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ADB:Nathusius, Gottlob

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Artikel „Nathusius, Gottlob“ von Carl Leisewitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 271–276, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nathusius,_Gottlob&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 13:02 Uhr UTC)
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Nathusius: Gottlob N., Kaufmann in Magdeburg, später Rittergutsbesitzer und Fabrikherr zu Althaldensleben unweit Magdeburg, † daselbst am 23. Juli 1835. Als Nachkomme eines zur Reformationszeit aus Schweden eingewanderten Geistlichen, welchen die Verehrung Luther’s nach Wittenberg gezogen hatte und dessen Nachkommen größtentheils dem geistlichen Berufe treu geblieben waren, wurde N. zu Baruth (im ehemaligen sächsischen Kurkreise) am 30. April 1760 geboren, verlebte die Kinderjahre in bescheidenen Verhältnissen im elterlichen Hause, wo ihm von seinem als Acciseeinnehmer angestellten Vater und seiner gleich rechtschaffenen wie religiösen Mutter nur eine einfache, aber moralisch stärkende Erziehung zu theil werden konnte. Durch die Mittellosigkeit der Eltern wurden seine auf Vorbereitung zu höherer Schulbildung gerichteten Wünsche vereitelt und er sah sich genöthigt auf den Rath eines Hausfreundes nach vollendetem 14. Lebensjahre als Handlungslehrling bei dem Kaufmann Herr in Berlin in Condition zu treten. Von seinem Lehrprincipal wurde er nach der damals üblichen Methode mehrentheils nur zur Verrichtung der gewöhnlichen mechanischen Leistungen verwendet und erhielt somit vorerst kaum Gelegenheit, eigentliche kaufmännische Kenntnisse zu erlernen. Diesem schwer von ihm empfundenen [272] Mangel, welchem sich noch anderweitige Mißstände in seiner dortigen Situation (schonungslose Behandlung seitens der älteren Kameraden und mangelhafte Verpflegung) beigesellten, suchte er von Mißmuth gequält allen Ernstes abzuhelfen. Zwar mußte er sich anfänglich damit begnügen, gelegentlich der etwa im Geschäfte vorkommenden Schriften über Buchhaltung und Handelswesen habhaft zu werden, später konnte er jedoch schon mehr für seine Fortbildung thun, indem er die allmählich aus Zehrpfennigen angesammelten Ersparnisse zum Ankauf von antiquarisch ausgebotenen Schriften, wie Gottsched’s deutsche Grammatik und May’s Handelswissenschaft verwendete und mit eifriger Lectüre derselben seine wenigen Mußestunden ausfüllte. Nachdem er indeß 1780 die Lehrzeit überstanden hatte und als Handlungsdiener gegen ein bestimmtes Jahresgehalt bei seinem Lehrprincipal engagirt war, sollte er endlich bessere Gelegenheit und auch mehr Mittel zu seiner weiteren kaufmännischen Ausbildung gewinnen. So kam er dazu, sich mit Hilfe von guten Lehrbüchern recht