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ADB:Landfermann, Ludwig Dietrich Wilhelm

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Artikel „Landfermann, Ludwig Dietrich Wilhelm“ von Richard Hoche in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 744–746, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Landfermann,_Ludwig_Dietrich_Wilhelm&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 10:41 Uhr UTC)
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Landfermann *): Ludwig Dietrich Wilhelm L., Schulmann, 1800 bis 1882, wurde am 28. August 1800 in Soest in Westphalen als der Sohn eines Pfarrers geboren. Nachdem er das Archigymnasium der Vaterstadt unter dem Rectorate des trefflichen J. F. Reinert (s. d.) besucht, studirte er von 1820 an in Göttingen und Heidelberg Philologie und Geschichte. Seine hervorragende Betheiligung an der Burschenschaft, insbesondere eine auf dem Burschentage im Odenwald 1822 von ihm gehaltene Ansprache machte ihn der Polizeibehörde verdächtig; [745] im Februar 1824 wurde er verhaftet und zunächst nach Berlin gebracht, bald darauf nach dem Schlosse in Köpenick übergeführt. Die im October 1824 von der preußischen Regierung erlassene „Amtliche Belehrung über den Geist und das Wesen der Burschenschaft“ führt L. unter den „geständlichen und überführten Mitgliedern des geheimen hochverrätherischen Bundes“ auf, welche „durch Irrlehren exaltirt in größere Verirrungen und Vergehungen gerathen“ seien. Er selbst äußerte zwanzig Jahre später, daß er mit seinen Freunden „auf den Staffeln der Empörung schon ziemlich hoch gestiegen“ gewesen. Zu langer und schwerer Haft verurtheilt, wurde er im März 1825 auf die Citadelle in Magdeburg gebracht und dort bis zu seiner Begnadigung (8. Mai 1829) festgehalten. Sittlich gereift und auch durch ernste Studien – trotz vielfacher Erschwerungen – gefördert, kehrte er in die Heimath zurück, legte vor Ablauf eines Jahres die wissenschaftliche Staatsprüfung ab und begann zu Ostern 1830 seine Lehrthätigkeit am Gymnasium seiner Vaterstadt Soest. Bereits Anfang August d. J. trat er an das Gymnasium in Elberfeld über, zunächst noch als Hülfslehrer (unter fortdauernder Polizeiaufsicht!); nach Vollendung des Probejahres wurde er im März 1831 als ordentlicher Lehrer angestellt. Die kraftvolle Wucht seines offenen Wesens, sein milder Ernst, sein ungewöhnliches Lehrgeschick und seine wissenschaftliche Tüchtigkeit verschafften ihm sehr bald die allgemeinste Anerkennung auch außerhalb seines amtlichen Kreises; als er nach kurzer Amtsdauer Ostern 1832 Elberfeld verließ, um eine ihm angetragene Oberlehrerstelle in Soest anzunehmen, stand bei der Elberfelder Behörde bereits der Entschluß fest, ihn bei der ersten Gelegenheit zurückzuberufen. Auch in Soest war seines Bleibens nicht lange; bereits Ostern 1835 wurde er zum Director des Gymnasiums in Duisburg ernannt. Dieses Amt hat er sechs Jahre hindurch geführt, für Lehrer und Schüler ein trefflicher, nicht immer milder, aber stets gerechter und wohlwollender Leiter, welcher den Ruf der Anstalt auf Jahrzehnte hinaus begründet hat. Die Erfahrung freilich, daß die Uebernahme einer Schulleitung recht bald viele idealistische Vorstellungen vergehen läßt, blieb ihm auch nicht erspart; „primus inter pares“ sein zu wollen, gab er bald auf. Im J. 1841 bot sich dem Elberfelder Scholarchate die Gelegenheit, L. wieder zu gewinnen; er nahm die ihm angetragene Direction des dortigen Gymnasiums an, freudig bewegt von dem Gedanken, wieder unter der bergischen Jugend – deren Sinn und Wesen er einst gegen F. W. A. Diesterweg’s hartes Urtheil liebevoll vertheidigt hatte – sein Arbeitsfeld zu haben. Unvorhergesehene Differenzen jedoch, welche zwischen der