ADB:Müller, Johann (Physiker)
Umpfenbach, Münchow, Plücker, Buff, Liebig und Bischof. 1834 wurde er Lehrer am Darmstädter Gymnasium, 1837 an der Realschule zu Gießen. 1844 ward er an des zurückgetretenen Wucherer Stelle Professor der Physik zu Freiburg. Seine selbständigen Forschungen beziehen sich hauptsächlich auf die Lehre des Lichts, des Galvanismus und des Magnetismus; die Resultate sind meistentheils in Poggendorff’s Annalen niedergelegt. Seine meiste Zeit verwandte er aber auf die Publication von Lehrbüchern der Mathematik und namentlich der Physik, unter denen das unter dem Namen Pouillet-Müller bekannte Werk das wichtigste ist. Der Braunschweiger Buchhändler Ed. Vieweg, von Liebig auf Müller hingewiesen, übertrug diesem nämlich um 1842 die Bearbeitung des französischen Lehrbuches der Physik von Pouillet für Deutschland. Der Verfasser des unten erwähnten Nekrologes, dem diese Lebenskizze überhaupt entnommen ist, sagt: „Im Vergleich zu den damaligen theils recht guten Lehrbüchern der Physik, z. B. von E. G. Fischer, Eisenlohr, Baumgartner, zeichneten sich die damaligen französischen Lehrbücher durch eine reichere Ausstattung aus, hauptsächlich was die Abbildung von Apparaten betraf, wozu die schönen Pariser physikalischen Cabinete ein sehr passendes Material liefern konnten. Schon in der ersten Auflage (1842 bis 1844) war die Behandlung des Stoffes in manchen Theilen eine selbständige; bei den späteren Auflagen, die sich so schnell folgten daß die Bearbeitung der achten durch den Tod des Verfassers unterbrochen wurde, traten die Spuren französischer Abkunft immer mehr zurück. Abgesehen von den ebenfalls in vielen Auflagen erschienenen Lehrbüchern der Physik von Eisenlohr und Baumgartner hat wohl kein deutsches Lehrbuch eine solche Verbreitung gefunden wie das von Pouillet-Müller; es lohnt sich deßhalb wohl auf die Vorzüge desselben noch etwas näher einzugehen. M. wollte nicht für die schreiben, welche die wissenschaftliche Physik zu ihrem Hauptstudium machen, und die im Grunde nur durch das Studium der classischen Specialarbeiten ihre Ausbildung erhalten können; sein Zweck war solche die nicht Zeit haben an den ursprünglichen Quellen zu schöpfen, die aber doch ernstlich die Natur selbst studieren und die wichtigsten Forschungsmethoden erkennen möchten, in die physikalische Wissenschaft einzuführen. Die Bearbeitung des Lehrbuches war für M. eine eigentliche Herzenssache; er las keine Abhandlung, er besuchte keine auswärtige physikalische Anstalt, ohne gleich daran zu denken, wie er das Gelesene und Gesehene für sein Lehrbuch bearbeiten könne. Er wußte sich auch beim Schreiben in den Gedankengang des Lesers hineinzuversetzen, und wenn vielleicht manche, die mehr den streng wissenschaftlichen Styl gewohnt sind, das Müller’sche Buch breit und umständlich finden mögen, so werden in dieser concreten Deutlichkeit gerade diejenigen einen Vortheil finden, welche aus der Erfahrung wissen, wie häufig ein abstract gehaltener physikalischer Unterricht nur als etwas äußerlich angelerntes den Schülern anklebt. Was M. in seinem Buche gibt, sind nicht zusammengeschriebene Excerpte, er hat alles zuerst in sich und für sich gewissenhaft durchgearbeitet und aus sich selbst wieder producirt; er wußte deßhalb auch, wo die Schwierigkeiten in dem Verständniß oder in der Anstellung eines Versuches lagen, und war deßhalb auch so sehr geeignet dem Leser ein guter Wegweiser für die Ueberwindung [634] der Schwierigkeiten zu sein. Besondere Erwähnung verdienen noch die mannichfachen Abbildungen, welche theils als Holzschnitte, theils als Tafeln, man darf wohl sagen, dem Buch zur Zierde gereichen. Es sind dieselben zum größten Theil von Müller selbst gezeichnet und bis ins Einzelne durchstudiert, und