgerschaft und ließ sie einzeln schwören, der Reformation treu zu bleiben und Leib und Gut dafür zu lassen. Alle leisteten den Schwur bis auf einen Bürger, der indessen nachher auch noch beitrat (December 1531). Nun wurde die Messe abgeschafft, die Klöster reformirt und eine Disputation mit den Mönchen, zu welcher sich L. erbot, kam nicht zu Stande, die Zusammenkunft, welche Butzer am 15. Aug. 1532 in Lachmann’s Hause mit Brenz, Germanus, Irenicus u. a. zur Beilegung der Sakramentsstreitigkeiten hielt, war leider erfolglos. Mit der Eroberung Württembergs durch Herzog Ulrich (1534) war der Sieg der Reformation in dieser Gegend entschieden, auch Heilbronn hatte dies zu genießen, in den Dörfern seines Gebiets war ebenfalls die evangelische Lehre eingeführt worden; gegen die wiedertäuferischen Regungen, welche sich in einigen zeigten, trat L. lehrend und mahnend auf, ohne indessen durch diese gütlichen Mittel viel auszurichten. 1536 wurde seine Bestallung auf 10 Jahre erneuert, 1543 verfaßte er nach dem Muster der Haller eine neue Kirchenordnung, auch die Schule wurde nach seinen Rathschlägen neu organisirt, da brachte der unglückliche Ausgang des schmalkaldischen Krieges ihm und der Sache der Reformation in Heilbronn große Bedrängniß. Karl V. war vom 24. December 1546 bis 18. Januar 1547 selbst in Heilbronn, die Stadt trat aus dem schmalkaldischen Bunde, dem sie seit 1538 angehört hatte, sie mußte eine kaiserliche Besatzung aufnehmen, später auch das Interim. Das letztere nahm L. nicht an, sondern legte lieber seine Stelle nieder (1548). Weiteres über seine Schicksale, auch das genaue Datum seines Todes konnte ich nicht finden. Von Lachmann’s Schriften ist, wie oben erwähnt, nichts erhalten als „Catechesis oder Unterricht für Kinder, wie er in Heilbronn gelehrt und gehalten wird“, 1528. Neu herausgegeben von J. Hartmann, Aelteste katechetische Denkmale der evangelischen Kirche, 1527 bis 1529, Stuttgart 1844.

Eine des Mannes würdige Lebensbeschreibung fehlt noch, ausführliche Nachrichten über ihn und seine Thätigkeit gibt L. Jäger, Mittheilungen zur schwäbischen und fränkischen Reformationsgeschichte, Bd. I (einz.), Stuttgart 1828, vgl. ferner von demselben Verfasser, Geschichte der Stadt Heilbronn, 1. 2, Heilbr. 1828. H. Titot, Culturgeschichtliche Beiträge über Stadt und Oberamt Heilbronn, Heilbr. 1862. Finckh, Verzeichniß der Lehrer an der Gelehrtenschule zu Heilbronn, 1858; ferner die Werke von Stälin u. Keim. – G. H. Müller, Feier des III. Jubelfestes der Reformation zu Heilbronn, 1817, stand mir nicht zu Gebote.