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ADB:Möller, Heinrich Ferdinand

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Artikel „Möller, Heinrich Ferdinand“ von Erich Schmidt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 141–143, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%B6ller,_Heinrich_Ferdinand&oldid=- (Version vom 7. November 2024, 05:44 Uhr UTC)
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Möller: Heinrich Ferdinand M., Schauspieler und Dramatiker, wurde zu Olbersdorf in Schlesien 1745 geboren, widmete sich 1760 dem Theater, spielte in Prag (Teuber Bd. II), gehörte seit Mitte der siebziger Jahre der Seyler’schen Truppe an, wirkte im folgenden Jahrzehnt als Regisseur des markgräflichen Theaters zu Schwedt und starb auf einer Reise zu Fehrbellin am 27. Februar 1798. Als Mime wenig hervortretend, brachte er es als Repertoiredichter, indem er allen platten Liebhabereien des großen Haufens fröhnte, zu geräuschvollen Erfolgen. Er begann 1775 mit einem Lustspiel, dem im nächsten Jahr ein bürgerliches Trauerspiel folgte. Letzteres überbot er sogleich durch die Tragikomödie „Der Graf von Walltron oder die Subordination“, 1776, das eine Reihe von Auflagen und Nachdrucken erlebte, von Eberts ins Französische übersetzt („Le comte de Waltron ou la subordination“, Paris 1781) und noch von Mad. Birchpfeiffer erneuert wurde. Letzterer Umstand zeugt allein für die sinnfällige Theatermache. Ein wirklicher Vorfall, hier – wieder echt theaterfabriksmäßig – gegen die Zeitungsberichte mit glücklichem Ausgang gekrönt, liegt zu Grunde. Capitän Graf Walltron, ein ruhmgekrönter edler Hitzkopf, hat gegen seinen Oberst und Schwager den Degen gezückt und soll erschossen werden. Seine Frau führt [142] einige Wahnsinnsscenen auf. Soldaten- und Lagerleben; alle von Tapferkeit, Ehre, Großmuth überströmend und darin wetteifernd; viel moralisches Gerede, Monologe, Verlesung eines mit Wohlthaten gestopften Testamentes, Verhör und Standrecht mit allem Detail, wohlfeile Spannungen; im letzten Moment kommt der Pardon und ein dankbarer Prinz, den Walltron kürzlich gerettet, überschüttet ihn mit Auszeichnungen. Dies von Schiller „elend“ gescholtene, hohle und phrasenhafte, aber geschickt aufgestutzte Soldatenstück feierte überall Triumphe, stach in Berlin die „Minna von Barnhelm“ aus (14. Januar 1777), gefiel in Wien und Prag (schon im Januar 1776) sehr, machte in Leipzig wie in Lübeck volle Kassen und trug in Frankfurt dem Autor den Hervorruf ein, was in Deutschland noch keinem Dichter, in Frankreich nur Voltaire widerfahren war. Auch die nächsten Dramen wurden Zugstücke. 1777 das dreiactige Schauspiel „Sophie, oder der gerechte Fürst“, auf einer Wiener Begebenheit fußend (vgl. Thalia III, Heft 9, S. 41 ff.). Empfindsame oder krasse Vorführung des Kerkerlebens; Befreiung eines unglücklichen Opfers durch den Fürsten, mit dem Joseph II. gemeint ist; billige Verschwendung banaler Regierungsmaximen und eine Fülle platter Humanität vom Herrscher und General zum Kerkervogt, Prügelknecht und Tischler herab; Kotzebue’sche Sittlichkeit, Bestrafung und Demüthigung des Lasters und des Leichtsinns, ausgesponnene Kinderscenen. Die edle Sophie, unschuldig in Bigamie verstrickt, geht endlich ins Kloster. Im Gefängniß erscheint ein Räuber Mutowsky, der sich als frecher Kraftflegel benimmt, die Wachen Hunde schimpft und prügelt, Branntwein säuft und nur