gründlich über wichtige kaufmännische Wissenszweige zu unterrichten; besonders beschäftigten ihn die Lehre von der doppelten Buchhaltung, der Wechselkunde, die Lehre von den Münzsystemen und von dem Geldmarkte mit dessen regulären Erscheinungen, auch studirte er eingehend die nationalökonomischen Schriften von Adam Smith u. a. Außerdem übte er sich praktisch in der Buchhaltung und Handelscorrespondenz, indem er sich die Aufgabe stellte, eine fingirte Geschäftsunternehmung zu entwerfen und darnach ein Hauptbuch nebst Journalen einzurichten, sowie eine sehr umfassende Correspondenz in fictiver Geschäftsführung zu entwickeln. Seine Wißbegierde trieb ihn weiter dazu, naturgeschichtliche Belehrung zu suchen und populäre Schriften über Physik und Chemie zur Erlangung besserer Waarenkenntniß zu lesen; und daß er dies selbst ohne specielle Anleitung mit Verständniß gethan, hat er später wiederholt bewiesen. Durch solche mit größter Beharrlichkeit verfolgten Bestrebungen erwarb sich N. nicht nur viele Geschäftskenntnisse und allgemeine Aufklärung, sondern eignete sich auch ein entsprechendes Selbstvertrauen an und er zögerte nicht, demselben Ausdruck zu geben, indem er sich um eine Vacanz bei einem Stettiner Handlungshause mit Aussicht auf Verbesserung bewarb. Zwar ließ er sich noch einmal durch seinen Principal bewegen gegen Zusicherung entsprechender Gehaltszulage und weiterer Förderung in seiner kaufmännischen Laufbahn vorläufig wieder bei demselben zu bleiben; als aber nach drei Jahren die letztere Zusage noch unerfüllt geblieben war, entschloß sich N., das Dienstverhältniß zu seinem dermaligen Principal zu lösen, sobald eine willkommene Gelegenheit zur Veränderung gefunden sein würde. Der ersehnte Anlaß dazu ließ nicht lange auf sich warten, da bald die Kunde von der Concurrenz um die erste Buchhalterstelle bei dem berühmten Sengewald’schen Handlungshause in Magdeburg durch Zeitungen verbreitet wurde. N. wandte sich nunmehr unter offener Darlegung seiner bis dahin geübten fachmännischen Thätigkeit und seiner unausgesetzt betriebenen Privatstudien mit einem Bewerbungsschreiben an den Chef jenes Hauses. Obschon der Letztere sofort diese Bewerbung vertrauensvoll angenommen und demgemäß zusagend geantwortet hatte, so mußte N. dennoch zuvor einen harten Kampf mit seinem alten Principal in Berlin bestehen und sich behufs Widerlegung der von dessen Seite in seine Befähigung gesetzten Zweifel einer förmlichen Prüfung im Bankwesen unterziehen. Erst nachdem er durch das günstige Resultat derselben wieder in seinem Selbstvertrauen gestärkt war, ging er auf das ihm von dem Magdeburger Hause offerirte Engagement ein und lehnte mit Entschiedenheit die ihm nunmehr auch von verschiedenen Seiten in Berlin gemachten ehrenvollen Anerbietungen ab.

