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ADB:Mathias, Antonius

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Artikel „Mathias, Antonius“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 589–591, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mathias,_Antonius&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 02:43 Uhr UTC)
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Mathias: Antonius M., deutscher Buchdrucker in Italien im 15. Jahrhundert. Bekanntlich verdankten fast alle größeren Städte Italiens die Einführung der Buchdruckerkunst eingewanderten Deutschen. Aber auch manche kleineren Städte dieses Landes erhielten diese Kunst durch unsere Landsleute und zu diesen letzteren zählten auch die beiden sardinischen Städte Savigliano und Mondovi. In der ersteren nahm sich ein Edelmann, Christoph von Beggiamo, nachdem er die Bekanntschaft des deutschen Druckers, Johannes Glim, gemacht hatte, der neuen Erfindung an, errichtete auf seine Kosten in seiner Vaterstadt eine Officin und in der Technik der Druckkunst durch Glim unterrichtet, ließen beide gemeinschaftlich das Buch des Guido de Monte rocherii „Manipulus curatorum“ Folio, aus dieser Presse ausgehen. Der Druck trägt die Unterschrift: „Hoc Beyamus opus pressit Christoforus altum; | Immensis titulis estat origo sua. | Cui Glim consocius fuit arte Johannes: | Germanam gentem non negat esse suam“. Doch hatte diese Verbindung keinen langen Bestand, ohne Zweifel weil Glim, über dessen nähere Heimath und Lebensverhältnisse alle Nachrichten fehlen, um diese Zeit gestorben war. Beggiamo aber veröffentlichte für sich allein noch das Speculum vitae humanae des Rodericus episcopi Zamorensis. Allerdings zeigen beide Drucke weder Ort noch Jahr ihrer Entstehung an, aber es besteht kein Zweifel, daß sie aus den Pressen dieser Stadt hervorgegangen sind. Der Bibliograph Vernazza (vgl. unten), welcher die Incunabeln der piemontesischen Buchdruckerei einer besonderen und gewissenhaften Prüfung unterzogen hat, bezeugt, daß sie daselbst und zwar 1470 oder 1471 erschienen seien und diese Annahme [590] wurde auch durch alle Geschichtschreiber und Bibliographen, u. a. auch durch Tiraboschi und Brunet adoptirt. Aber schon im folgenden Jahre setzten Mathias und sein Genosse Balthasar Cordier die durch Beggiamo und Glim begonnene Arbeit fort, indem sie sich zu Mondovi, nicht sehr weit von Turin niederließen. Einige Bibliographen sind der Ansicht gewesen, M. habe seine Officin zu Montreal in Sicilien, nahe bei Palermo, errichtet, und noch andere, wie Lesser in seiner Typographia jubilans p. 84, bezogen das Wort „Monteregalis“, mit welchem die durch M. gedruckten Bücher bezeichnet sind, auf Königsberg in Preußen, aber man ist heute des übereinstimmenden Glaubens und auch Panzer schon verschloß sich dieser Erkenntniß nicht, daß M. zu Mondovi, welches lateinisch Mons Vici oder Mons regalis heißt, gearbeitet habe. M. war zu Antwerpen geboren, dies geht aus der Unterschrift seines Druckes „Anthonini de institutione confessorum“ unzweideutig hervor:

Quem genuit quondam germana Antuuerpia potens
Mathiae Antonius virtute insignis et arte
Baldasar et socius Corderius omnia supra
Utile opus cunctis finxerunt Antonianam.

