Zum Inhalt springen

ADB:Mutina, Thomas von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Mutina, Thomas von“ von Rudolf Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 109–113, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mutina,_Thomas_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 13:00 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Mutius, Huldreich
Band 23 (1886), S. 109–113 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Tommaso da Modena in der Wikipedia
Tommaso da Modena in Wikidata
GND-Nummer 118802488
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|23|109|113|Mutina, Thomas von|Rudolf Müller|ADB:Mutina, Thomas von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118802488}}    

Mutina: Thomas von M. (auch Modena), einer der bedeutendsten Maler aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, bedeutend insbesondere für Böhmen als Begründer der unter Karl IV. ins Leben getretenen „Prager Schule“, wurde nach archivalischen Erhebungen von Tiraboschi und Federici zu Treviso [110] geboren, unsicher blieb dabei nur in welchem Jahre. Sicherzustellen wußten sie dafür, daß M. zwischen 1348 und 1352 den Capitelsaal des Franziskanerklosters zu Treviso mit Wandmalereien ausstattete, und zwar mit vierzig Porträtfiguren von den berühmtesten Männern des Ordens. Diese bis in die Neuzeit ziemlich gut erhaltenen Bildnisse sind zudem beglaubigt durch die vom Künstler beigefügte Inschrift: „Anno domini MCCCLII. Prior Tarvisinus ordinis praedicatorum depingi fecit istud capitulum. et Tomas pictor de Mutina pinxit istud“. – Nach der eigenartigen Zeichnung und Malweise vollkommen übereinstimmend mit den in Böhmen vorfindlichen Gemälden Mutina’s, erübrigt blos noch die Frage: wenn und wie lange er sich behufs Ausführung derselben hier aufhielt? Ihrer Beantwortung dürfte im Hinblick auf die Zeit von 1331–1333, welche Karl – noch als Kronprinz – in der Lombardei zubrachte, ziemlich nahe zu kommen sein, besonders wenn zugleich Rücksicht genommen wird auf seine Vorliebe für Kunst und Wissenschaft, die ihn antrieb mit der kriegerischen Eroberung die friedliche von Culturelementen für sein künftiges, der culturellen Hebung durchaus bedürftiges Reich zu verbinden. Nachweisbar wirkten auch schon in der nächsten Folgezeit italienische Künstler mit an der Ausschmückung der von ihm für Prag und die Umgegend angeordneten Bauwerke. Unter den Berufenen befand sich dann jedenfalls der hervorragende Lombarde, M., und fällt sein Verweilen in die Periode von 1337 bis 1350. Für den Aufenthalt von solcher, überhaupt längerer Dauer, sprechen allein schon die zahlreichen hier zur Vollendung gebrachten Gemälde, außerdem noch, daß M. Begründer wurde der unter Karl IV. entstandenen „Prager (Maler) Schule“. – Auf dem an der Beraun gelegenen, drei Meilen von Prag entfernten Schlosse Karlstein, finden sich zur Zeit noch vierzehn theils größere, theils kleinere Werke seiner Hand vor, die ursprünglich einem Altarschrein angehörten, deren einer auch mit „Tomas de Mutina“ bezeichnet ist. Andere drei, ehedem als Flügelaltar vorhandene Tafeln, übergingen unter Kaiser Joseph II. in die Belvederegallerie zu Wien, und waren laut Katalog vom Jahre 1875 der „altdeutschen Schule“ als Nr. 1 eingereiht, katalogisirt: „Thomas von Mutina. Altarwerk, in der Mitte Maria mit dem Kinde, rechts der h. Wenzel, links der h. Palmatius. 