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ADB:Nizze, Johann Ernst

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Artikel „Nizze, Johann Ernst“ von Adolf Häckermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 744–745, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nizze,_Johann_Ernst&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 18:45 Uhr UTC)
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Nizze: Johann Ernst N., als Mathematiker und Schulmann verdient, wurde am 16. November 1788 zu Ribnitz in Mecklenburg geboren und starb am 10. Februar 1872 in Stralsund. Von seinem Vater, welcher Pastor und Präpositus war, vorgebildet, besuchte er seit Ostern 1804 das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium zu Berlin und studierte 1807 in Rostock, dann seit 1808 in Heidelberg, wo er zwei Jahre hindurch unter Anleitung von Böckh, Creuzer, Voß und Schwarz philologische Studien betrieb, und zuletzt in Jena während des Sommersemesters 1810. Durch Reisen in Süddeutschland an Erfahrung und Anschauung bereichert, übernahm er am 1. Juli 1811 die Collaboratorstelle am Friedrich-Wilhelms-Gymnasium und wurde am 18. Februar 1812 von der philosophischen Facultät zu Erlangen zum Doctor promovirt. Ostern 1812 als Conrector an das Gymnasium zu Prenzlau berufen, trat er im Februar 1813, dem Rufe des Königs folgend, als Oberjäger in die Infanterie des Lützow’schen Corps, wurde dann Secondelieutenant und drang mit dem siegreichen Heere bis in die Picardie vor; nach geschlossenem Frieden, 1814, kehrte er an das Gymnasium nach Prenzlau zurück und rückte noch während desselben Jahres zum Prorectorat auf. Da es auf der Schule an einem Lehrer der Mathematik fehlte und N. dies Unterrichtsfach zugetheilt wurde, warf er sich mit regem Eifer und glücklichem Erfolge auf die mathematischen Studien, so daß diese seit jener Zeit den eigentlichen Mittelpunkt seines wissenschaftlichen Lebens bildeten. Als Früchte derselben erschienen noch während des Prenzlauer Aufenthalts seine „Algebra“, 2 Theile, 1818–19, und kurz darauf, nachdem er 1821 als Conrector nach Stralsund berufen war, seine „Geometrie“, 2 Theile, 1821–22. In der Folge 1827 zum Professor ernannt, übernahm er 1832, seit Kirchner’s Abgange nach Schulpforta das Rectorat; was er in solcher Stellung als Leiter der Anstalt, sowie als Lehrer an den oberen Classen geleistet hat, lebt fort in der Erinnerung seiner zahlreichen Schüler, deren er mehr als 2000 herangebildet hat. In seinen wissenschaftlichen Studien wußte er die von ihm erworbenen philosophischen Kenntnisse für die Geschichte der Mathematik fruchtbringend zu verwerthen, indem er seine Thätigkeit den altgriechischen Mathematikern zuwandte. Auf diesem Gebiete veröffentlichte er 1824 „Archimedes’ Werke, deutsch“, 1826 „Theodosius’ von Tripolis Kugelschnitte, deutsch mit Erläuterungen“ und ließ 1852 den griechischen Text desselben folgen; 1856 erschien von ihm eine kritische Textausgabe des „Aristarchos von Samos über Größe und Entfernung der Sonne und des Mondes. Außer diesen größeren Werken behandelte er in Programmen und sonstigen Gelegenheitsschriften, Reden und Abhandlungen pädagogische und physikalische Gegenstände. Als im J. 1844 die Anregung zur Bildung eines Zweigvereins der Gustav-Adolf-Stiftung für Stralsund gegeben wurde, gehörte N. zu den eifrigsten Förderern desselben und trat in der am 4. September des genannten Jahres abgehaltenen constituirenden Generalversammlung als Schriftführer in den Vorstand, übernahm 1848 den Vorsitz in demselben und hat in dieser Stellung und zugleich als pommerscher Abgeordneter zum Gesammtausschuß in Berlin während zweier Jahrzehnte und bis in sein Greisenalter hinein die [745] Zwecke dieser Stiftung kräftig gefördert, in seiner sicheren und entschiedenen Weise alle versuchten Einwirkungen confessioneller Engherzigkeit zurückweisend. Auch die Provinzialgewerbeschule, sowie die königliche Navigationsschule in Stralsund sind, was ihre Gründung, Berathung und Beaufsichtigung anbetrifft, N. dankbar verpflichtet. Im J. 1848 als Abgeordneter des Franzburg-Rügenschen Wahlkreises zur Nationalversammlung nach Frankfurt berufen, gehörte er mit seinem Freunde E. M. Arndt zu jener Partei, welche die deutsche Kaiserkrone auf Preußens Königshaupt setzen wollte und wirkte, in die Heimath zurückgekehrt, im Kreise seiner Mitbürger auch ferner für die nationale Idee, die seine Seele ganz erfüllte, rathend, mahnend, belehrend, klärend und reinigend, indem er lange Jahre im Bürgerverein allwöchentlich zu seinen Genossen sprach oder in öffentlichen Versammlungen sich über die Angelegenheiten des Vaterlandes, seine Bedürfnisse und die Forderungen der Gegenwart in beredter Weise erging. Am 20. April 1860 feierte das Gymnasium sein dreihundertjähriges Bestehen und dies ward zum Jubelfest für den Director, in dessen Persönlichkeit sich das mitlebende Geschlecht fast gewöhnt hatte, die Anstalt verkörpert zu sehen. Er selbst feierte die fünfzigjährige Jubelfeier seiner Lehrthätigkeit im folgenden Jahre. Michaelis 1865 trat er in den Ruhestand und verlebte die letzten Jahre in beschaulicher Heiterkeit und im freudigen Hinblick darauf, das Ziel seiner Jugendträume in der Wiedergeburt des deutschen Reiches verwirklicht zu sehen; selbst ein unglücklicher Fall, der ihn zuletzt ans Zimmer fesselte, raubte ihm den Gleichmuth der Seele nicht. Der Taufwunsch seines Pathen, er möge ein braver deutscher Mann werden, hat sich an ihm im vollsten Sinne des Wortes erfüllt.

Stralsunder Zeitung 1872, Nr. 37. – Biederstedt, Nachrichten u. s. w., Stralsund 1822, S. 89. – Zober, Geschichte des Stralsunder Gymnasiums, Strals. 1860. VI, 36 f. – Stralsunder Michaelisprogramm, 1866, S. 21 f. – Unsere Zeit, N. Folge, Bd. VIII, S. 720 f.