Was seinen Geschäftsgenossen Cordier anbelangt, so ist es noch unentschieden, ob derselbe französischer oder flämischer (belgischer) Abkunft gewesen sei; vielleicht zählte er zu der Familie des Wilhelm Cordier, welcher (Bibliothèque dramatique de Soleinne I, 712; Bibliophile belge, I, 50; Brunet, Manuel IV, 617) zu Binche 1544 und 1545 als Drucker thätig war. Können aber über die Nationalität des M. Zweifel irgend einer Art nicht bestehen, so ist es doch sicher, daß er doch früher gemäß seiner Unterschrift in des Ovidii epistolae heroides, die er 1473 erscheinen ließ, vor seiner Ankunft in Italien nicht den Zunamen „Mathias“ sondern „Andreas“ geführt habe. Diese Unterschrift lautet: „Explicit liber Ovidii Epistolarum. In Monteregali … per Antonium Mathiae Quondam Andreae de Antuuerpia“. Nun besitzen wir allerdings keinerlei anderweitige Nachrichten über diesen Drucker und wir wissen nicht, aus welchen Gründen er sein Vaterland verlassen hat. Aber es dürfte zur Erklärung dieses Doppelnamens die Vermuthung wohl gestattet sein, daß er in seiner Heimath ein bescheidener Ordensgeistlicher war, der, nachdem er in seinem Kloster seinen Pflichten als Schreiber oder Rubricator obgelegen war, sich zum Buchdrucker heranbildete. Diese Hypothese gewinnt einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit, wenn man erwägt, daß in der Unterschrift des erwähnten Werkes, des ersten Buches, das seine Presse verließ, von M. geredet wird als von einem Manne eben so ausgezeichnet durch seine Tugendhaftigkeit als durch seine Kunst „virtute insignis et arte“ und während er in Italien den Familiennamen „Mathias“, den er in seinem Vaterlande trug, gegen den von „Andreas“ vertauschte, ist der Schluß erlaubt, daß er, eintretend in eine religiöse Genossenschaft, seinen wahren Namen aufgab, wie dies ja zu jeder Zeit in den Klöstern der Fall war und noch heute ist. Wie sich das nun aber verhalten möge, M. und sein Genosse ließen sich zu Mondovi zu Anfang des Jahres 1472 nieder und richteten daselbst ihre Werkstätte an einer Stelle der Stadt ein, welche zu Latein den Namen führte „in plano vallis“, denn in der Unterschrift ihrer Ausgabe der Satyren des Juvenal heißt es: In Monteregali, in plano vallis per Antoniū mathiae quōdam Andreae: de āntuuerpia. Et Baldisalē (sic) corderiūque sociū“. Im Laufe desselben Jahres noch ließen sie der Reihe nach ausgehen zwei Ausgaben, deren eine ohne Angabe des Ortes und Druckers, von dem Werke: „Anthonini archiepiscopi Florentini, ordinis predicatorum de institutione confessorum“, am Ende: „Finita ī mōte regali: ano dni M. CCCC. LXXII die XXIIII, mensis octobris“ Kl. 4. Diese Unterschrift ist begleitet [591] von acht lateinischen Hexametern, deren vier ersten ich bereits Erwähnung gethan habe. Die fast gleichzeitige Veröffentlichung zweier Ausgaben eines Buches, in der damaligen Buchdruckergeschichte ein seltener Fall, dürfte sich auf folgende Weise erklären lassen. In der ganzen Diöcese Acqui, wovon Mondovi zu jener Zeit einen Theil bildete, war allen Beichtvätern vorgeschrieben (Vernazza, Osservazioni p. 76). sich eines Exemplars entweder dieses Buches oder des Manipulus Curatorum des Guido de Monte rocherii zu bedienen, ein Gebot, später auch sanctionirt durch einen Synodalbeschluß vom 22. August 1499, promulgirt durch den Bischof von Acqui, Ludovico Bruno: „Sancimus, ut quisque rector vel sacerdos confessionem audiens, habere debeat Summam domnini archiepiscopi Florentini, vel aliam, vel Manipulum curatorum intra annum post publicationem huius nostrae constitutionis, et in illis studeat diligenter“. Diesem Umstande ohne Zweifel muß man die zahlreichen Drucke dieser beiden Werke zuschreiben, welche während der letzten dreißig Jahre des 15. Jahrhunderts ausgegangen sind und namentlich jener aus der Officin des Beggiamo und Mathias. Nach der Publication dieser beiden Ausgaben ließen der letztere und Corderius am 18. Februar 1473 in Quartform ausgehen: „Junii Juvenalis aquinatis satyra | rum liber primus incipit.“ Zugleich mit: „Incipit liber Ouidii epistolaR.“ Leider sind diese drei Bücher bis jetzt die einzigen Producte geblieben, welche aus dieser Presse bekannt geworden sind, aber sie zählen zu den größten Seltenheiten, sind in sehr schöner römischer Schrift gedruckt und zeichnen sich durch den reinen Schnitt und Guß ihrer Charaktere aus, Beweise einer sehr geübten und geschickten Hand.

Bar. Vernazza, Osservazioni tipografiche sopra libri impressi in Piemonte nel secolo XV. Bassano 1807 p. 85. Jos. Vernazza, Lezione sopra la stampa. Cagliari 1778. p. 25. Tiraboschi, Storia della letteratura ital. VI, 438, 439. Serna Santander, Dict. bibl. du XV. siècle I, 280, 447. II, 63. III, 78. Peignot, Dict. de Bibliologie II, 433. Cat. de Crevenna II, 219, 241. III, 162. Brunet, Manuel I, 124. II, 756. III, 443. IV, 617. Panzer, Ann. lat. II, 145–146. Hain, Repert. Nr. 1172, 1173, 9666.