Zum Inhalt springen

ADB:Oelsner, Johann Wilhelm

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Oelsner, Wilhelm“ von Adolf Schimmelpfennig in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 341–343, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Oelsner,_Johann_Wilhelm&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 07:15 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Oltard, Andreas
Band 24 (1887), S. 341–343 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Wilhelm Oelsner in der Wikipedia
Johann Wilhelm Oelsner in Wikidata
GND-Nummer 117105317
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|24|341|343|Oelsner, Wilhelm|Adolf Schimmelpfennig|ADB:Oelsner, Johann Wilhelm}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117105317}}    

Oelsner: Johann Wilhelm Oe., Geheimer Commerzienrath, hervorragender Industrieller und des vorigen jüngerer Bruder, am 6. Juli 1766 in Goldberg geboren, sollte Kaufmann werden und sich für diesen Beruf auf dem Gymnasium in Liegnitz, in welches er nach dem Tode des Vaters 1780 eintrat, besser vorbereiten, als dies auf der Schule seiner Vaterstadt geschehen konnte; doch war die Mutter verständig genug, den dringenden Bitten ihres lernbegierigen Sohnes, der sich den Wissenschaften widmen wollte, nachzugeben und ihm das Studium zu gestatten. Wohl vorbereitet, bezog er 1786 die Universität Halle, wo Friedrich August Wolf seit 1783 griechische und römische Litteratur und Antiquitäten lehrte. Von den Vorlesungen desselben bezaubert, trat Oe. mit Bernhardy, Ideler, Fülleborn und Etzler in das von Wolf 1787 eröffnete philologische Seminar und wurde einer seiner Lieblingsschüler. Er hat seinem gefeierten Lehrer lebenslang das dankbarste Andenken bewahrt und als sprechendes Zeugniß seiner Verehrung, als seine Mittel ihm eine solche kostspielige Huldigung gestatteten, dessen von Tieck in carrarischem Marmor ausgeführte Büste in seiner Bibliothek aufgestellt. Im J. 1790 kehrte Oe. in die Heimath zurück, übernahm aushilfsweise die Vertretung eines Lehrers am Breslauer Elisabethan und wurde 1791 zu dessen Substituten ernannt. Aber die bloße Lehrthätigkeit in der Schule genügte ihm nicht; er wünschte erziehlich zu wirken und errichtete in Gemeinschaft mit seinen Freunden Reiche und Etzler 1794 ein Privaterziehungsinstitut, verbunden mit einem von ihm geleiteten Pensionat. Es war die erste Anstalt dieser Art in Breslau; sie kam schnell in Aufnahme und zählte nach wenig Jahren 100 Schüler, die in 6 Classen unterrichtet wurden und nach Vollendung des Cursus entweder sofort in das praktische Leben oder, wenn sie studiren wollten, noch auf ein Jahr in die Prima eines Gymnasiums eintraten, um sich vollends für die Universität vorzubereiten. Die ersten Familien Schlesiens vertrauten dieser Anstalt ihre Söhne an. Inzwischen war Oe. 1802 zum Professor am Elisabethan befördert und 1804 an Fülleborns Stelle zum Director des Seminars für gelehrte Schulen ernannt worden. Allein Niemand entgeht seinem Schicksal; was Oe. als Jüngling um keinen Preis hatte werden mögen, sollte er als gereifter Mann werden. Er hatte hin und wieder kleine Aufsätze über Handel und Gewerbe veröffentlicht; eine Brochüre unter dem Titel: „Welches ist der Gesichtspunkt, aus dem man Schlesien überhaupt, besonders aber in Rücksicht seiner Leinwand- und Tuchfabriken betrachten muß? Patriotische Ideen von einem Schlesier, veranlaßt durch den bei den gegenwärtigen Conjuncturen auf den 30. Juni 1807 in Breslau angesetzten Wollmarkt“, 35 S., hatte seinem Oheim, einem reichen Tuchkaufmann Breslaus, so vorzüglich gefallen, daß dieser ihn letztwillig zum Erben seiner Tuchhandlung einsetzte, „damit er“, wie im Testamente ausdrücklich gesagt ist, „bei seinen mit großem Eifer betriebenen Schulgeschäften sich nicht um Gesundheit und Kräfte bringe“. Oe. überließ daher das blühende Institut seinem Freunde Reiche und [342] übernahm 1809 die Handlung seines verstorbenen Oheims. Es mögen für ihn sorgenvolle Zeiten gewesen sein, als 1811 die russische Regierung die Einfuhr schlesischer Tuche nach Rußland verbot, doch wurden diese Verluste durch die