Hiermit hatte sich eine Wendung in seinem Lebensgange vollzogen, welche für seine Zukunft entscheidend wurde; mochte er sich auch schon glücklich schätzen [273] am Ziele seiner Wünsche angelangt zu sein, so war ihm erst jetzt die Basis eröffnet, welche ihn zu ungeahnten Erfolgen, zum Besitz eines enormen Vermögens, zu hohem Ansehen und weitreichendem Einfluß führen sollte. Noch im Beginn des 25. Lebensjahres stehend, wußte N. sich bald in der neuen Stellung bei dem Magdeburger Hause eine große Autorität zu verschaffen, er führte mehrfache Verbesserungen in dem Geschäftsgange ein, erwarb sich bald das unbedingte Vertrauen des Handlungschefs und sah sich früher, als er geahnt, mit der selbständigen Leitung des ganzen Geschäfts betraut. So war er bald vom Beamten zum unentbehrlichen Rathgeber, zur wichtigsten Stütze des Sengewald’schen Handlungshauses erkoren und als sein Chef unerwartet früh durch den Tod abgerufen wurde, war ihm durch dessen letztwillige Verfügung die Befugniß des Disponnenten gewahrt und selbst seine Betheiligung als Compagnon zur Vorbedingung für die Fortführung des Geschäfts gemacht. Von den Erben wol als berechtigter Träger eines solchen Mandates anerkannt, gebrauchte N. jedoch die Vorsicht, sich eine gewisse Bedenkzeit auszubitten, um vor der Uebernahme der neuen Verpflichtung die Lage des ganzen Geschäfts genauer prüfen zu können. Wiewol die zu diesem Zwecke unternommene Inventur kein günstiges Facit ergab, da die Activa und Passiva eben nur im Gleichgewicht standen, so fand sich N. doch bereit, jenen Wünschen nachzukommen und das Vertrauen seines Hauses zu ehren, indem er mit dem Schwager des verstorbenen Chefs das Geschäft unter der Firma „Richter & Nathusius“ zur Weiterführung übernahm. Er hatte indeß mit unerwarteten Schwierigkeiten zu kämpfen, es fehlten ihm anfänglich noch die nöthigen Mittel, um zu einem lucrativen Geschäftsbetriebe auf breiter und solider Grundlage gelangen zu können, und nur durch unermüdliche Thätigkeit, durch Beobachtung größter Sparsamkeit und Pünktlichkeit, durch vorsichtige Benutzung des ihm ohnehin durch die Ungunst der Verhältnisse erschwerten Credits vermochte er sich aus der precären Lage emporzuarbeiten und allmählich einen kleinen Vermögenszuwachs nach manchen Schwankungen im Stande des Geschäfts zu erzielen. Eine sorgenvolle Periode hatte er durchlebt, als es ihm endlich vergönnt war, Dank seiner Umsicht und Sachkenntniß aus einem überseeischen, unterwegs geschädigten Tabaktransport, welcher von den Mitinteressenten schon für entwerthet erachtet worden, einen bedeutenden Gewinn zu ziehen. Nun hatte er auf einmal einen ausreichenden Fonds für sein Geschäft, dazu ein unbestrittenes Ansehen als kenntnißreicher und tüchtiger Kaufmann und einen fast unbeschränkten Credit erlangt, und er verfehlte nicht, diese Position zur vortheilhaften Ausdehnung des Geschäfts über verschiedene Handelszweige, sowie zur glücklichen Durchführung einträglicher Unternehmungen mit Wahrung der größten Solidität zu verwerthen. Da blieb auch der Erfolg nicht aus, sein Vermögen wuchs rasch zu größerem Umfange an und er konnte mit größter Ruhe und Zuversicht wie mit voller Befriedigung thätig sein.

