ADB:Magnus Billung
Adalbert, geerbt, der bemüht war, alle Grafschaften innerhalb seines Sprengels in seine Hand zu bringen und in diesem Bestreben an dem Kaiser Heinrich III. eine kräftige Stütze fand. Die Billinger sahen den Erzbischof nicht als geistlichen Oberhirten, sondern als [70] Spion und Aufpasser an, den ihnen der Kaiser in das Land gesetzt habe. Seitdem Adalbert den Grafen Thietmar, den Oheim Ordulf’s, eines gegen den Kaiser geschmiedeten Mordplanes beschuldigt und so die Veranlassung zu dessen im Gottesgerichte zu Pöhlde erfolgten Tode (3. October 1048) gegeben hatte, kam zu jenen politischen Zwistigkeiten noch ein grimmiger persönlicher Haß, mit dem die Billinger den Bremer Erzbischof verfolgten. In diesen Gesinnungen ist M. aufgewachsen: die erste Kunde, die wir von ihm haben, zeigt ihn uns noch zu Lebzeiten seines Vaters, der wegen der von ihm gegen die Bremer Kirche geübten Vergewaltigung mit dem Banne belegt worden war, als rücksichtslosen und unbarmherzigen Bedränger dieser nämlichen Kirche und ihres Oberhauptes. Als im J. 1066 Erzbischof Adalbert gezwungen wurde von der leitenden Stellung, die er eine Zeit lang als Erzieher und Berather des jungen Königs Heinrich IV. eingenommen hatte, zurückzutreten, schien den Billingern die Zeit gekommen, an ihm, dem verhaßten und gefürchteten Gegner, ihre Rache zu nehmen. Niemand aber erwies sich so eifrig in der Bekämpfung des von seiner bisherigen Höhe herabgestürzten Erzbischofs wie der junge Magnus. Damals war es, daß, während Herzog Ordulf und dessen Bruder Hermann die Güter der Bremer Kirche ringsum grausam verwüsteten, M. mit seinen Mannen sich vor der Hauptstadt des Landes lagerte, um diese und mit ihr den darin sich aufhaltenden Erzbischof in seine Gewalt zu bringen. Er hatte dem Letzteren Tod oder Verstümmelung geschworen und würde, wenn Adalbert in seine Hände gefallen wäre, diese Drohung ausgeführt haben. Allein es gelang dem Erzbischofe in heimlicher Flucht aus Bremen zu entkommen und auf einem seiner Güter im Hildesheimschen, zu Lochtum, wo er sich wie ein Geächteter verborgen hielt, Schutz zu finden. Seine Hofburg in Bremen, sein ganzer Hausrath ward eine Beute der Billinger, die hier wie in einer eroberten Stadt hausten. Nach einem halben Jahre mußte Adalbert mit beispiellosen Opfern von ihnen die Rückkehr in sein Erzstift erkaufen. Ein ganzes Dritttheil des gesammten Kirchengutes, mehr als tausend Hufen Landes, mußte er gegen ziemlich zweifelhafte Versprechungen an M. abtreten. Seit dieser Zeit datirt die enge Freundschaft des letzteren mit Otto von Nordheim, dem Führer der sächsischen Opposition gegen den jungen König, der im J. 1067 Adalbert an seinen Hof zurückrief und die Führung der Reichsgeschäfte von neuem in dessen Hand legte. Als Otto im J. 1070 in Folge der gegen ihn laut gewordenen Anklage, er habe den König ermorden lassen wollen, geächtet und seiner Güter für verlustig erklärt wurde, ward auch M. in seinen Sturz mit verwickelt. Bei ihm fand der seines Herzogthums Baiern entsetzte Nordheimer, nachdem seine festen Burgen an der Werra und Diemel gefallen waren, während des Winters Aufnahme und Schutz; mit ihm zusammen mußte er sich Pfingsten 1071 zu Halberstadt in Gegenwart Adalberts dem Könige auf Gnade und Ungnade unterwerfen. Aber während Otto schon im folgenden Jahre seine Freiheit zurückerlangte, blieb M., den die Sachsen nach dem gerade damals (28. März 1071) erfolgten Tode seines Vaters als ihren rechtmäßigen Herzog betrachteten, nach wie vor in strenger Haft. Ja der König bemächtigte sich zu der nämlichen Zeit durch Ueberfall Lüneburgs, der Hauptfeste der Billinger. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Vorgänge mit dazu beigetragen haben, den von Otto von Nordheim geleiteten großen Aufstand gegen den König hervorzurufen, der diesem so verhängnißvoll werden sollte. Ja man kann sagen, daß die Befreiung des Billingers aus seiner Haft und dessen Einsetzung in das Erbe seiner Ahnen der Hauptzweck der sächsischen Empörung war. Die sächsischen Fürsten, vor Allem Otto von Nordheim, empfanden es als eine dem ganzen Stamme angethane Beleidigung, daß Heinrich als Preis der Freilassung des gefangenen M. die Verzichtleistung desselben auf das Herzogthum Sachsen verlangte. Sie griffen [71] zu den Waffen und erzwangen durch die Belagerung der Harzburg und die Zurückeroberung Lüneburgs die Befreiung ihres Herzogs. Den Befehl zu der letzteren erließ Heinrich, um das Leben seiner schwäbischen Ritter, die bei dem Falle Lüneburgs in die Gewalt der Sachsen gerathen waren, zu retten, am 15. August 1073 in