Zum Inhalt springen

ADB:Nemeitz, Joachim Christoph

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Nemeiz, Joachim Christoph“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 424–426, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nemeitz,_Joachim_Christoph&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 15:54 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 23 (1886), S. 424–426 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Joachim Christoph Nemeitz in der Wikipedia
Joachim Christoph Nemeitz in Wikidata
GND-Nummer 128733950
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|23|424|426|Nemeiz, Joachim Christoph|Johann August Ritter von Eisenhart|ADB:Nemeitz, Joachim Christoph}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=128733950}}    

Nemeiz: Joachim Christoph N., fürstlich waldeckischer Hofrath und publicistischer Schriftsteller; geb. zu Wismar am 4. April 1679, † zu Straßburg am 8. Juni 1753. Joachim’s Vorfahren besaßen das adelige Stammgut Nemicz zwischen Stettin und Stargard, nach dem sie sich „Herrn von Nemiz“ nannten. Der Urgroßvater, Christoph, verlor durch plündernde Soldtruppen Wallenstein’s, welche das Schloß in Brand steckten, seine Besitzung, legte den Adelstitel ab, nannte sich „Nemeiz“ und starb als Rentmeister zu Halberstadt. Der Großvater Heinrich war herzoglicher Stallmeister in Daneberg, der Vater Bürgerworthalter zu Wismar, wo der Sohn Joachim Christoph den ersten humanistischen Unterricht genoß, welcher 1697 auf dem Sct. Michaelsgymnasium in Lüneburg fortgesetzt wurde. Von 1700–1703 hörte er in Rostock philosophische und juristische Collegien, und war im Begriffe, sich für die akademische Laufbahn näher vorzubereiten, als der berühmte schwedische General Graf Stenbock, ein entfernter Bekannter seines Vaters, ihm 1707 die Stelle eines Hofmeisters seiner beiden ältesten Söhne antrug. N. sagte zu und entschied hiermit über seine Zukunft, welche der Heranbildung junger Adeliger gewidmet war. 1708 bezog er mit seinen Zöglingen die Universität Lund; dort trug er nach einer 1709 pro loco gehaltenen Dissertation „De modestia historica in censuris principum observanda“ während zweier Jahre Geschichte und Staatskunst vor, und hielt [425] am 28. Februar 1711, dem Jahrestage des Sieges Stenbock’s über die Dänen bei Helsingborg im Beisein der hohen Schule und vieler Festgäste, darunter des Siegers selbst, auf diesen in der Aula eine schwungreiche Lobrede, die sofort im Druck erschien. (Oratio panegyrica in memoriam victoriae sub ductu comitis St. a Danis reportatae. Lund 1711. 4°.) Als Stenbock 1712 den durch Russen, Dänen und Sachsen bedrängten Pommern zu Hilfe kam, wurde ihm N. als Feldsecretär beigegeben. Letzterer war bei Einschiffung der Armee nach Rügen thätig, zog mit dieser durch Pommern und Mecklenburg, und wohnte dem Treffen bei Gadebusch bei, in dem die Dänen am 20. December 1712 unter Friedrich IV. von Stenbock geschlagen wurden. 1713 reiste N. mit seinen beiden Zöglingen über Westfalen nach Holland, blieb längere Zeit in Utrecht, um den wegen des Friedenscongresses dort zahlreich versammelten Diplomaten und Gesandten Aufwartung zu machen, und traf anfangs 1714 über Antwerpen und Brüssel in Paris ein, wo er sich mindestens anderthalb Jahre aufhielt und mit seinen jungen Herren dem gesammten Hofe und wiederholt Ludwig XIV. vorgestellt wurde. Im Sommer 1714 begleitete er die jungen Grafen nach Valenciennes zu dreimonatlichem Officiersdienst im de la Marc’schen Regimente, unternahm mit ihnen einen Ausflug nach London, fuhr sodann auf einem englischen Schiffe nach Göthaborg, und traf im Herbste desselben Jahres auf dem Stenbock’schen Erbgute Wapnö in Halland ein. N. bewarb sich nun in Stralsund, wohin er nach Bereinigung der väterlichen Verlassenschaft in Lübeck gegangen war, um Verwendung im Staatsdienste, jedoch vergeblich. Er übernahm daher im Frühjahre 1715 die Begleitung des jungen Grafen von Waldeck, der eben Hauptmann in einem elsässischen Regimente geworden war. Zunächst ging die Fahrt nach der Garnisonsstadt Straßburg; im Winter wurden ein paar befreundete kleine Höfe, im August 1716 Paris, und auf der Rückreise im Februar 1717 Pfalzgraf Stanislaus zu Zweibrücken und der nassau-idstein’sche Hof besucht. Während nun der junge Graf im neuen Garnisonsorte Pfalzburg blieb, wandte sich N. nach Frankfurt und besorgte die Herausgabe seines „Sejour de Paris“ betitelten, jedoch deutsch geschriebenen Führers durch Paris (Francf. 