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ADB:Miaskowski, August von

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Artikel „Miaskowski, August von“ von Karl Bücher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 372–374, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Miaskowski,_August_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 06:14 Uhr UTC)
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Miaskowski: August von M., Nationalökonom, insbesondere Agrarpolitiker, geboren am 26. Januar 1838 zu Pernau in Livland, † am 22. November 1899 zu Leipzig. Der Vater Karl v. M., der Postdirector und wirklicher Staatsrath war, entstammte einer polnischen Familie, die zwei Generationen früher nach Arensberg auf der Insel Oesel eingewandert war. August v. M. besuchte in Petersburg, wohin sein Vater versetzt worden war, die von der dortigen deutschen protestantischen Gemeinde unterhaltene Annenschule, widmete sich 1857–1862 in Dorpat und 1863/4 in Heidelberg juristischen Studien und wurde an letzterer Universität am 6. August 1864 zum Dr. jur. promovirt.

[373] In die Heimath zurückgekehrt, wurde er noch vor Ablegung der juristischen Magisterprüfung zum Vertreter der Städte Reval und Narwa in der zur Reform des gemeinrechtlichen Civil- und Criminalprocesses eingesetzten Centraljustizcommission bestellt. Im J. 1866 verheirathete er sich mit Ina v. Staden aus einer weitverzweigten baltischen Familie, ließ sich in Riga als Hofgerichtsadvocat nieder und wurde durch Vermittlung von A. v. Tideböhl zugleich Secretär in der Kanzlei des Generalgouverneurs der Ostseeprovinzen (1866 bis 1871). Von 1868 ab lehrte er auch am baltischen Polytechnikum Handels-, Wechsel- und Seerecht. Da ihm in der obersten Civilverwaltung die Bauernsachen anvertraut waren, so war er genöthigt, sich mit der Agrar- und Gemeindeverfassung näher zu beschäftigen, und dies wurde für seine spätere Laufbahn entscheidend. Nachdem er 1872 im statistischen Seminar Ernst Engel’s zu Berlin und später bei Bruno Hildebrand in Jena seine staatswissenschaftliche Ausbildung vervollständigt hatte, habilitirte er sich an letztgenannter Universität 1873 (Hab.-Schrift: „Die Gebundenheit des Bodens durch Familienfideikommisse“) und wurde 1874 als Professor der Nationalökonomie und Statistik an die Universität Basel berufen. Von dort ging er auf nur kurze Zeit nach Hohenheim, kehrte aber dann wieder nach Basel zurück, um 1881 einem Rufe nach Breslau zu folgen; 1889–1891 wirkte er an der Universität Wien, um darauf in Leipzig Nachfolger L. Brentano’s zu werden.

In diesen Stellungen bewies er eine nicht geringe Anpassungsfähigkeit, die ihn in Basel zur Beschäftigung mit der reich entwickelten socialen Hülfsthätigkeit der Stadt und mit der Agrar- und Gemeindeverfassung der Schweiz führte. Aus diesen Interessen gingen folgende Schriften hervor: 1. „Isaak Iselin. Ein Beitrag zur Geschichte der volkswirthschaftlichen, socialen und politischen Bestrebungen der Schweiz im 18. Jahrh.“, Basel 1875; 2. „Die Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen während der ersten hundert Jahre ihres Bestehens“, 1877; 3. „Das Kranken- und Begräbnißversicherungswesen der Stadt Basel“, 1880; 4. „Die Verfassung der Land-, Alpen- und Forstwirthschaft in der deutschen Schweiz in ihrer geschichtl. Entwicklung“, 1878; 5. „Die schweizerische Allmend“, 1879. Die beiden letztgenannten Schriften waren durch E. de Laveleye’s „Ureigenthum“ angeregte rechts- und wirthschaftsgeschichtliche Monographien. In die agrarpolitischen Fragen der Gegenwart führten ihn seine Breslauer Arbeiten, von denen die wichtigste unter dem Titel: „Das Erbrecht und die Grundeigenthumsvertheilung im Deutschen Reiche“ in 2 Abtheilungen 1884 und 1886 in den Schriften des Vereins für Socialpolitik erschienen ist. Dieses Werk wurde die Veranlassung, daß v. M. zum Mitgliede des preußischen Landesökonomie-Collegiums und des Deutschen Landwirthschaftsraths ernannt wurde. In diesen Körperschaften war er eifrig um die weitere Ausbreitung und rationelle Ausgestaltung des Anerbenrechts bemüht, betheiligte sich aber auch hier wie im Verein für Socialpolitik mit Referaten und Denkschriften an der Erörterung anderer agrarpolitischer Tagesfragen (Rentengüter, Wucher- und Verschuldungsfrage, Creditorganisation, Genossenschaftswesen, Agrarschutzzölle). Ein Niederschlag dieser Thätigkeit ist die Sammlung: „Agrarpolitische Zeit- und Streitfragen. Vorträge, Referate und Gutachten“, Leipzig 1889. Außerdem gehört hierher seine Wiener Antrittsvorlesung: „Das Problem der Grundeigenthumsvertheilung in geschichtlicher Entwicklung“, 1890.

