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ADB:Nüßler, Karl Gottlob von

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Artikel „Nüßler, Karl Gottlob v.“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 62–64, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:N%C3%BC%C3%9Fler,_Karl_Gottlob_von&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 05:44 Uhr UTC)
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Nüßler: Karl Gottlob v. N., preußischer Justiz- und Landrath. N. war als dritter Sohn des fürstlich Lobkowitzischen Hofrathes Johann Gottlob v. N. zu Sagan am 8. Mai 1700 geboren. Da der Vater frühzeitig (im J. 1711) starb, blieb der Mutter die Erziehung der Kinder überlassen. Aus Furcht, man könne ihr dieselben nehmen und sie katholisch erziehen, verließ sie heimlich Sagan, um nach der Niederlausitz überzusiedeln. Den Unterricht ihrer Söhne vertraute sie dem Magister Johann Georg Heinsius an, welcher N. im J. 1718 auf die Universität Jena begleitete. Zwei Jahre lang hörte N. hier Vorlesungen über Philosophie, Mathematik, Geschichte und Jurisprudenz. Nach einem kürzeren Aufenthalt in Leipzig wandte N. sich nach Wittenberg, wo er seine Studien zum Abschluß brachte. Sein Wunsch war es, womöglich eine Anstellung als Hofcavalier oder als Stallmeister zu erhalten. Auf Empfehlung seiner Mutter hin wurde er im J. 1722 zum Hofcavalier der verwittweten Herzogin Aemilia Agnes von Sachsen-Weißenfels-Dahme berufen, welche ihren Wohnsitz in Drehna in der Niederlausitz aufgeschlagen hatte. In ihrem Dienste kam er mit dem herzoglichen Hofe in Merseburg in Berührung, durch dessen Einfluß er eine Rathsstelle an der Oberamtsregierung zu Lübben zu erlangen hoffte. Eine Vermählung mit einem der Hoffräulein der Herzogin Henriette Charlotte sollte gleichzeitig die Erlangung der gewünschten Stelle sichern. Unerfreuliche Nachrichten über das Vorleben seiner Braut, die N. durch einen Zufall erhielt, veranlaßten ihn jedoch, seinen Plan wieder aufzugeben. Ein rascher Entschluß bestimmte ihn, nunmehr sein Glück auf die Gunst des bekannten königlich preußischen geheimen Rathes und Kanzlers Johann Peter v. Ludewig in Halle (s. A. D. B. XIX, 379) zu begründen. Er hielt deshalb um die Hand der ältesten Tochter des Kanzlers Anna Sophia an. Dieselbe wurde ihm unter der Bedingung zugesagt, daß es ihm gelinge, eine Stellung im preußischen Justizdienst zu erhalten. Durch die Verwendung des Kanzlers wurde ihm eine solche auch zu Theil, indem er im J. 1726 als Hof- und Kammergerichtsrath nach Berlin berufen wurde. Auf diese sonderbare Weise kam N. in den preußischen Staatsdienst, dem er die besten Kräfte seines Lebens gewidmet hat, ohne je für seine Leistungen eine gebührende Entschädigung zu [63] erhalten. Seine Lebensgeschichte, wie sie Büsching, gestützt auf überaus umfängliche, eigenhändige Aufzeichnungen Nüßler’s erzählt, gibt nicht nur ein wenig erfreuliches Bild von dem wüsten Treiben des damaligen Adels, sondern gewährt auch einen unerquicklichen Einblick in die höchst ungünstigen Verhältnisse, unter denen im vorigen Jahrhundert das preußische Beamtenthum zu leiden hatte. Bereits im J. 1729 rückte N. in die Stellung eines geheimen Justizrathes am Oberappellationsgerichte vor. Bald darauf wurde ihm die Ordnung der Ahldenschen Erbschaftsangelegenheit für die Gemahlin des Königs Friedrich Wilhelm I. anvertraut, die er zu vollster Zufriedenheit seines Auftraggebers ausführte. Zur Belohnung wurde ihm das Amt eines