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ADB:Ludecus, Caroline

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Artikel „Ludecus, Caroline“ von Franz Muncker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 367–369, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludecus,_Caroline&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 04:57 Uhr UTC)
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Ludecus: Johanne Caroline Amalie L., eine Tochter des braunschweigischen Majors Kotzebue, wurde am 16. November 1757 zu Wolfenbüttel geboren. Sie kam mit ihrem Vater im Gefolge der Herzogin Anna Amalia nach Weimar, wurde Kammerfräulein der Herzogin und verheirathete sich 1793 mit dem herzoglich sächsischen Steuer- und Acciserath, später Hofrath und Schatullier der Herzogin Mutter, Johann August Ludecus (durch den Reichsverweser Karl Theodor am 6. Juli 1792 geadelt) – nicht, wie gewöhnlich berichtet wird, mit dessen Neffen, dem Hofrath und Oberkammerkassirer Johann Christian Ludwig L. (1770–1827), dem Schatullier des Großherzogs. Ihr Todesjahr ist unbekannt. Die Angabe 1827 beruht vermuthlich auf einem Irrthum. Jedenfalls starb sie nach ihrem Mann, wahrscheinlich im Anfang der 20er Jahre unseres Jahrhunderts. Als Schriftstellerin trat sie erst in reiferem Alter hervor. Anonym gab sie 1801 zu Leipzig in zwei Theilen heraus: „Luise oder die unseligen Folgen des Leichtsinns. Eine Geschichte, einfach und wahr. Mit einer Vorrede von A. v. Kotzebue.“ Der Roman, „der guten Frau v. La Roche gewidmet von einer guten weiblichen Seele“, unter dem Einfluß der Erzählungen Kotzebue’s und Lafontaine’s entstanden, war moralisch gut gemeint, als Dichtung aber werthlos. Künstlerische Composition, regelrechter Aufbau der Handlung, organische Verbindung der einzelnen Abschnitte, wechselvolle Anlage der Situationen und Charaktere, fehlt. Aehnliche Motive wiederholen sich beständig. Die durch ihr ewiges Einerlei ermüdende Entwicklung wird hauptsächlich durch äußere Zufälle bestimmt und abgeschlossen. Die Charaktere sind meist schablonenhaft gezeichnet, die männlichen noch weniger naturgetreu und individuell gehalten als die weiblichen. Inhalt und Form trägt ein frauenzimmerliches Gepräge. Die Darstellung ist maßlos breit, die Sprache ziemlich leicht und fließend, aber ohne eigentliche Anmuth, nüchtern und unbedeutend. Gefälliger, wenn auch nie bedeutend und in keinem Sinn tiefer ergreifend, wurde die Darstellung in den späteren Romanen und Novellen, welche Frau L. vornehmlich unter dem Namen Amalia Berg herausgab. Die Composition derselben gelang etwas einheitlicher als bei dem Erstlingsversuch; die Verfasserin hütete sich etwas besser vor der Wiederholung der gleichen Motive innerhalb des Rahmens einer einzigen Geschichte. Sonst aber blieb der Grundcharakter ihrer Erzählungen derselbe. Die nämlichen Gestalten kehrten, nur unter anderem Namen, immer wieder und erfuhren auch so ziemlich wieder die nämlichen Schicksale. Auch die sittliche Tendenz blieb stets die gleiche. Frau L. suchte die kleinen Schwächen der menschlichen, besonders der weiblichen Natur aufzudecken und in ihren verderblichen Folgen darzulegen. Schließlich aber führte sie gern alles zu einem heiter versöhnenden Ende. So steuerte sie seit 1801 mehrere kürzere Erzählungen zu W. [368] G. Becker’s „Erholungen“ bei, ferner zu den „Erheiterungen“ (Erfurt 1816), zu der „Frauenzeitung“ etc. Selbständig ließ sie erscheinen 1806 „Sophie von Normann“ und „Johanne Gray, Trauerspiel in fünf Aufzügen“, 1812 „Eleonore, ein Familiengemälde“, 1815 „Ueber weibliche Erziehung und Bildung, an deutsche Frauen von einer deutschen Frau“, 1816 „Caroline, Gräfin von Thorenberg, oder die Erbin des stillen Thales, und der Jokey; zwei Erzählungen“, 1819 „Dienstbotenkatechismus für die Schulen des Frauenvereins“. –