Auch in den Seminararbeiten seiner Schüler, die er später in einer Sammlung („Staats- und socialwissenschaftliche Beiträge“, erschienen 3 Bde. 1892–1897) vereinigte, überwiegt die agrar- und communalpolitische Richtung seiner Specialstudien. Von kleineren Arbeiten sind noch seine Nekrologe auf [374] Th. Graß, A. v. Tideböhl, G. Hanssen, Lor. v. Stein und W. Roscher zu nennen, endlich seine Leipziger Antrittsvorlesung: „Die Anfänge der Nationalökonomie“, 1891.

Als Agrarpolitiker hat v. M. während seiner Breslauer Wirksamkeit in Preußen einen nicht geringen Einfluß ausgeübt. Freilich erlebte er manche Enttäuschung: sein Hauptwunsch, die Aufnahme des Anerbenrechts in das deutsche bürgerliche Gesetzbuch ging nicht in Erfüllung, und beim Deutschen Landwirthschaftsrath erklärte er 1887 seinen Austritt, als hier extrem agrarschutzzöllnerische Bestrebungen die Herrschaft erlangten. In Oesterreich hat er während der zwei Jahre seines Wiener Lehramts nicht festen Fuß zu fassen vermocht, obwol die von ihm vertretene Form des bäuerlichen Erbrechts in Cis- und Transleithanien einflußreiche Fürsprecher fand. Maßgebend für seine Richtung in der Agrarpolitik sind immer die Erfahrungen und Anschauungen seiner baltischen Verwaltungsthätigkeit geblieben. Seine Schriften charakterisiren sich durch die enge Verbindung von rechts- und wirthschaftsgeschichtlichen Kenntnissen mit rechts- und wirthschaftspolitischen Gesichtspunkten, wie sie ihm einerseits die ständische Gliederung der Ostseeprovinzen, anderseits das caritative Basler System an die Hand gegeben haben. Abstractem Doctrinarismus abhold, wollte er „die Theorie im Zusammenhang mit dem Leben, seinen wechselnden Erscheinungen und Forderungen erhalten und dieselbe doch zugleich nach Möglichkeit davor bewahren, daß sie zum Tummelplatz der Parteileidenschaft werde“. Reiche Lebenserfahrung, viel natürliche Beobachtungsgabe, praktischer Blick und ein feines Empfinden für das zur Zeit Durchsetzbare machten seine Mitwirkung bei der Lösung von Problemen der wirthschaftlichen Tagespolitik besonders fruchtbar.

Vgl. Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 2. Aufl., Bd. V,. S. 761 f., wo auch ein Verzeichniß seiner kleineren Arbeiten; außerdem den Nekrolog des Unterzeichneten in den Berichten der philol.-histor. Classe der kgl. sächs. Ges. der Wissenschaften LII (1900), S. 351–358.