Zum Inhalt springen

ADB:Myslenta, Coelestin

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Myslenta, Cölestinus“ von Karl Alfred von Hase in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 146–148, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Myslenta,_Coelestin&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 11:03 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Mytens
Band 23 (1886), S. 146–148 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Cölestin Myslenta in der Wikipedia
Cölestin Myslenta in Wikidata
GND-Nummer 102830177
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|23|146|148|Myslenta, Cölestinus|Karl Alfred von Hase|ADB:Myslenta, Coelestin}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=102830177}}    

Myslenta: Cölestinus M. (auch Mislenta), erster Professor der Theologie und Pfarrer am Dom zu Königsberg i. Pr., geb. den 27. März 1588 zu Kutten im masurischen Preußen, † den 20. April 1653. Sein Vater war von Adel, einst polnischer Kammerjunker König Stephans, dann evangelischer Pfarrer in Kutten. M. studirte 6 Jahre in Königsberg, 6 Jahre in Wittenberg, 3 Jahre in Gießen. Mit besonderem Eifer wandte er sich den orientalischen Sprachen zu. In Frankfurt a. M. nahm er 6 Monate Unterricht bei Rabbinen. In Gießen 1619 promovirte er zum Doctor der Theologie, wobei er in hebräischer Sprache disputirte. Im Herbst desselben Jahres wurde er unter Kurfürst Johann Sigismund als außerordentlicher Professor der Theologie und ordentlicher Professor der hebräischen Sprache nach Königsberg berufen; 1622 [147] erhielt er Sitz im Consistorium, 1626 wurde er Pfarrer am Dom im Kneiphof. Er war damals der deutschen Sprache nicht recht mächtig, so daß er zuerst, wie er nachmals seinen Schülern bekannte, jede Woche eine Predigt aus Martin Chemnitz’s Postille unter Thränen Wort für Wort auswendig gelernt und gehalten habe. Schon in Gießen hatte er eine Schrift herausgegeben: „De haeresibus hisce ultimis temporibus ecclesiam potissimum turbantibus“. Es folgte eine große Zahl dogmatischer, exegetischer, besonders aber polemischer Schriften. Nachdem er dem Prediger Rathmann, der im Verdacht stand das äußere Wort Gottes im Sinne Schwenkfeld’s gering zu achten und deshalb von seinen Danziger Amtsbrüdern heftig angegriffen wurde, 1624 einen hochmüthigen Brief geschrieben hatte, gerieth er in Streit mit Movius, ehemals Conrector im Kneiphof, dann Pfarrer zu Cauen im Großherzogthum Litthauen, welcher in demselben Jahr zu Königsberg pro summo in theol. gradu disputirte. Bei der Disputation handelte es sich um die sacramentale Kraft der Taufe. Movius stellte den Satz auf: auch ein ungläubiger Heide könne im Nothfall eine rechte Taufe vollziehen, wofür er sich auf Luther berief, der gesagt habe: auch der Teufel, wenn er in Menschengestalt zum Prädicanten sich berufen lasse, könne eine rechte Taufe verrichten. M. schickte ihm darauf seine „Dissert. de S. Scriptura“ zu, damit er daraus die Lehre von der Wirkung des göttlichen Wortes recht fassen möchte. Movius nannte einige Sätze derselben gottlos, ketzerisch und blasphemisch. Wie im Rathmann’schen Streit, so handelte es sich auch hier um die orthodoxe und um eine mystische, aber im Grunde freisinnige Auffassung des göttlichen Worts, welche Movius vertrat. Movius behauptete, daß Gottes Wort außer dem Gebrauch, z. B. wenn die Bibel auf dem Tische liege oder zu Zauberei gebraucht würde, keine sonderliche innerliche Kraft Gottes habe. M. schalt ihn einen Rathmannisten und Schwenkfeldisten. Man warf ihm vor, gesagt zu haben: das innere Wort, was Gott in das Herz der Lehrer redet, das ist Gott selbst. Streitschriften wurden gewechselt: „Movius haereticus“ und „Mislenta Tyrannus“. Während Movius unter Anrufung der heiligen Dreifaltigkeit erklärte, sich seines Fundamentalirrthums bewußt zu sein, urtheilte M.: „Movius ist die giftige, teuflische Bosheit selbst, auch eine Mistlache des stinkender Koths und Unflaths, damit beklext und beschmitzt wird, der mit ihm zu thun hat“. Als Movius, wegen Mißbrauchs