Um jene Zeit war es, als in Preußen mit dem Regierungsantritte Friedrich Wilhelms II. das Tabaksmonopol des Staates aufgehoben wurde; dieser Umstand veranlaßte N. dazu, eine Tabaksfabrik in Magdeburg anzulegen und diesem Fabrikationszweige sein ganzes Interesse zuzuwenden. Bald entdeckte er auch hierbei eine Reihe von Mängeln in der Bereitungsweise, unter welchen die Qualität der Fabrikate wie die geschäftlichen Resultate leiden mußten. Auf Grund seiner technischen Kenntnisse führte er sodann neue Fabrikationsmethoden ein, wodurch eine wesentliche Vereinfachung der Zubereitung und eine Verbesserung des Fabrikates erzielt wurde. Wiederum wurden hier seine Bemühungen mit dem glänzendsten Erfolge gekrönt, seine Tabaksfabrikate erlangten bald einen solchen Ruf und fanden so starken Begehr, daß er fort und fort zur Erweiterung der [274] Fabrik schreiten mußte. Nicht nur beherrschte er mit seiner Fabrikation fast den ganzen Tabaksconsum im preußischen Staate, sondern er hatte auch für das Ausland noch bedeutende Lieferungen zu effectuiren.

Unter so bewandten Umständen mußte sich bei ihm durch Häufung der Geschäftsüberschüsse binnen kurzer Frist ein außerordentlicher Reichthum ansammeln; dazu fiel ihm nach wenigen Jahren, als sein Compagnon und dessen Wittwe mittlerweile kinderlos gestorben waren, das ganze bedeutende Geschäftsvermögen anheim. Noch stand seine Fabrik in einer imposanten Entfaltung da, als plötzlich eine unvorhergesehene Gefahr über dieselbe hereinbrach: die preußische Staatsregierung griff 1795 wiederum den Plan einer Monopolisirung der Tabaksindustrie auf und traf bereits die Vorbereitungen dazu durch Wiedereinsetzung einer Tabaksadministration. Zwar wurde N. in Ansehung seiner hervorragenden Position zum Mitglied dieser Commission ernannt und mit der Befugniß zur Fortführung seiner Tabaksfabrikation in Abhängigkeit von der Staatsregie betraut, es schien ihm sogar, nachdem er zum Generaldirector sämmtlicher Fabriken des Staates ernannt und mit dem Charakter eines königlichen Geheimen Rathes belohnt war, der höchste Ersatz für die Entziehung der wirthschaftlichen Freiheit gesichert zu sein; allein es kamen in jener Commission bald Tendenzen zum Durchbruch, welchen N. nicht als Organ dienen wollte, er lehnte daher seine weitere Mitwirkung ab und stellte sein Geheimerathspatent zurück. Die neue Tabaksadministration mochte indeß kaum zur Verwirklichung ihrer Pläne geschritten sein, als mit dem 1797 in Berlin eingetretenen Regierungswechsel ihrem Wirken eine Schranke gezogen wurde. Der Minister v. d. Schulenburg berief eine Revisionscommission zur Veranstaltung einer Prüfung der Verhältnisse in der ganzen Tabaksregie und übertrug hierbei die wichtigste Function an N., welchem somit die Genugthuung zu theil wurde, die von ihm schon früher gerügten Mängel in der Administration urgiren und auf deren Beseitigung mit Nachdruck hinwirken zu können. Es währte nicht lange, so wurde der Tabaksindustrie im preußischen Staate die wirthschaftliche Freiheit wiedergegeben und nochmals konnte N. für kurze Frist einen schwunghaften Betrieb in seiner Fabrik entfalten; jedoch nach wenigen Jahren schon trat ihm die Concurrenz von anderen mit gleichen Verbesserungen betriebenen Unternehmungen hindernd entgegen und als 1807 das neu erstandene westfälische Königreich seine handelspolitischen Maximen zur Geltung brachte, war es um den günstigen Stand des Tabaksgeschäfts geschehen. N. entschloß sich daher, diesen Betriebszweig gänzlich aufzugeben und die dadurch frei gewordenen Capitalien zum Erwerb von Grundbesitz anzuwenden. Dazu war ihm ohnehin eine sehr günstige Gelegenheit geboten, da das in der Nähe von Magdeburg gelegene Kloster Althaldensleben mit dem dazu gehörigen bedeutenden Grundbesitze als passendes Kaufobject für 240,000 Thaler von ihm erworben werden konnte.

Allerdings hatte N. auch fortan noch mit seinen geschäftlichen Aufgaben in Magdeburg viel zu thun, dabei functionirte er als Vermittler zwischen der westfälischen und der preußischen Regierung bei Lieferungen von Salz u. dgl.; außerdem noch als Reichsdeputirter für Magdeburg bei den neugebildeten politischen Corporationen in Kassel verpflichtet, sah er sich überhaupt von der westfälischen Krone bei den häufig vorkommenden Geldverlegenheiten sehr in Anspruch genommen, so daß er am Hofe in Kassel sehr geschätzt und mit Beweisen der Dankbarkeit, welche er freilich wieder ablehnte, mehrfach berücksichtigt wurde; gleichwol aber wandte er seinem werthvollen Grundbesitze mehr und mehr Interesse zu und war mit großer Sorgfalt auf die Verbesserung der dortigen wirthschaftlichen Zustände bedacht. Von diesen Aufgaben und den Annehmlichkeiten des Landlebens angezogen, nahm er bald seinen Wohnsitz in Althaldensleben, kaufte das benachbarte [275] Gut Hundisburg noch dazu und arrondirte seinen Grundbesitz durch anderweitige kleinere Acquisitionen zu einem Areal von ca. 1 Quadratmeile.

