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ADB:Lochner, Stephan (1. Artikel)

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Artikel „Lochner, Stephan“ von Johann Jakob Merlo in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 69–72, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lochner,_Stephan_(1._Artikel)&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 16:26 Uhr UTC)
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Lochner: Stephan L.[WS 1], Maler, † zu Köln während seines Dienstjahres als Rathsmann von Nativ. Christi 1451 bis zum selben Tage 1452. Er war ein Sohn der Eheleute Georg L. und Frau Adelheid. Eine Kölner Urkunde vom 18. October 1444 nennt ihn „meister Steffayn Loechener van Costans meylre“, vielleicht nicht mit Hinweis auf die Stadt, sondern auf das Bisthum Constanz, da durch ein Schreiben des Raths von Köln vom 16. August 1451 an Bürgermeister und Rath zu Meersburg in Erbschaftsangelegenheiten des Malers nachgewiesen ist, daß seine Eltern in diesem unweit der Stadt Constanz gelegenen Städtchen gewohnt haben und auch daselbst gestorben sind. Dem Maler standen damals Hindernisse im Wege, sich persönlich dorthin zu begeben, [70] um seine Rechte an den von den Eltern hinterlassenen Gütern zu vertreten; er ließ deshalb die heimathliche Behörde bitten, bis dahin, wo ihm die beabsichtigte Reise ermöglicht sei, nicht zu gestatten, daß mit diesen Gütern eine Theilung oder andere Wandlung vorgenommen werde. Die früheste urkundliche Nachricht über seine Gegenwart in Köln enthält eine Schreinseintragung vom 27. Octbr. 1442, worin er mit Lysbeth, seiner Ehegattin, von dem Schulmeister Johann v. Kurbeke das in der Laurenzpfarre gelegene Haus Roggendorp (jetzt gr. Budengasse Nr. 13) erwirbt. Nur zwei Jahre verlebte er hier, um dann im October 1444 einen Wohnsitz von stattlichem Umfange zu beziehen, nämlich die vereinigten Häuser „zum Carbunckel und Aldengryne“, gegenüber der St. Albanskirche (jetzt In der Höhle Nr. 28 und Quatermarkt Nr. 13). 1447 wurde ihm das große Bürgerrecht verliehen. 1448 wählte ihn die Malerzunft in den Rath, eine Auszeichnung, die sie ihm 1451 wiederholte. Die Senatorenverzeichnisse fügen bei dem letztgenannten Jahre seinem Namen das Todeszeichen † bei. Wahrscheinlich ist er ein Opfer der damals in furchtbarem Grade („qualis a memoria hominum nunquam visa et audita fuerit“) in Köln wüthenden Pestseuche geworden. Daß er mehr als andere davon bedroht gewesen, zeigt eine Urkunde vom 22. Septbr. 1451 an, ein seitens des Pfarrers und der Kirchmeister von St. Alban dem Rathe ausgestelltes Reversale, betreffend die denselben eingeräumte Erlaubniß, einen freien Platz, der Kirche gegenüber und an der einen Seite begrenzt von „Steffain Locheners des meilres huyse“, weihen und zu Grabstellen benutzen zu lassen. Als Ursache ist angegeben, daß der neben der Kirche gelegene Begräbnißplatz mit Gräbern überfüllt sei, weil „die pestilencie eyne zyt lanck fweirlichen regniert hat ind got erbarmt noch duyrt“, so daß die Priester und Pfarrgenossen sich sowol in der Kirche, als auf dem Kirchhofe „vur groissem stancke nyet waile vnthalden moigen“. – Die altkölner Schule erreicht mit dem Erscheinen dieses Malers ihre höchste Entwickelung. Zu dem innig frommen, idealen Geiste gesellt sich ein naturalistischer Fortschritt, der manche auffallende Mängel der unter Meister Wilhelm’s Einfluß gestandenen Vorgänger fernzuhalten weiß. In den männlichen Köpfen, besonders den älteren, zeigt sich ein Streben nach Individualisirung, das selbst bis zur Lebenswahrheit des Bildnisses vorzudringen scheint. Die Körpergestaltung ist von kräftigem Bau, für die