Tuchlieferungen wiederersetzt, welche Oe. 1813–1815 für einen Theil der preußischen Armee übernahm. Nach dem Friedensschluß war sein Hauptaugenmerk auf die Wiederherstellung der für Schlesien verlornen Tuchausfuhr nach Rußland gerichtet. Es gelang ihm, den Staatskanzler Hardenberg durch ein umfassendes Memorial für seine Ideen zu gewinnen und der preußische Gesandte in Petersburg, General Schöler, unterhandelte im Auftrage seiner Regierung so glücklich, daß die russische Grenze dem schlesischen Handel 1817 wieder geöffnet wurde. Leider dauerte der glücklich wiederhergestellte Verkehr nur wenige Jahre. Obschon die schlesischen Tuche zum größten Theile gar nicht in Rußland blieben, sondern über Kiachta nach China exportirt wurden, wurde ihre Einfuhr dennoch 1821 aufs neue verboten; ein Verbot, welches den Wohlstand vieler schlesischer Städte schwer geschädigt hat und dessen Nachwirkungen sich noch heute fühlbar machen. Oe. war indeß in der Zwischenzeit nicht müßig gewesen. Die Wichtigkeit der für die Wollspinnerei damals neu erfundenen Maschinen erkennend, hatte er sich mit 3 andern Großkaufleuten Breslaus zusammengethan und in den Gebäuden des säcularisirten Klosters Trebnitz, die ihnen von der Regierung zu diesem Zwecke überlassen wurden, eine Wollgarnspinnerei errichtet. Die nöthigen Maschinen waren durch Cockerill aus England bezogen worden. 1818 wurde die Fabrik in Betrieb gesetzt und, da die anfänglich gesponnenen 4 Assortimente Garn bald auf 12 vermehrt werden mußten, 1820 eine Dampfmaschine aus England verschrieben und aufgestellt. 1823 übernahm Oe. die Fabrik auf eigene Rechnung, kaufte 1825 von der Regierung die Gebäude und erweiterte die Spinnerei zu einer Fabrik für feine und Mitteltuche, in welcher 300–400 Arbeiter schon 1827 dauernd beschäftigt wurden. Oe. wurde Commerzienrath und Geheimer Commerzienrath, ist aber im Grunde seines Herzens doch Philologe geblieben. Seine Bibliothek war sein Stolz und ihre Vervollständigung eine seiner Hauptsorgen. Sie bestand 1836 aus 18,000 Bänden, enthielt die griechischen und römischen Classiker suitenmäßig gesammelt, viele editiones principes, Incunabeln und eine Menge seltener Drucke. Mit ihr verbunden war eine große Karten- und eine, viele alte, seltene Blätter enthaltene Kupferstichsammlung, so wie eine reiche Sammlung von Münzen. Seine schriftstellerische Thätigkeit anlangend, so hat die „Deutsche Anthologie zum Erklären und Deklamiren in Schulen“, vor 50 Jahren eines der wenigen Hilfsbücher zur Einführung der Jugend in die poetische Litteratur der neuern Zeit, Oelsner’s Namen in ganz Schlesien berühmt und populär gemacht. Sie entstand aus einer unter dem Titel: „Poetisches Bouquet, gepflückt aus den Gärten der vorzüglichsten deutschen Dichter“ 1798 anonym erschienenen planlosen Sammlung von 74 größeren und kleineren Gedichten. Als 1805 eine neue Auflage nöthig wurde, übernahm Oe., der als praktischer Schulmann die Bedürfnisse der Schule kannte, auf Wunsch des Verlegers die Besorgung derselben. Sie enthielt 147 Gedichte in zwei Abtheilungen, vom Leichtern zum Schwerern fortschreitend; aus der ersten Ausgabe waren nur 36 herübergenommen worden. In dieser neuen Gestalt fand das Buch allgemeinen Beifall; jede neue Ausgabe, welche erschien, war eine verbesserte und vermehrte und noch als Geheimer Commerzienrath hat er an der Vervollkommnung seiner Anthologie gearbeitet. Die sechste Auflage von 1839 enthielt in vier Abtheilungen mehr als 500 Stücke. – Eine von Oe. in Verbindung mit Reiche 1806 herausgegebene Monatsschrift culturgeschichtlichen Inhalts: „Schlesien ehedem und jetzt“, konnte sich unter den damaligen unglückseligen Zeitverhältnissen nicht halten und ging nach einem [343] Jahre wieder ein. Technologische Aufsätze existiren von ihm in großer Zahl; sie finden sich zerstreut in den schlesischen Provinzialblättern, in den Schriften der schlesischen Gesellschaft und in der technischen Monatsschrift. Litterarisch thätig war er bis in sein hohes Alter; sein letzter Aufsatz datirt aus dem J. 1844. Oe. starb am 13. November 1848.

Nowack, Schlesisches Schriftsteller-Lexikon 1836, Bd. 1, 117 ff.