Sobald er die rein land- und forstwirthschaftlichen Verhältnisse mit Umsicht geordnet und einen systematischen Betrieb eingeführt hatte, entwarf er weitere Pläne zur Verbindung dieser wirthschaftlichen Unternehmung mit verschiedenen technischen Nebengewerben, um so die Rohproducte der Landgüter im Wege der Stoffveredelung zu höherer Verwerthung bringen zu können. Zu diesem Zwecke legte er innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums eine Spiritus- und Liqueurfabrik, Bier- und Essigbrauereien, Mahl- und Oelmühlen, Ziegelei und Steingut- nebst Porzellanfabrik an, welche Fabrikationszweige sämmtlich unter seiner eingehenden Controle standen und von ihm zum Prosperiren geführt wurden. Seinem industriösen Geiste genügten diese Unternehmungen noch nicht; er hatte Kenntniß erhalten von der schon 1801 erfolgten Errichtung der ersten Runkelrübenzuckerfabrik zu Cunern in Schlesien und glaubte diesem Fabrikationszweige als einer neuen inländischen Productionsquelle eine gesicherte Zukunft vindiciren zu dürfen. In Rücksicht auf den zur Zeit der Continentalsperre herrschenden hohen Stand der Zuckerpreise hielt er es für opportun, jenem Vorgehen zu folgen und 1809 ebenfalls eine Rübenzuckerfabrik in Althaldensleben anzulegen. Als die zweite solcher Art in Deutschland fand auch diese Unternehmung einen günstigen Fortgang, so lange die Continentalsperre währte; als aber mit der Aufhebung derselben die Zuckerpreise bedeutend sanken und die Rübenproduction nicht den Bedingungen einer wohlfeileren Zuckergewinnung entsprechen konnte, gab N. die noch nicht zur Concurrenzfähigkeit gelangte Fabrikation wieder auf und benutzte die Fabrikanlagen theils zur Herstellung einer Zuckerraffinerie, theils zur Einrichtung für den Zweck der Obstweinbereitung. Letztere diente ihm zur Realisirung eines schon länger gehegten Planes, da dieselbe sich in Verbindung mit einem großartig betriebenen Garten- und Obstbau besonders opportun erweisen mußte. Mit Vorliebe hatte er schon seit Jahren die Horticultur gepflegt, umfangreiche Garten- und Obstanlagen durch Terrassirung und Cultivirung von Hängen und Oedländereien ins Leben gerufen; er wußte aber auch diesen Culturen die weitere Bestimmung zur Verschönerung seiner Landgüter zu geben, und so waren dort nicht nur vortrefflich gehaltene Baumschulen, Obstgärten und Gewächshäuser, sondern auch parkartige Pflanzengärten, welche der Anzucht seltener und vorzüglicher Holzarten dienen und deren Verbreitung in weitere Kreise nach Möglichkeit fördern sollten, als Zierden seiner Besitzungen entstanden.

Es konnte nicht fehlen, daß diese bald nach Wiederkehr des Friedens allgemein berühmt wurden und die Stätte reicher Belehrung bildeten; denn daselbst herrschten bei aller Mannigfaltigkeit und Vielseitigkeit der wirthschaftlichen und gewerblichen Anlagen bewundernswerthe Organisation, musterhafte Ordnung und rationeller Betrieb. Alles war zwar nach wirthschaftlichen wie kaufmännischen und technischen Gesichtspunkten trefflich geregelt, aber dennoch nicht völlig den materiellen Interessen untergeordnet, es wurde vielmehr auch dem Streben für das öffentliche Wohl, insbesondere für Hebung des ländlichen Erwerbs, sowie der Opferwilligkeit im Dienste der Technik oder der Wissenschaft und dem uneigennützigen Trachten nach Verallgemeinerung aller erprobten Neuerungen genug Raum zur Bethätigung gegönnt. Nicht genug damit, daß N. die Function eines Generaldirectors unter dem Beistande einer Reihe von verantwortlichen Specialdirigenten für sich gewahrt hatte, er war unablässig darauf bedacht, im Wege der Forschung und Untersuchung Verbesserungen zu erzielen oder Fortschritte anzubahnen.

Er unterhielt zu diesem Zwecke eine reiche Bibliothek, ein vollständig ausgestattetes [276] chemisches Laboratorium und einen zu seiner Verfügung stehenden Chemiker, den er mit Aufgaben in jener Richtung betraute. Hierbei kannte er keine Sparsamkeit, sobald nur Aussicht auf ein erfolgreiches Beginnen gegeben war, und wenn auch solche Arbeiten viel Opfer an Zeit und Mitteln erforderten, so fühlte er sich wiederum durch das Gelingen wichtiger Versuche reich belohnt und suchte sich durch das Studium gediegener wissenschaftlicher Werke zu neuen Aufgaben zu befähigen.