Hersfeld, wohin er sich nach seiner Flucht von der belagerten Harzburg gewandt hatte. M. kehrte jetzt in die Heimath zurück und wurde von dieser Zeit an einer der thätigsten und entschiedensten Gegner des Königs in Sachsen. Als solcher focht er mit in der für die Sachsen unglücklichen Schlacht bei Hohenburg an der Unstrut (8. Juni 1075) und mußte sich dann am 4. October des genannten Jahres mit den übrigen Häuptern des Aufstandes bei Hohen-Ebra dem Könige ergeben. Heinrich vertheilte die gefangenen Fürsten an verschiedene Orte des Reiches, sah sich dann aber nach seiner Buße zu Canossa und in Folge der Wahl Rudolfs von Schwaben zum Gegenkönig veranlaßt, diejenigen von ihnen, welche nicht schon früher der Haft entflohen waren, wieder auf freien Fuß zu setzen. Unter den letzteren war auch M., nachdem er eidlich hatte geloben müssen, seinen Einfluß bei seinen Landsleuten, die inzwischen in Folge der Einmischung Gregors VII. in die deutschen Wirren von Neuem die Fahne des Aufruhrs erhoben hatten, dahin geltend machen zu wollen, daß sie die Waffen niederlegten. Aber er hielt sein Versprechen nicht und trat abermals auf die Seite der Rebellen, in deren Reihen er in der Schlacht bei Melrichstadt an der Streu (7. August 1078) tapfer, aber nicht glücklich stritt. Auf der Flucht, in die er mit dem ganzen von dem Gegenkönig befehligten Flügel fortgerissen wurde, ward er, während sein Oheim Hermann in Gefangenschaft fiel, von Thüringer Bauern ergriffen, völlig ausgeplündert und rettete mit Mühe und Noth sein Leben. Es scheint, daß dieser Mißerfolg den Billingern die weitere Theilnahme an den Kämpfen gegen Heinrich IV. verleidet hat. Sie neigten sich seit dieser Zeit zum Frieden und nahmen eine anfänglich neutrale, bald aber dem Könige günstige Stellung ein. An den späteren Wirren, welche namentlich der Ehrgeiz Ekbert’s von Braunschweig in Sachsen erregte und welche dieses Land noch lange nicht zur Ruhe kommen ließen, hat sich weder M. noch Hermann, so viel wir wissen, betheiligt. Wol aber wandte der erstere jetzt wieder seine Thätigkeit seinen lange vernachlässigten Stammlanden und den Wendenländern an der Ostsee zu, wo die großen Erfolge der christlichen Mission, die Erzbischof Adalbert errungen hatte, in Folge des Haders mit dem Billingischen Hause kläglich in die Brüche gegangen waren. Mit Erzbischof Liemar, dem Nachfolger Adalberts auf dem Bremer Stuhle, trat M. in ein friedliches Verhältniß. Auf welchen Grundlagen dieser Ausgleich früher, unüberwindlich scheinender Gegensätze erfolgte, wissen wir nicht, doch wird, abgesehen von Anderem, auch des neuen Erzbischofs milde, von derjenigen seines Vorgängers grundverschiedene Persönlichkeit ihn ermöglicht haben. Nun konnte M. auch wieder mit Aussicht auf Erfolg seine Waffen gegen die in das Heidenthum zurückgefallenen Wenden richten. Heinrich, der Sohn des Abodritenfürsten Gottschalk, erlangte damals die Herrschaft seines Vaters zurück. Er schloß sich aufs engste an M., seinen Verwandten, an, leistete ihm den Eid der Treue und zahlte wieder, wie ehedem sein Vater, den Sachsen Tribut. Als sich dann, hierdurch erbittert, die Wendenstämme im Osten und Süden gegen ihn erhoben, zog ihm M. an der Spitze eines stattlichen Heeres von Bardengauern, Holsten, Stormarn und Dithmarsen zu Hilfe. Auf der Ebene von Smilowe, im Lande der Polaber, kam es zur Schlacht, die mit einer vollständigen Niederlage der aufständischen Wenden endete. Vierzehn wendische Festen wurden dann von dem Sieger bezwungen und das ganze Land bis zur Oder dem Wendenfürsten Heinrich, dem Dienstmanne des Sachsenherzogs, unterworfen und von Neuem dem letzteren tributpflichtig gemacht. Die Zeit, wann dies geschah, steht [72] nicht fest, aber lange hat M. diesen Sieg, der die Einleitung zu der bleibenden Unterwerfung der Ostseewenden bildete, nicht überlebt. Er starb, ohne Söhne zu hinterlassen, am 23. August 1106. Von seinen beiden Töchtern hatte sich Wulfhild mit Herzog Heinrich dem Schwarzen von Baiern aus dem Hause der Welfen, Eilika dagegen mit dem Grafen Otto von Ballenstedt, dem Stammvater der Askanier, verheirathet. Im Herzogthume Sachsen folgte ihm Lothar von Supplingenburg, der spätere Kaiser.
Magnus, der letzte Herzog von Sachsen aus dem Billingischen Stamme, war der Sohn des Herzogs Ordulf und Ulfhildens, einer Tochter des Königs Olav des Heiligen von Norwegen. Seinen Namen erhielt er von seinem mütterlichen Oheime, der als Magnus der Gute unter den norwegischen Königen bekannt ist. Von seinem Vater und Großvater hatte er den Haß gegen die Bremer Kirche, vornehmlich gegen den hochstrebenden Erzbischof