Reichskammergerichtsassessors in Wetzlar in Aussicht gestellt. Da aber seine Präsentation von dem Bisthum Hildesheim angefochten wurde, mußte er, ohne zu seinem Ziele zu gelangen, Wetzlar wieder verlassen. Bisher hatte N. ohne alle Besoldung gedient; auch nach seiner Rückkunft nach Berlin gelang es ihm nicht, eine solche zu erhalten. Nach wie vor verwaltete er seine Aemter ohne Entschädigung; ja, da man wußte, daß er einen reichen Schwiegervater habe, wurde er sogar gezwungen, in Berlin in der Friedrichsstadt ein Haus zu bauen (1733). Als im J. 1739 der Markgraf Friedrich Heinrich sich mit der Prinzessin Leopoldina Maria von Anhalt verlobte, erhielt N. vom König Friedrich Wilhelm den Befehl, sich nach Dessau zu begeben und die Ehepacten zu entwerfen. Wichtiger war ein Auftrag König Friedrichs II., der N. zur Feststellung der polnisch-preußischen Grenze nach Schlesien entsandte. Nach Abschluß des Friedens von Breslau ward ihm ebenfalls die Grenzregulirung zwischen österreichisch und preußisch Schlesien anvertraut. N. hoffte, daß er zur Belohnung für seine vom König anerkannten Dienste eine eben erledigte geheime Finanzrathsstelle erhalten werde. Seine Bitte wurde jedoch abschlägig beschieden. Er solle, schrieb ihm der König, „mit der letzterhaltenen Zulage vergnügt sein“. Dieselbe betrug 200 Thaler, welche er seit 1743 als geheimer Tribunalsrath erhielt, nachdem man ihm überhaupt erst seit Ende 1741 ein Gehalt von 200 Thalern gewährt hatte. So brachte es der um Staat und König verdiente Mann nicht höher als bis zu 400 Thalern Gehalt. Aber selbst eine schwere Kränkung blieb N. nicht erspart. Die von dem Großkanzler v. Cocceji ins Leben gerufene Justizorganisation brachte N. um sein Amt, da die gesammten Geheimen Tribunalsräthe entlassen wurden. N. zog sich daher auf sein Gut Weißensee unweit Berlin zurück, das er mit dem inzwischen von seinem Schwiegervater ererbten Vermögen angekauft hatte. Er durfte es als eine Wiederherstellung seiner durch die Entlassung gekränkten Ehre ansehen, daß ihm im J. 1750 das Amt eines Landrathes im Nieder-Barnim’schen Kreise angetragen wurde. Als solcher hat er sich um den seiner Leitung anvertrauten Kreis, der unter den Schlägen des siebenjährigen Krieges schwer zu leiden hatte, wesentliche Verdienste erworben. Den Abend seines Lebens brachte N. unter vielseitiger Beschäftigung mit wissenschaftlichen Gegenständen und unter frommen Andachtsübungen hin. Der Gedanke an den Tod war ihm ein willkommener und ohne Schrecken. Als daher Lessing seine Abhandlung: „Wie die Alten den Tod gebildet“ veröffentlicht hatte, wandte sich N. in einem längeren Schreiben an ihn, in welchem er seine Ansichten über den Tod darlegte und Lessing aufforderte, „durch zuverlässige Gründe das böse Ding, den Tod, aus der menschlichen Gesellschaft zu vertilgen, d. i. der vernünftigen Welt zu lehren, daß keine solche furchtbare Creatur in der Welt und das Wort Tod der Sache gar nicht angemessen, mithin gänzlich zu verwerfen sei.“ Vgl. Lessing’s Werke (Ausgabe von Hempel), Thl. 20, 2, S. 351/52. Besonders merkwürdig erscheint sein Testament; N. bestimmte darin sein Gut zu einer Stiftung für die Erziehung junger märkischer Edelleute. Es war die Erfahrung, daß es so wenig Edelleute [64] von Bildung für den Dienst als Landrath gäbe, die ihn zu diesem Schritte veranlaßte. N. starb am 31. März 1776.

Vgl. Anton Friederich Büsching, Beyträge zur Lebensgeschichte denkwürdiger Personen. Halle 1783. Thl. I, S. 237–416.