Daneben wandte er dem Wohle seiner Untergebenen viel Sorgfalt zu und leistete der ökonomischen wie socialen Wohlfahrt in den von ihm abhängigen ländlichen Erwerbskreisen mächtigen Vorschub. Denn nicht nur verschaffte er Hunderten von Arbeitern lohnenden und regelmäßigen Verdienst auf seinen Gütern und in den dazu gehörigen Fabriken, sondern er bot auch vielen Handwerkern und manchen Technikern eine dankbare Existenz; außerdem verhalf er sehr oft rechtschaffenen und arbeitsamen Leuten durch Vorstreckung von Mitteln zur Gründung einer Häuslichkeit oder zum Seßhaftwerden auf freiem Grundeigenthum. So wurde er durch seine Schöpfungen der Gründer des Wohlstandes wie der Förderer des Erwerbs für die ganze Einwohnerschaft von Althaldensleben, welche sich unter seinem wohlthätigen Schutze aus kümmerlichen Verhältnissen zu durchgehends günstiger Situation emporgeschwungen hatte und während einer kurzen Spanne Zeit von dem geringen Populationsstande von 200 Personen durch starken Zugang von außen bis auf die sechsfache Zahl angewachsen war. Wenn schon solche Wandlung als ein patriotisches Werk ihres Urhebers vom Staate anerkannt werden mußte, so hatte N. aber auch inzwischen nicht gezögert, seinen echt deutsch-patriotischen Sinn in anderer Weise mehrfach zu bethätigen. Als das westfälische Königreich gestürzt und die sächsische Provinz wieder unter den Schutz der preußischen Krone zurückgenommen war, leistete er der vaterländischen Regierung durch freiwillige Beiträge und anderweitige Aufwendungen mancherlei wichtige Dienste und wurde auch in Anerkennung dessen durch Friedrich Wilhelm III. mit dem Eisernen Kreuze noch vor dem Ende des Befreiungskrieges beehrt, welcher Auszeichnung später noch die Verleihung des Rothen Adlerordens 3. Classe folgte.

Um sich die körperliche und geistige Rüstigkeit zur Ausübung einer unausgesetzten, bei dem Wechsel und der Wichtigkeit der Aufgaben stets volle Leistungsfähigkeit erfordernden Thätigkeit zu sichern, befolgte N. eine sehr einfache und regelmäßige Lebensweise; er huldigte im Uebrigen der Gastfreundschaft und wurde auch nach dieser Seite hin vielfach mit Dankbarkeit in Anspruch genommen, da sein Umgang ebenso belehrend wie anziehend war. Seine Erholungen suchte er jedoch, als er bereits am Ziele seiner Laufbahn stand, hauptsächlich im Familienkreise; er war allerdings erst im 48. Lebensjahre durch Verehelichung mit einer Tochter aus dem Engelhard’schen Hause in Kassel zur Gründung einer Familie geschritten, aber er hatte das Glück, eine Lebensgefährtin von gleicher Lebensanschauung und bei allen Vorzügen des Charakters wie der Bildung mit lebendigem Sinn für das Familienleben gefunden zu haben. Mit sechs Kindern gesegnet mußte er ihr die Erziehung derselben im Wesentlichen überlassen und so verdankte er auch ihr, welche sich dieser Aufgabe mit voller Hingebung und edler Auffassung gewidmet hatte, die schönsten Stunden seines Lebensabends, die ihm im Familienzirkel erblühen sollten. Ihm war das seltene Glück beschieden, bis kurz vor seinem Tode die gewohnte inhaltsreiche Thätigkeit ungestört üben und mit dem Bewußtsein eines ebenso verdienstvollen wie segensreichen und allseitig anerkannten Wirkens von hinnen scheiden zu können.

Neuer Nekrolog der Deutschen, 13. Jahrg., 2. Bd.