2 Fuß 5 Zoll hoch, das Mittelstück 1 F. 8 Z., jeder Flügel 1 F. 4 Z. breit. Auf Goldgrund“. Dieser Grund ist durch Diagonalstreifen in kleine Quadrate getheilt, in welche abwechselnd die böhmischen Wappenzeichen, Löwe und Adler eingetragen sind. Der untere Bildrand trägt den humorvollen Vers: „Quis opus hoc finxit“? Tomas de Mutina pinxit. Quale fides lector, Barisini filius auctor“. Auf Lindenholz, mit Temperafarbe von eigenthümlicher Beschaffenheit ausgeführt, durch welche dem Ganzen der Anschein der Oelmalerei verliehen ist: gilt es in der also bewirkten Täuschung auch den Anlaß zu suchen für die irrige und verwirrende, um 1775 von Professor Ehemant aufgestellte Behauptung, daß die Oelmalerei schon lange vor den Brüdern van Eyck in Böhmen geübt worden sei. Kein Wunder, wenn der Localpatriotismus dadurch ermuthigt, den böhmischen Ortsnamen Mutienin ganz kühn mit – Mutina identificirte! – Auffallend bleibt nur, daß auch Dlabacz auf diesen Trugschluß einging. – Die Technik Mutina’s betreffend, ließ sich bei einigermaßen gründlicher Untersuchung leicht wahrnehmen, daß er nicht Oel, sondern ein Gemisch von Eiweiß, Leim und Milch junger Feigensprossen, als Bindemittel für seine Farben benützte. Ein Bindemittel, dessen man sich im 14. Jahrhundert auch in Italien bediente. – Die Ehemant’sche These erfuhr übrigens eine recht beklagenswerthe Abfertigung durch einen seiner Oelgläubigen, welcher mittels eines weingeistgetränkten Schwammes an den Beweis ging, und dabei das vorzüglichste der Karlsteiner Bilder Mutina’s – das Ecce homo – vollständig zerstörte. – Das Hauptbild [111] des erwähnten Altarschreins ist abhanden gekommen; verblieben sind blos noch vier größere in zwei Flügel eingerahmte Nebenbilder. In einem Flügel befindet sich das gedachte, schwer beschädigte Ecce homo-Bild mit der Bezeichnung „Tomas de Mutina fecit“ – im andern das der Maria mit dem Christuskinde, von so zarter und gefühlsinniger Durchbildung, wie wir sie nur bei späteren umbrischen Meistern wie Perugino und Francesco Francia, wiederfinden. In die Umrahmung sind miniaturartig gemalte Figürchen eingetragen, von denen zehn unversehrt blieben; sie stellen musicirende Engel dar, unter ihnen die überaus liebliche h. Cäcilia. Durchschnittlich 16 Centimeter hoch, ist der Grund auf dem sie angebracht sind, nur knapp 4 Centimeter breit. Im Bogenfelde über dem ersten Bilde schwebt ein Engel, dessen Spruchband die Worte „Ecce homo“ enthält, über dem anderen der Erzengel Gabriel mit dem eingeschriebenen „Ave Maria“. Das Christus- wie das Marienbild haben die Höhe von 63 Ctm., die Breite von 32 Ctm., die Engelbilder bei gleicher Breite, die Höhe von 34 Ctm. – Bemerkenswerth sind noch die in der Weise Giotto’s auf den Rahmen gemalten italienisch-gothischen Ornamente, weil sie auch auf anderen Umrahmungen von Bildern Mutina’s kennzeichnend vorkommen. Alles spricht dafür, daß diese Art von Rahmendecoration überhaupt durch M. in Böhmen eingeführt wurde. – Außer auf den nachträglich beschriebenen, finden wir sie gleichartig wieder bei dem schönen Madonnenbilde in der Gallerie des Stiftes Hohenfurth, auf welchem auch in der unteren linken Ecke, in einer Größe von 8 Ctm., der