1717, 8°.), welcher wegen seiner zweckmäßigen Anordnung und seines reichen Inhaltes sehr günstig aufgenommen, 1722, 1725, zuletzt 1750 in Straßburg in stark vermehrten Auflagen neu gedruckt wurde. Die 1727 zu Leyden in zwei Bänden ausgegebene französische Uebersetzung ist ohne Wissen und Willen des Verfassers erschienen. Um die Zeit der ersten Ausgabe des Sejour etc. veröffentlichte N. in der europäischen Fama eine Gedenkschrift auf seinen (1717) zu Kopenhagen verstorbenen Gönner, Grafen Magnus Stenbock, den bedeutendsten unter den Heerführcrn Karl’s XII. Im Juni 1717 ernannte ihn Fürst Friedrich Anton Ulrich v. Waldeck zu seinem Rath und geheimen Secretär, welche Stelle er bis Ende 1720 behielt, und dann mit dem Titel eines fürstl. Hofraths ausgezeichnet wurde. In der Zwischenzeit lernte er in Bädern einige fürstliche Personen kennen, wie er denn hierzu überhaupt keine Gelegenheit ungenützt verstreichen ließ. Anfangs des Jahres 1721 finden wir ihn mit dem Naumburger Domherrn, Spiegel v. Pükelsheim[1], und dessen Bruder auf der Reise nach Italien; sie waren zu Rom wegen Ablebens Clemens XI. und der Wahl des neuen Papstes Zeugen großartiger Feierlichkeiten und Aufzüge. Im Juni heimgekehrt gebrauchte N. den Brunnen von Wildungen, trat neugestärkt 1722 als Erzieher des Prinzen Ludwig abermals in Waldeck’sche Dienste, und besichtigte mit diesem vom Juni 1723 bis October 1724 die namhaftesten Städte von Holland und Ostfriesland, unternahm im Sommer 1725 allein einen Ausflug nach Hamburg, hörte zu Halle Thomasius, Böhmer und Gundling, und gab in Leipzig als Ergebniß seiner italienischen Studien die „Nachlese besonderer Nachrichten von [426] Italien“ und den „Fasciculus inscriptionum in itinere Italico collectarum“ in Druck, deren Ausgabe Dr. Schnadenbach besorgte (Leipzig 1726). Sodann führte er die beiden Söhne des Burggrafen von Kirchberg, den er durch amtliche Geschäfte kennen gelernt hatte, auf die Universität Halle und wurde im März 1728 von dem ihm sehr geneigten Fürsten Christian Philipp v. Waldeck zum wirkl. Regierungs- und Consistorialrath, zum Synodaldirector und Inspector der Landesgymnasien ernannt. Gedachte Aemter versah er nur kurze Zeit, da er im Mai 1730 von dem Pfalzgrafen von Birkenfeld als Erzieher der beiden Prinzen berufen wurde, welche Stelle er bis zum Ableben des Pfalzgrafen (1737) bekleidete, dann aber hauptsächlich wegen Meinungsverschiedenheit über die fernere Erziehung seiner Zöglinge niederlegte. Ehrenvoll verabschiedet ließ er sich anfangs zu Frankfurt a. M., später (1740) in Rappoltsweiler, zuletzt (1743) in Straßburg nieder, dessen Magistrat ihm am 7. Mai 1743 das Bürgerrecht unentgeltlich verlieh. Während des Frankfurter Aufenthaltes schrieb er: „Vernünfftige Gedanken über allerhand Historische, Critische und Moralische Materien,“ welche mit des Verfassers Anfangsbuchstaben – J. C. N. – von 1739–1741 in vier Theilen erschienen. Jeder derselben besteht aus 14–16 „Anmerkungen“ heterogensten Inhaltes, und bekundet einen ungewöhnlichen Grad von Belesenheit. Ein weiteres Werk führt den Titel: „Memoires concernant Mr. le comte de Stenbock, avec quelques observations hist. et critiques sur ces memoires par Mr. N. (Francfort 1745), und bezweckt eine Rechtfertigung der militärischen Operationen genannten Generals im nordischen Kriege. Das Buch ist für die Biographie Stenbock’s und die Geschichte der nordischen Kriege von 1712 und 1713 von hohem Werthe, weil N. die Verhältnisse des Generals und dessen Maßregeln in jenen Kriegen aus eigener Anschauung aufs Genaueste kannte. Er erkrankte am 1. Juni 1753 an einem hitzigen Fieber, dem er am 8. desselben Monats zum Opfer fiel. N. war ein Mann von feinen Umgangsformen und vielseitigen Kenntnissen. Auf seinen ausgedehnten Reisen hatte er reiche Erfahrungen gesammelt, manch deutschen Fürsten und manch deutsche Residenz näher kennen gelernt, weshalb Memoiren aus seiner Feder über das Leben und die Zustände an deutschen Fürstenhöfen lehrreiche Mittheilungen hätten liefern können.

Strodtmann’s Neues gelehrtes Europa, IV. S. 942–969 (hier findet sich auch das vollständige Schriftenverzeichniß S. 966–69); XI. 760–764. – Dunkel, Hist.-krit. Nachrichten von verstorbenen Gelehrten, Nr. 1405, S. 322–28 u. die dort. Gen.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 425. Z. 9 v. u. l.: Peckelsheim (st. Pückelsh.). [Bd. 24, S. 787]