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ADB:Lechner, Leonhard

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Artikel „Lechner, Leonhard“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 106–107, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lechner,_Leonhard&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 05:57 Uhr UTC)
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Lechner: Leonhard L., ein fleißiger Tonsetzer des 16. Jahrhunderts, über den wir neuerdings vortreffliche Quellenarbeiten in den Monatsheften für Musikgeschichte erhalten haben. Er war in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. im Etschthal geboren und scheint einer gelegentlichen Aeußerung gemäß in der Cantorei des Herzogs Wilhelm von Baiern in München Sängerknabe gewesen zu sein, wo er unter Orlandus de Lassus’ Direction seine Studien gemacht hat. 1570 treffen wir ihn als Schullehrer in Nürnberg, wo er bereits als Componist Motetten und deutsche Lieder herausgibt, auch – wol nur des Verdienstes halber – eine Motetten-Sammlung seines einstigen Meisters Orlandus de Lassus, nebst Messen desselben, sowie die dreistimmigen, damals sehr beliebten Lieder Jacob Regnart’s fünfstimmig setzt und in Nürnberg veröffentlicht. Diese rege Thätigkeit verschaffte ihm bald die Anerkennung seiner Zeitgenossen und der Graf Eitel Friedrich[WS 1] von Hohenzollern ließ ihn durch seinen Rath und Rechtsanwalt Johann Drezel zu sich auf sein Schloß zum Besuche einladen, wo er ihn gastfrei aufnahm und reich beschenkt entließ, wie uns L. in seinen Messen von 1584 selbst mittheilt. Aus diesem Besuche entspannen sich Unterhandlungen, ihn als Capellmeister nach Hechingen zu gewinnen und Lechner’s lebhafter Geist, der an der Schulmeisterei in Nürnberg wol wenig Gefallen fand, ging schnell darauf ein, so daß er bereits in demselben Jahre (1584) als „wohlbestallter Capellmeister“ des Grafen Eitel Friedrich fungirt. Doch Lechner scheint hier nicht gefunden zu haben, was er erwartete, oder er ließ sich in der damals sehr abhängigen und einem Diener gleichkommenden Stellung zu Ungehörigkeiten hinreißen, kurz, nach Ablauf kaum eines Jahres entfernte er sich heimlich vom Schlosse Hechingen und suchte eine anderweitige Stellung. Da damals in Dresden die kurfürstliche Capellmeisterstelle erledigt war, so bewarb er sich zunächst um diese, suchte aber vor Allem mit Weib und Kind beim Herzog von Württemberg in Tübingen Schutz. Hier ließ ihn der Graf durch einen gewissen Peter Gadmeyer, Stadtschreiber, aufsuchen und zur Rückkehr bewegen. Das Schreiben, welches Gadmeyer dem L. vom Grafen überreichte, ist in einem freundlichen, fast bittenden Tone abgefaßt (s. Monatsh. f. Musikg. I, S. 185, sowie man die folgenden Schreiben ebenfalls dort abgedruckt findet). Lechner’s Antwort aber, [107] was sehr zu seinen Ungunsten spricht, ist hochfahrend und setzt alle Rücksicht gegen seinen hochgestellten Herrn bei Seite; ohne einen triftigen Grund seines Entweichens anzugeben, besteht er nur darauf, daß er nicht nöthig habe, um seinen Abschied einzukommen. Der Graf griff nun zu Gegenmitteln, unterrichtete den Kurfürst von Sachsen von dem Entweichen Lechner’s und bewog jenen, den ihm sonst so gut empfohlenen L. – der Herzog von Württemberg, der Herzog Wilhelm von Baiern und Orlandus de Lassus waren beim Kurfürsten zu Gunsten Lechner’s eingetreten und hatten ihn schriftlich empfohlen – nicht anzustellen. Auch ein Schreiben des Grafen an den Markgrafen von Brandenburg in derselben Angelegenheit bewahrt das königlich sächsische Hauptstaatsarchiv auf. L. sah sich so von allen hochfliegenden Plänen verdrängt und mußte zufrieden sein, daß ihn der Herzog von Württemberg in Diensten behielt. Hier läßt sich seine Thätigkeit bis in’s Jahr 1590 verfolgen, von da ab verschwindet aber jegliche Spur, so daß man nicht irre gehen wird, wenn man seinen Tod in diese Zeit setzt. L. hat in allen Musikformen Werke hinterlassen, von der Messe bis zum kleinen Liede und wenn er auch nicht die höchste Staffel des Ruhmes erreicht hat, so sind seine Werke mehrfach aufgelegt und vielfach verbreitet gewesen, wovon jetzt noch die auf öffentlichen Bibliotheken vorhandenen Exemplare Kunde geben, die in ganz Deutschland, vom höchsten Norden bis zum tiefsten Süden, in Ost und West zu finden sind. Die Monatshefte für Musikgeschichte geben im 10. Bande ein Verzeichniß seiner Drucke mit Angabe des Inhaltes und der Fundorte; man erkennt daraus am besten die einstige Beliebtheit Lechner’s. Auch in der jüngsten Zeit sind einige seiner Gesänge wieder von Neuem herausgegeben, darunter befindet sich auch die sechsstimmige Gelegenheitscomposition an den Kurfürsten von Sachsen, die ihm helfen sollte, den sächsischen Capellmeisterposten zu erlangen: „Saxoniae Princeps Augustissime salve“ (M. f. M. I, Nr. 12), die aber trotz ihrer vortrefflichen Arbeit den Zweck nicht erreichte. Besonders interessant und lehrreich finde ich aber die fünfstimmige Bearbeitung der Regnart’schen dreistimmigen Lieder, von denen die Monatshefte, Bd. VIII, Beilage zu S. 56, einen Satz neben dem Regnart’schen des Vergleiches halber bringen: „Ohn dich muß ich aller Freuden maßen“. Das ist nicht nach heutigem Begriffe ein Arrangiren des dreistimmigen Satzes in einen fünfstimmigen, sondern eine vollständig neue Bearbeitung. Es ist als wenn zwei dasselbe Thema bearbeiten und Jeder einen vollkommen neuen Eindruck seiner Arbeit erzielt. Man erkennt daraus am Besten, wie gewandt die Alten in Behandlung ihrer Motive waren und daß ihre Stärke nicht in der Erfindung neuer und reizvoller Themas bestand, sondern in der Behandlung und Benützung eines Motivs.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Eitel Friedrich IV. (1545–1605), Graf von Hohenzollern-Hechingen, s. NDB.