Arme und Hände sind Formen gefunden, welche, statt der früher üblichen widerlichen Magerkeit, dem gesunden Dasein entsprechen. Die Trachten und die Stoffe sind mit Treue und ausdauerndem Fleiße nachgebildet. In den weiblichen Köpfen hat sich hingegen eine, dem rundlichen niederrheinischen Kindergesichte entnommene Monotonie noch erhalten, ohne jedoch zu verhindern, daß die Madonnen des Meisters in einer so bewunderungswürdigen Hoheit und Milde erscheinen, daß man glaubt, sie nur auf himmlische Visionen zurückführen zu können. Ein Schüler Meister Wilhelm’s kann L. nicht gewesen sein; sie stehen chronologisch zu weit von einander. In dem zwischen 1414 und 1417 verstorbenen Maler Hermann Wynrich von Wesel, mit dem Frau Jutta, Wilhelm’s Wittwe, eine zweite Ehe einging, ist ein bedeutender Meister gefunden, der die Lücke wenigstens theilweise zu vermitteln scheint. Mit vollem Rechte wird auf den Meister L. die Stelle in Albrecht Dürer’s Tagebuch über seine Reise nach den Niederlanden 1520–21 bezogen: „Item hab 2 weiß pf. von der Taffel aufzusperren geben, die Maister Steffan zu Cöln gemacht hat“. Diese Tafel kann keine andere sein, als das Flügelbild der Stadtpatrone von Köln, das sich ursprünglich auf dem Altare der Rathskapelle befand und jetzt als Kölner Dombild weltberühmt ist. Dasselbe pflegte von jeher die Künstler und Kunstfreunde zur Beschauung und Bewunderung heranzuziehen, wie dies die älteren Localschriftsteller Georg Braun, Egid. Gelenius u. A. bezeugen. So lange die Dürer’sche Notiz allein stand und Köln den Beweis schuldig bleiben [71] mußte, unter seinen Malern im 15. Jahrhundert einen Meister Stephan besessen zu haben, mögen Zweifel statthaft gewesen sein – jetzt aber, wo uns der Kölner Maler Stephan L. in zahlreichen Urkunden mit chronologischem Zutreffen und in der hochangesehenen Stellung eines von seinen Zunftgenossen erwählten Rathsherrn entgegentritt, wird jeder Zweifel wegfallen müssen. Das Hauptwerk Meister Lochner’s ist das Stadtpatronenbild, auf der mittleren Tafel die Anbetung der Könige, auf den Innenseiten der Flügel die hhl. Gereon und Ursula mit Gefolge, und auf den Außenseiten der letzteren die Botschaft des Engels bei Maria darstellend. Wallraf (Taschenbuch für Freunde altdeutscher Zeit und Kunst, 1816) und Friedr. Schlegel (Sämmtliche Werke, VI. 196 bis 207) haben treffliche Beschreibungen dieses werthvollsten Gemäldes der altkölner Schule geliefert. Um 1444 dürfte es entstanden sein. Im J. 1810 wurde es in den Dom auf den Altar der Agneskapelle überbracht und ist seitdem als Kölner Dombild allgemein bekannt. Franz Massau hat 1850 einen lobenswerthen Kupferstich geliefert, welcher das Mittelbild, vereinigt mit den Innenseiten der Flügel, wiedergibt. Eine überaus liebliche Schöpfung unseres Meisters ist das kleine Bild der hl. Jungfrau mit dem Jesuskinde in der Rosenlaube sitzend, von den holdesten Engelgestalten umgeben, welches der am 15. Mai 1848 verstorbene edelsinnige Patrizier F. J. v. Herwegh durch testamentarische Verfügung dem Museum seiner Vaterstadt überwies. Es ist auf Goldgrund sehr zart ausgeführt und gehört zu den reizendsten unter jenen Darstellungen, welche man als Paradiesesbilder zu bezeichnen pflegt. Von hoher Schönheit ist ferner ein 1850 aus der Verborgenheit hervorgezogenes, dem Kölner Priesterseminar zugehöriges Bild, welches die hl. Jungfrau mit dem Kinde, stehend, in etwas mehr als Lebensgröße darstellt. Zu ihren Füßen kniet rechts in sehr verkleinertem Maßstabe die betende Stifterin. Aus den beiden Wappenschildern, welche in den unteren Ecken aufgestellt sind, ist nachgewiesen, daß Elisabeth von Reichenstein die Abgebildete