da wo ihm nicht die Apparate selbst, sondern nur von andern gelieferte Zeichnungen vorlagen, war er nicht befriedigt, bis er über jeden einzelnen, auch noch so unbedeutenden, Theil des Apparats vollkommen im klaren war. Es ist dies auch der Grund, weßhalb die Verfertiger physikalischer Apparate so häufig an die Müller’schen Abbildungen sich halten. Die älteren Werke mathematisch-physikalischen Inhalts aus der Zeit von Galilei, Cartesius, Huyghens und Newton waren zwar auch schon mit anschaulichen in den Text gedruckten Holzschnitten versehen, aber dieselben waren in der Ausführung noch etwas plump, und nahmen, da mit den Holzstöcken selbst gedruckt wurde, bei wiederholtem Abziehen an Schärfe ab; seit dieser Zeit hatten die französischen und die deutschen Lehrbücher der Physik meistens gestochene oder lithographirte Tafeln, und nur in England wurden die Holzschnitte hauptsächlich zu mehr schematischen Zeichnungen weiter verwendet. Die Wiedereinführung der für den Leser so bequemen Holzschnitte, und zwar in einer künstlerisch und technisch vervollkommneten Form, für Deutschland, ist wesentlich das Verdienst Müllers und der Firma Vieweg, die in dieser Hinsicht eigentlich bahnbrechend vorangegangen ist.
Müller: Johann Heinrich Jakob M., Physiker und Mathematiker; geb. zu Kassel 1809 als Sohn des damaligen dortigen Hofmalers, nachmaligen Darmstädter Galleriedirectors M.; † am 3. Oct. 1875 als Hofrath und Prof. der Physik zu Freiburg in Baden. Von 1829 bis 1834 studierte er Naturwissenschaften zu Bonn und Gießen, gefördert namentlich durchEin dem Entwicklungsgange der physikalischen Wissenschaft entsprechender deutlicher Fortschritt ist beim Vergleich der verschiedenen Auflagen darin zu erkennen, daß nach und nach viel mehr Einheit in die theoretische Auffassung der Naturerscheinungen kam. In der ersten Auflage ist zwar die Lehre des Lichtes nach der mechanischen Wellentheorie abgehandelt, während in der Lehre der Wärme nach der stofflichen Theorie das imponderable Caloricum zur Erklärung herhalten muß. Die Ungereimtheit wird zwar, besonders im Capitel der strahlenden Wärme, sehr merklich, allein die Beseitigung derselben wird noch nicht einmal versucht. Bei den späteren Auflagen treten die mechanischen Theorien immer mehr in den Vordergrund, bis zuletzt der Verfasser sich principiell auf den Boden der mechanischen Theorien stellt, und nur bei dem Magnetismus und der Elektricität die imponderablen Fluida als ziemlich unwahrscheinlich gewordene Hypothesen noch zuläßt, weil sich ohne dieselben eine klare Uebersicht der Erscheinungen nicht wohl geben lasse.“ Außer diesem „Lehrbuch der Physik und Meteorologie“ veröffentlichte M. noch einen „Grundriß der Physik“ in einem Band (12. Auflage 1875) und in noch mehr gekürzter Gestalt eine „Schule der Physik“, fügte auch zum Grundriß einen mathematischen Supplementband. Endlich aber entschloß er sich auch zur Abfassung eines selbständigen „Lehrbuches der kosmischen Physik“ (1856, 4. Auflage 1875), in welchem die populäre Astronomie und die physikalische Geographie zu einem systematischen Ganzen vereinigt sind. Mit bewundernswürdiger Sorgfalt ist das Material zusammengestellt und zu einem lebenswarmen Bilde gestaltet. Die Ausstattung ist auch hier eine sehr gelungene; dem Buch ist außer den Holzschnitten im Text ein eigener Atlas mit Karten u. s. w. beigegeben. – Von anderen physikalischen Schriften Müller’s seien noch seine „Grundzüge der Krystallographie“ und eine mit eigenen Beigaben vermehrte neue Ausgabe der Euler’schen Briefe über physikalische und philosophische Gegenstände erwähnt. Von den „Berichten über die neuesten Fortschritte der Physik“ erschien nur ein Band (1849).
- Nekrol. in der (Augsb.) Allg. Zeit. 1875. Beil. 302.