Staatsregierung und der Elberfelder Wahlbehörde, dem Presbyterium der reformirten Gemeinde, über die Patronatsrechte und insbesondere über die Instruction des Directors ausbrachen, verzögerten den Antritt des neuen Amtes; ehe der Streit zum Austrag gekommen war, wurde L. bereits als Regierungs- und Schulrath an das Provinzial-Schulcollegium in Koblenz berufen (Herbst 1841). Hiermit beginnt die segensreichste Wirksamkeit seines Lebens. Nicht oft hat ein Mann in dieser Stellung, welche so leicht zu rein mechanischer Verwaltungsthätigkeit verleitet, einen so tiefgehenden Einfluß auf die innere Entwicklung des höheren Schulwesens geübt, den Directoren ein treuer Berather, den Lehrern ein wahrhaft erhebendes Beispiel dafür, wie auch die bescheidenste Thätigkeit durch eine ideale Auffassung der Pflicht veredelt wird. Feind „aller Phrase, alles Scheinwesens, der didaktischen Hyperbel, des Encyklopädismus“, wies er immer wieder auf die einfachen und edlen Mittel und Aufgaben unserer höheren Jugenderziehung hin, ließ Jeden gern sich nach eigener Art entwickeln, ohne durch formalistische Anordnungen zu hemmen, aber auch ohne Nachsicht gegen Ueberhebung und Zuchtlosigkeit. Und weil er gern vertraute, fand er auch selbst Vertrauen und gab dadurch seinem Amte eine Bedeutung, die weit über das gewöhnliche Maß [746] hinausreichte. Die wahrhaft liberale Gesinnung, welche in dem edlen Gleichmaße seines ganzen Wesens ihren Ausdruck fand, die überzeugungstreue Liebe zum königlichen Preußen wurde auch durch das Jahr 1848 nicht erschüttert; als er im J. 1849 in das Abgeordnetenhaus gewählt wurde, hat er dort mit seinen Freunden Bethmann-Hollweg, Matthis und Anderen gegen rechts und links mäßigenden und fördernden Einfluß geübt. Auch an der Generalsynode von 1846 hatte er hervorragenden Antheil genommen. – Die Jahre der Reaction, welche einen schroffen Parteimann an die Spitze der Rheinprovinz brachten, waren für L. Zeiten vielfacher Sorgen; die wiederholten Versuche, ihn aus seiner Stellung zu verdrängen, scheiterten glücklicherweise an der besonnenen Ruhe, mit welcher er auch Kränkendes abzuwehren wußte. Nach Eintritt der Regentschaft wurde er dagegen durch die Ernennung zum Geheimen Regierungsrath ausgezeichnet. Als dann Bethmann-Hollweg ihn in das Ministerium zu ziehen suchte, lehnte er diese Anerbietungen ebenfalls ab; sein Wunsch war, dauernd in den rheinischen Landen bleiben zu können. Nur einmal ist er später hierin wankend geworden: nach der Wiedereroberung des Elsaß stellte er, der 70jährige, sich zur Verfügung, wenn man ihn für die Neugestaltung des dortigen höheren Schulwesens verwenden wolle. Man ging auf dieses Anerbieten nicht ein; welchen Antheil L. aber an dem Wohle des neuen Reichslandes nahm, bewies er durch die Ueberweisung seiner bedeutenden Bibliothek an die Straßburger Universität, nachdem der einzige seiner Söhne, welcher sich dem Schulfache gewidmet hatte, bei Gravelotte gefallen war. Im Herbst 1873 begehrte L. seinen Abschied, den die damalige preußische Unterrichtsverwaltung nur nach wiederholten Versuchen, ihn im Amte zu erhalten, gewährte; er zog sich nach Weinheim a. d. Bergstraße zurück und starb hier am 14. August 1882, fast 82 Jahre alt. – Von seinen nicht sehr zahlreichen Schriften sind die bedeutendsten und für ihn charakteristischsten: „Der evangelische Religionsunterricht auf Gymnasien“, 1846; „Zur Revision des Lehrplans höherer Schulen“, 1855, und „Gedichte“, für Freunde gedruckt 1857.

Bouterwek, Gesch. der Lat. Schule zu Elberfeld, 1865, S. 182 u. 209; Hoche, Festschrift und Festrede zum Elberfelder Gymnasial-Jubiläum, 1874; Jäger, Zum Gedächtniß D. Landfermann’s, 1883; Hollenberg, Eine Erinnerung an D. W. L., 1882.

[744] *) Zu Bd. XVII, S. 591.