Ihre Stieftochter, aus der ersten Ehe ihres Mannes mit Friederike geb. Kirms entsprossen, war Amalie Henriette Caroline L., geb. am 21. September 1780 zu Weimar. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter (1789) wurde Amalie bei ihrer Großmutter, der verwittweten Räthin Kirms, erzogen. Von empfänglichem Geist und Gemüth, bald mit der französischen, englischen, italienischen, später auch mit der spanischen Sprache vollständig vertraut, trug sie aus dem persönlichen Verkehr mit Herder, Goethe und anderen Geistesheroen des damaligen Weimar bedeutende Anregung und bleibenden Gewinn davon. Besonderen Einfluß auf ihre Bildung gewann jedoch Böttiger. Am 24. August 1798 verheirathete sie sich mit dem geheimen Regierungsrath v. Voigt, dem einzigen Sohn des weimarischen Staatsministers v. Voigt. Das Glück dieser – kinderlosen – Ehe trübte sich bald; 1809 wurde dieselbe nach freiwilligem Uebereinkommen der beiden Gatten getrennt. Den Weimarer Kreisen, in denen ihr in Folge dieses Schrittes der Verkehr peinlich wurde, entzog sich Amalie durch einen zeitweiligen Aufenthalt in Dresden. Bald aber kehrte sie wieder in die Heimath zurück, wo sie – kürzere Sommerreisen abgerechnet – den Rest ihres Lebens verbrachte. Sie starb am 4. October 1840. Auf den Rath der Freunde beschloß sie nach dem Beispiel ihrer Stiefmutter, die gerade in jenen ernstesten Zeiten ihres häuslichen Lebens ihr treu zur Seite stand, sich gleichfalls schriftstellerisch zu beschäftigen. Im Juni 1810 erschien in Bertuch’s „Journal des Luxus und der Moden“ ihr erster Aufsatz „Ueber Stickerei und ihre Grenzen“ unter dem Pseudonym Amalie. Zahlreiche weitere Beiträge, bald ganz anonym, bald mit A. V., oft mit Cäcilia unterzeichnet, folgten in derselben und in mehreren anderen Zeitschriften und Almanachen, namentlich seit 1812 eine Reihe von historischen Artikeln im „Rheinischen Taschenbuch“, welche das Leben von meist frommen und trefflichen Fürsten und Fürstinnen, vorzugsweise französischen Königinnen, etwas schönfärbend für jugendliche Leserinnen schilderten. In späteren Jahren lag Amalie vornehmlich dem Recensentenhandwerk ob. Ohne ihren Namen gab sie mehrere Uebersetzungen aus dem Französischen und Englischen heraus. 1816 veröffentlichte sie „Erzählungen und Novellen von Cäcilie“. Außer Uebersetzungen aus Francesco Sacchetti, Francesco Grazzini und verschiedenen älteren italienischen Novellisten enthielt die Sammlung eine nach Anlage, Motivirung, Charakteristik und Darstellung kindlich einfache und unbedeutende Geschichte aus Amaliens eigner Feder, „Clementine“, eine schwache Nachahmung der Romane ihrer Stiefmutter. 1822 gab sie noch ein „Wörterbuch der Blumensprache für Verzierungsmaler und Stickerinnen“ heraus. –

Ein Großneffe der älteren (Caroline) L. war Eduard L. (geb. 1807 in Weimar, † 1879). Er wanderte 1833 nach Nordamerika aus, wo er in verschiedenen Districten der Vereinigten Staaten bald als Farmer, bald als Kaufmann lebte. 1834 begleitete er eine großartig geplante, aber schmählich verunglückte Expedition nach dem damals noch wenig colonisirten Mexico und verfaßte darüber eine Schrift „Reise durch die mexicanischen Provinzen Tumalipas, Cohahuila und Texas im Jahre 1834, in Briefen an seine Freunde“, welche sein Vater, der Landesdirectionsrath L. in Weimar, 1837 zu Leipzig [369] herausgab. Das interessante und aufschlußreiche Buch erregte auch außerhalb Deutschlands Aufsehen und wurde sogar in das Englische übersetzt.

Die deutschen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts. Von Karl Wilhelm Otto August v. Schindel. (Leipzig 1823–25.) I. 43, 88, 359; II. 389 f.; III. 16, 212 ff., 242. – Neuer Nekrolog der Deutschen. 18. Jahrg., 1840. (Weimar 1842.) II. 994 ff. – Franz Brümmer, Deutsches Dichterlexikon. (Eichstädt und Stuttgart 1876.) I. 589; II. 456. – Goedeke, Grundriß. III. 147, 697. – Mittheilungen aus den Familienpapieren durch die Güte des Herrn Ludecus, sächs. weimar. geheimen Hofraths a. D. in Dresden.