darin mit Karl Moor vergleichbar ist, daß er nach Möller’s Absicht ein Exempel verirrter Energie, die auch im Räuberthum Unterdrückten beistand und Menschenschinder strafte, darstellt. „Die Zigeuner“, 1777 (schon im Gothaer Taschenbuch auf 1776 als ungedrucktes „Lustspiel mit Tänzen“ erwähnt), ein fünfactiges Lustspiel mit Gesang, hat zur Quelle dieselbe Erzählung des Cervantes, aus welcher Wolff’s „Preciosa“ stammt, und wirthschaftet ohne innerliche Motive mit Liedern, Schenkenscenen, zigeunerischer Gerichtsbarkeit, satirischem Wahrsagen und andern unnützen Episoden. Die Erkennungen machen den Schlußeffect, worauf sich Wallburga prophezeihend an das Parterre wendet und ein Ballet getanzt wird. 1778 „Angela oder der Sieg der Unschuld, ein rührendes Lustspiel in fünf Aufzügen“. Die Widmungsvorrede dieses Kölner Druckes sagt nichts von einer früheren Fassung; ist Goedeke’s (resp. Kayser’s) „Luise oder der Sieg der Unschuld, Schauspiel, Prag 1775“ correct? Die Liebe eines jungen Grafen zu einer armen adeligen Waise von engelhaftem Gemüth besiegt die scheußlichen Ränke der niederträchtigen Tante Angelas und einer hohen Familie. Brave Domestiken, ein ausgezeichneter älterer Freund, der Fürst greift belohnend und bestrafend ein. Caricatur oder Schönfärberei. Als Beispiel eines Möller’schen Abgangs diene der Schluß des vierten Actes: „Drei Dinge sind mir immer heilig gewesen, meine Religion, mein Gewissen und mein Vaterland. Du rufst mir zu, die leidende Unschuld zu schützen (auf die Brust deutend), Du sollst mein Beistand (auf den Degen weisend) und Du (gen Himmel sehend) mein Führer sein.“ Das Trauerspiel „Emanuel und Elmire“ 1778 wird in den Frankfurter gelehrten Anzeigen 1778, S. 350 f. als sinnloses Plagiat aus dem Roman „Isabella von Miranda“ verurtheilt, die mit Gift und Dolch, Raserei und Leichengepränge arbeitende Tragödie desselben Jahres „Heinrich und Henriette“ ebenda S. 829 „unter der Kritik“ genannt. Ein tragischer Fünfacter „Ernst und Gabriele“ blieb ungedruckt. „Wikinson und Wandrop, ein Schauspiel in fünf Aufzügen“, 1779, mit Klinger’schen Sprachpröbchen, führt nach kraß unwahrscheinlichen Voraussetzungen die Wiedervereinigung versprengter Familien vor, leistet in Contrasten von Bankerott und Rettung, Einkerkerung und Erhebung, Gefahr und Sieg, in Erkennungen und Retardationen, Domestikenbiedersinn [143] und Heroismus der Liebe das menschenmöglichste und fordert durch einen Nabob, der außer einem Trupp befreiter Sclaven auch die Gouverneurstochter und ihr schwarzes (!) Bübchen mitbringt, die Parodie heraus. M. hat von Vorgängern und Zeitgenossen nur Aeußerlichkeiten gelernt, die auf der Hand liegen. Ihn mit gleichzeitigen Schauspielerpoeten wie Großmann und mit späteren Repertoiredichtern wie Iffland und Kotzebue zu vergleichen ist nicht uninteressant. Gemeine Mache hat er reichlich. Ueber lustige Satiren gegen ihn (von Cranz?), Möller’s schwächliche Antwort und den 1777 gegen den Pasquillanten eröffneten Proceß vgl. meinen „Heinrich Leopold Wagner“² S. 149 und „Archiv für Litteraturgeschichte“ 9, 189 ff. – Das nach langer Pause erschienene Schauspiel „Wladislaus II.“, Leipzig 1791, kenne ich nur aus der Ausführung bei Goedeke, der S. 919 eine Abhängigkeit Schiller’s von der „Sophie“ und gar den „Zigeunern“ nicht hätte behaupten sollen (vgl. schon M. Bernays, Kölnische Zeitung 1865). – Für Möller’s Leben standen keine näheren Data zu Gebote.