Donator, ein Cisterciensermönch, sichtlich gemacht ist. Das von ihm in die Höhe gehaltene Spruchband trägt die Worte „Miserere mei dominus“. Den Künstlernamen vertritt auf diesem Bilde das Monogramm MT. Mit Einschluß des Rahmens hat das Gemälde bei der Höhe von 95 Ctm. eine Breite von 681/2 Ctm.; der etwas mehr als 13 Ctm. breite, vergoldete Rahmen ist oben und unten mit schwebenden Engeln, zur Linken mit den senkrecht übereinander gestellten Figürchen, Katharina und Kunigunde, zur Rechten mit Margaretha und Barbara farbig verziert. Spruchbänder bilden die Ornamentirung der Zwischenstellen. – Angesichts dieses Hohenfurther Werkes, mit all dem eigenartigen Drum und Dran in der Umrahmung, wird das Kennerauge von selbst auf ein anderes bis in die Neuzeit unrichtig beurtheiltes Bild gelenkt, nämlich auf die „Vera icon“ in der Prager Domkirche. Vermochte schon die gleichartige Malweise der Forschung als Handhabe zu dienen gegen die Irreleitung, dasselbe des bräunlichen Tones wegen für „byzantinisch“ zu halten, so lag doch ganz besonders im Rahmenschmucke der vollgiltige Beweis der Identität mit dem Meister des Hohenfurther Gemäldes. – Den geglaubten Widerspruch zwischen dem Christuskopfe und der Rahmenmalerei lösten diese Byzantinisten guten Muthes durch ein Auseinanderhalten – beziehungsweise durch die Behauptung: ersterer gehöre einer früheren, der andere einer späteren Zeit an. Bis in die 60er Jahre wurde das nachgeredet und nachgeschrieben und erst die genaue Untersuchung von Prof. Grueber und mir führte zu der vollen Sicherheit, daß das Bild ein untrennbares Ganze sei, das von einer Hand geschaffen wurde, denn Bildtafel und Rahmen zeigten einheitliche Verbindung und Verbolzung; der Grund, wie die allen Theilen unterlegte Vergoldung, erwiesen sich durchaus festgeschlossen (das Untersuchungsergebniß belegte ich zugleich mit der photographischen Aufnahme des Bildes). – Anlaß zur widerspruchsvollen Beurtheilung dürfte die Tradition gegeben haben, nach welcher Karl IV. die Vera icon aus Rom mitbrachte. – Ziehen wir mit Rücksicht hierauf in Betracht, daß in Rom, in der Kapelle Sancta sanctorum neben dem Lateran, ein ähnliches, „wahres Bildniß Christi“ – ältesten Ursprungs – existirt, daß Kaiser Karl, bekannt als Freund religiöser Kleinode, von solchen während seines wiederholten Aufenthalts in Italien möglichst viele zu erwerben suchte; rechnen [112] wir dabei mit ein die, nach aller Wahrscheinlichkeit vergebliche Bewerbung um das in jener Kapelle bewahrte Bildniß, dann liegt es nahe genug zu folgern, daß er die indirecte Erwerbung mittelst einer Copie bewerkstelligte, und zwar durch die Hand seines hochgehaltenen M. – Für die solcher Weise erfolgte Bildbeschaffung spricht einerseits die Uebereinstimmung des Prager Christuskopfes mit jenem zu Rom, andererseits das über die Copie hinaus vom Künstler hinzugethane, nämlich die der Umrahmung eingefügten Landespatrone Böhmens. Vereinbar ist damit zugleich die Tradition von der Herkunft des Bildes – aus Rom. – Die Bildtafel mißt in der Höhe 63, in der Breite 47 Ctm. Der Rahmen hat auf allen Seiten die Breite von 14 Ctm. – Der Christuskopf zeigt das altherkömmliche, längliche Oval mit feingeschnittener Nase, große braune Augen, festgeschlossene Lippen, durch die klare bräunliche Gesichtsfarbe