ist, die 1452 als Aebtissin des Cäcilienstiftes in Köln vorkommt. Daß das Bild vor dieser Zeit gemalt worden, spricht aus dem Umstande, daß sie ohne den Stab, das Attribut der Würde einer Aebtissin, erscheint. Dem Meister L. werden ferner zugeschrieben: „Das jüngste Gericht“ im städtischen Museum zu Köln, aus der Pfarrkirche zu St. Laurenz stammend. Die ursprünglich damit verbunden gewesenen Flügelmalereien, innerlich die Martyrien der 12 Apostel, äußerlich sechs stehende Heilige, befinden sich jetzt die ersteren im Städel’schen Kunstinstitut zu Frankfurt a. M., die letzteren in der königl. Pinakothek zu München. „Die Darbringung im Tempel“, im großherzogl. Museum zu Darmstadt, ursprünglich in der Kirche der deutschen Ordensritter zur hl. Katharina in Köln; das Bild trägt die Jahresangabe 1447. Zwei Bilder mit je drei Heiligen zwischen zierlichem architektonischen Schnitzwerk, im städtischen Museum zu Köln; sie sollen zu dem Darmstädter Bilde gehört haben, was jedoch unsicher ist. „Die hl. Ursula“, fast lebensgroß, vier ihrer Jungfrauen unter dem Mantel bergend, eine Gestalt voll Würde und Lieblichkeit, ebenfalls im Kölner Museum. Das Bild ist unverantwortlich schlecht restaurirt worden. Daselbst auch zwei Tafeln: „Die Geißelung“ und „Die Grablegung Christi“, welche als Bruchtheile eines Passionscyklus anzusehen sind, der, gleichwie zwei Tafeln in der Pinakothek zu München mit je vier Heiligengestalten: sechs Apostel und die Ordensstifter St. Bernard und St. Benedict, zu dem großen Altarwerke gehörten, welches einst die Abteikirche zu Heisterbach schmückte. „Die Krönung der Maria“, in der Moritzkapelle zu Nürnberg. „Christus am Kreuze zwischen sechs Heiligen“, welches Bild Dr. Ernst Förster in München besaß. Noch manches andere ließe sich nennen, worüber jedoch die Ansichten der Kunstschriftsteller sehr widersprechend lauten, wie denn auch schon hinsichtlich der vorhin genannten Bilder und ihrer chronologischen [72] Gliederung mancherlei Meinungsverschiedenheiten ausgesprochen sind, namentlich bei der Frage, was dem Meister eigenhändig und was nur seiner Schule zuzuschreiben sei. Auch auf dem Gebiete der Miniaturmalerei wird Meister L. thätig gewesen sein. Die öffentliche Bibliothek zu Darmstadt bewahrt ein Gebetbuch in niederdeutscher Sprache mit zahlreichen Miniaturen, biblische und legendarische Vorstellungen, welche unverkennbar auf den Dombildmaler hinweisen. Am Schlusse befindet sich die Jahresangabe: Anno salutis nr. MCCCCLIII, welche zwar mit anderer Tinte beigefügt worden ist, immerhin aber die ungefähre Entstehungszeit anzeigt, da der ewige Kalender und die Ostertafel in dem Buche mit 1451 beginnen. Die Malerarbeit wird noch etwas früher unternommen worden sein. Von vorzüglicher Schönheit ist eine Miniatur auf Seide, welche acht weibliche Heilige darstellt, in der Sammlung des Dr. med. Dormagen zu Köln. Eine Kreuzigung Christi und der beiden Schächer mit drei knienden Donatoren, auf ein feines Gewebe gemalt und (wahrscheinlich späterhin) auf Holz gezogen, in der Merlo’schen Sammlung, erreicht das Dormagen’sche Bild zwar nicht, wie dies schon der Gegenstand mit sich bringt; die Frauenköpfchen, Maria und Magdalena, lassen jedoch die dem Meister L. eigenthümliche Lieblichkeit nicht vermissen.

Urkunden im Stadtarchiv zu Köln. Merlo, Nachrichten von Kölnischen Künstlern. Derselbe, Die Meister der altkölnischen Malerschule. Ennen, in den Annalen des histor. Vereins für den Niederrhein, Heft XI u. XII, wo die Berichtigung des Namens Loethener in Lochner nachgewiesen ist.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Über diese Person existiert in Band 36 ein weiterer Artikel.