des Strafamts auf der Kanzel mit seiner Gemeinde in Streit, des Amtes entsetzt, brotlos mit Weib und Kind nach Königsberg kam, hier vergeblich vom Consistorium seine Restitution forderte und gegen die Königsberger Theologen Schmähschriften schrieb, forderten diese Verbrennung der Schmähschriften und als Movius den Antrag stellte, daß M. und Professor Behm degradirt und des Landes verwiesen würden, trugen diese darauf an, Movius am Leben zu strafen. Der Streit zog sich durch mehr als zehn Jahre bis vor das königliche Hofgericht zu Warschau und endete erst mit dem Tode des Movius 1639. – Auch in den Latermann’schen Streit, mit welchem die syncretistischen Streitigkeiten in Preußen ihren Anfang nahmen (vgl. Bd. XVIII, S. 11) griff M. mit Heftigkeit ein. Eine persönliche Gereiztheit scheint vorauf gegangen zu sein. M. hatte vom Kurfürsten 1645 den Auftrag erhalten, als Vertreter der Königsberger Universität und Geistlichkeit nach Thorn zum Colloquium charitativum zu reisen; der Auftrag war dann zu Gunsten des außerordentlichen Professors Michael Behm, eines Sohnes des hochbetagten Dr. Johannes Behm, zurückgenommen worden. In Thorn hatten die Königsberger Theologen die Bekanntschaft Latermann’s gemacht, der als ein Schüler Calixt’s einer weitherzigen, als Anhänger Rathmann’s einer mystischen Richtung zugethan, bald darauf mit einer fürstlichen Empfehlung nach Königsberg kam, wo er mehrmals im Saale des Schlosses vor dem Kurfürsten predigte. Als die Altstädter ihn zum Diaconus [148] haben wollten und der Kurfürst gleichzeitig ihm eine außerordentliche Professur übertrug, protestirte M. gegen Latermann’s ketzerische Irrthümer, wodurch dessen Wahl verhindert wurde. Gutachten auswärtiger theologischer Facultäten wurden eingeholt, welche zum größten Theil ungünstig für Latermann ausfielen, obwol man ihm nur ungewöhnliche und unförmliche Ausdrücke zum Vorwurfe machen konnte. Die Landesregierung verbot bei höchster Ungnade, des Streites auf den Kanzeln mit einem Worte zu gedenken. M. fuhr fort, dem Latermann ungünstige Censuren auswärtiger Theologen zu sammeln und zu publiciren. Als er dabei auch die Universität Helmstädt angriff, verklagte ihn diese beim Kurfürsten. Auch mit seinen eigenen Facultätsgenossen gerieth er um Latermann’s willen, welcher eine Tochter des älteren Behm zur Frau hatte, in Streit. Als der jüngere Behm dem M. einige Irrthümer, die er in seinen Vorlesungen begangen haben sollte, vorwarf, gab dieser 1650 eine Schrift heraus: „Behm ineptiens“ und verweigerte dem zu seinem Nachfolger als Decan der theologischen Facultät Erwählten, weil er nur außerordentlicher Professor sei, das Facultätssiegel. Als er sich auch der Entscheidung des Senats nicht unterwarf, verlor er im Senat Sitz und Stimme. Da starb Behm und M. versagte der Leiche seines Collegen die Beerdigung in der Domkirche, obwol das solenne Begräbniß durch akademische Leichenschrift bereits angekündigt war. Fast zwei Jahre später, nachdem M. in seine akademischen Rechte wieder eingesetzt war, wurde die Leiche, nach vorläufiger anderweitiger Aufbewahrung, im Dom beigesetzt. Noch im Herbst desselben Jahres, 1652, wählte die Universität M. zum siebenten Mal zu ihrem Rector magnificus. Als solcher ist er am 20. April 1658 gestorben. Unter seinem Bild im Dom stehen die Worte: Mislenta hac facie, Prussam qui concudit hydram; Vis penetrare Virum: mente Lutherus erat.

Die zahlreichen Druckschriften M.’s sind größtentheils verzeichnet bei Jöcher III, S. 797 und Rotermund V, S. 328. Die Hauptschrift ist: „Manuale Prutenicum“. 1626, mit einer „Dissertatio prooemialis historico-chronologica“, welche Hartknoch bei Abfassung seiner preußischen Kirchenhistorie vielfach benutzt hat. – Außer den bei Jöcher genannten Schriften finden sich in der Königsberger Bibliothek: Invitatio ad declarat. de relig. calv., 1620; Analysis aphor. apost. Phil. 2, 5–8, 1624. Super Pauli ep. ad Romanos dissertatio: Sacrarum I, 1634. – Der Briefwechsel mit Rathmann (1623 u. 1624.) ist publicirt in den Preußischen Zehenden, Bd. III, S. 909.