schimmern geröthete Wangen, das gescheitelte, dunkelröthliche sanft gewellte Haar schließt ziemlich eng der Ovalform an, läuft dagegen nach unten in längere schmale Locken aus; der gleichfarbige Kinnbart hat die übliche Zapfenform mit getheilter Spitze. Vom Hals oder Gewandung findet sich keine Andeutung vor, ebenso wenig von der auf dem Veronicatuche vorkommenden Dornenkrone. Freischwebend in den Goldgrund hineingemalt wirkt der Kopf gleich einer überirdischen Erscheinung. – Dem Rahmen eingemalt sind rechts der h. Wenzeslaus, Prokop, Sigismund; links Veit, Adalbert, Ludmilla, oben wie unten – der auf dem Hohenfurther Bilde fast ganz gleiche – fliegende und spruchbandtragende Engel. Obzwar die Namenszeichnung abgeht, hebt die technische Behandlung insbesondere die Figurenzeichnung über jeden Zweifel an der Echtheit eines Mutina-Werkes hinweg. – Welchen Werth auch Karl IV. gerade diesem Werke zusprach, bestätigt die von ihm angeordnete Einverleibung desselben in die Reichskleinodien, mit deren Uebertragung von Karlstein in die Kronkammer der St. Wenzelskapelle (im Prager Dome) wohl auch dessen Aufstellung im Dome erfolgte. – Madonnabilder von M. sind noch zu finden in der Decanalkirche zu Pisek, in der Minoritenkirche zu Braunau und in der Pfarrkirche des Marktes Hohenfurth. – Letzteres ist leider wegen barbarischer Uebermalung kaum mehr zu würdigen. – Beim Untersuchen der kunstgeschichtlichen Litteratur fiel mir auf, wie durchwegs flüchtig über M. hinweggegangen wurde. Anders, in seinen Werken aufgesucht und entsprechend gewürdigt, wäre es gewiß zu einem gemeinschaftlichen Einverständnisse gekommen darüber, daß dieser Künstler seiner Zeit nach hoch stand, ja voranleuchtend wirkte, namentlich auch für die durch Karl IV. von anderweit her berufenen Maler, wie: Kunz, Wurmser und Theodorich in Richtung auf guten Geschmack. Denn seine Werke kennzeichnen sich ebenso durch sicheren, fein abgestuften Farbenauftrag, wie durch sorgfältiges Studium der Natur, erkennbar auch der Antike; seine Köpfe sind individualisirt, die Körperformen zeigen edle Verhältnisse und richtige Zeichnung – bis etwa auf die mitunter vernachlässigten Hände –: die Gewandung ist stetig dem Körper angepaßt, meist auch in geschmackvollen Linien gehalten. Hervorzuheben ist ferner noch die Sicherheit, mit welcher M. die landesübliche Tracht seinen in Böhmen ausgeführten Bildern, vornehmlich den Landespatronen, anzukleiden wußte. Gleich fertig zeigt er sich in der Verwendung nationaler Embleme, Wappen, Fahnen etc., im decorativen Theile seiner Rahmenfüllungen. Ueber 1352 hinaus läßt sich über M. nichts mehr sicher stellen als sein – nach Tiraboschi – 1356 zu Treviso erfolgtes Ableben.

Tiraboschi, Notizie de’ Pittori Modenesi, Modena 1786. P. Federici, Memorie Trevigiane. – Dlabacz, Allg. Künstlerlex. – Hirt, Kunstbemerkungen auf einer Reise … nach Dresden und Prag, Berlin 1830. – Kugler, Handbuch d. Gesch. d. Malerei; desselben Handbuch d. Kunstgesch. – [113] Schnaase, Gesch. der bild. Künste im Mittelalter. – Dr. Ant. Springer, Kunsthistorische Briefe, Prag 1857. – Bernh. Grueber, Kunst d. Mittelalters in Böhmen, Wien 1871. – Dr. Ludw. Schlesinger’s Geschichte Böhmens, 2. Aufl., Prag 1870. – Ferd. Mikowič, Alterthümer und Merkwürdigkeiten Böhmens. – Eigene Forschungen.