ADB:Overweg, Adolf
G. Rose’s Leitung seine Studien fort und verdankte in erster Linie der Empfehlung dieses Gelehrten seine Anstellung als Begleiter der J. Richardson’schen[WS 1] Sudanexpedition, welche im December 1849 über Marseille und Bona nach Tunis ging, um von hier die Landreise nach Tripolis zu machen, ebenso wie die erste Unterstützung seitens der Berliner Gesellschaft für Erdkunde in der Höhe von 1000 Thalern. Die Cholera, um derentwegen die Insel Dscherba abgesperrt war, verhinderte die Ausführung dieses Planes und O. kam mit Barth, der nur infolge der Aufnahme Overweg’s in die Expedition sich ebenfalls angeschlossen, am 18. Januar zu Tripolis an. Als Richardson hier einige Tage später eintraf, zeigte es sich, daß die Vorbereitungen zur Reise in den Sudan noch Wochen in Anspruch nehmen würden und die beiden Deutschen ergriffen die Gelegenheit, das Gariângebirge in einer 22tägigen Reise zu erforschen. Dieser Vorbereitungsausflug wurde zu einer Entdeckungsreise, da weder über die Topographie und Geologie noch über die historische Geographie dieses Gebietes auch nur Genügendes vorher bekannt gewesen. Man muß bedenken, daß in dieser Zeit die Auffassung der Sahara als eines großen Tieflandes, wenn nicht einer auf weiten Strecken unter dem Meeresspiegel liegenden Senke noch nicht überwunden war, um zu verstehen, daß die Bestimmung dieses Bergzuges als des erhobenen Randes der nordafrikanischen Wüsten-Hochebene allein schon eine Entdeckung von Gewicht und von bedeutenden Consequenzen für die Geographie war. Von O. stammt der seitdem übliche Name Gariân-Hochfläche. O. arbeitete allerdings mit unzulänglichen Instrumenten. Die Aneroide, welche Richardson mitgebracht, erwiesen sich als unbrauchbar und die Schwierigkeiten der Messung mit dem Kochthermometer, auf welche O. angewiesen war, sind bekannt. Immerhin gewann er Resultate, die weit über den bisherigen standen. Wichtig war aber vor allem die geologische Basis, welche er den topographischen Erhebungen zu geben vermochte. Wenn O. selbst nur Fragmente seiner Studien veröffentlicht hat, so erkennen wir doch aus Barth’s Briefen, wie O. dessen topographische Auffassung bestimmt. „Mir treten nur die Verschiedenheiten der Gestaltung und die verschiedenen Oberflächen [20] zum Bewußtsein“, sagt jener in einem Briefe, den er nach der Reise in die Gariânberge schrieb. Auf dem von der gewöhnlichen Route abweichenden Wege über Garija und Wadi el Hesfi, den die Expedition nahm, nach Mursuk ging O. zwei Drittheile zu Fuß, sammelte zahlreiche geologische Handstücke und bestätigte die erst nur geahnte Fortsetzung der Gariânhochfläche in das von Wadis an wenigen Stellen tiefer eingeschnittene und von einigen Tafelbergen überragte Wüstenplateau. Der Gebirgszug des westlichen Harudsch, den noch Kiepert kurz vorher eingezeichnet, verschwand vor seiner genauen Beobachtung ebenso wie die „Basaltkegel“ Lyons’, Denham’s, Richardson’s, welche sich als geschwärzter Sandstein erwiesen. Ebenso wie die Briefe Barth’s, erfüllt auch die Overweg’s in diesem ersten Theile der Reise der Ausdruck forschungsfreudiger Zuversicht. Der Weg nach Bornu liegt offen, aber die Reisenden sind entschlossen, „nicht diesen Weg zurückzukehren, sondern über Darfur oder Abyssinien oder aber, die ganze Höhenkette Centralafrikas durchschneidend, am indischen Meere wieder aufzutauchen“ (Barth’s Brief datirt Mursuk 20. Mai). O. schrieb an C. Ritter: „Jetzt habe ich wieder mit frohem Muthe den Wanderstab und den Hammer ergriffen“ (datirt Tayretin 14. Juni 1850). Es ist bezeichnend, daß, während sie ihren Weg nach Westen nahmen, sie vorsichtshalber einen Darfurneger als Diener mietheten, um auf seine Sprachkenntnisse beim Rückweg über das obere Nilgebiet sich stützen zu können. In dieser Stimmung, welche körperliche Frische voraussetzt, schieden die Reisenden von Mursuk, wo bisher alle europäischen Reisenden schwere Krankheiten durchzumachen hatten. Der Weg über Aïr nach Bornu stellte O. die wichtigste Aufgabe, die dem Entdeckungsreisenden zufallen kann, Orte und Gebiete von bisher unbekannter oder verworrener Lage durch Bestimmung ihrer geographischen Länge und Breite zu fixiren. Die Karten dieser Region zeigten „unendlich falsche“ Punkte, wie Barth speciell von Kieperts Zeichnung von Aïr sagt und erfragte Wegverzeichnisse, wie sie z. B. Richardson geboten hatte, mußten als unbrauchbar bei Seite gelegt werden. O. lieferte die erste astronomische Bestimmung von Aïr, während Barth diese Landschaft, darin Richardson folgend, aber mit besseren Gründen, mit dem schon länger bekannten Asben identificirte. Die erst durch diese Barth-Overweg’sche Reise zum Rang einer wissenschaftlichen Erkenntniß erhobene Anschauung der West- und Centralsahara als eines vorwiegend gebirgigen Landes verdankt wesentlich O. ihre geologische und topographische Begründung. Leider hatte ihm die Beschleunigung der Reise von Mursuk bis Ghat, wo sie am 17. Juli ankamen, wenig Zeit zu eingehenderen Studien gelassen. Auch die ersten 14 Tage nach dem Verlassen Ghats war die Reise eine rasche, doch gelangen O. manche anziehende Beobachtungen, vorzüglich nach dem Uebergang aus dem Gebiet des Sandsteins in das des Gneises und Granits, der bei Egeri geschah. Während Barth immer nur mit halbem Herzen diesen Weg nach Westen zog, der ihm eine Ablenkung von der Hauptaufgabe, der Enthüllung der Wassersysteme Centralafrikas, zu sein schien, fand O. sich in der „wahrhaft imposanten, durchaus gebirgigen, von höheren und niederen Fels-(Granit-)zügen durchschnittenen Landschaft“, rasch heimisch. Er athmete auf als er am 28. August von Selufiet, 2 Tagereisen von Tintellust, an C. Ritter schrieb: „So hätten wir denn die große Wüste hinter uns und stünden an dem Thore Sudans. Wir sind in eine neue Welt gelangt“. Am 4. oder 5. September traf die Karawane der Reisenden nach gefährlichen Angriffen, die sie seitens der Kelui erfahren, in Tintellust, einem bisher selbst dem Namen nach unbekannten Orte, ein, wo sie, schlecht geschützt durch die schwachen Autoritäten, nur zufällig einem neuen Ueberfall entging. An der glücklich ausgeführten und ergebnißreichen [21] Reise nach Aghǎdes, welche Barth in der Zeit des Wartens in Tintellust ausführte, betheiligte sich weder O. noch Richardson, sondern diese traten kurz vor der Rückkehr Barth’s die Reise über Damergu nach Bornu an, waren aber sammt diesem, welcher schon nach wenigen Tagereisen sie einholte, gezwungen, noch Wochen im Gebiet von Aïr zu verweilen und erst am 12. December brachen sie von Tinteggăna auf, vereinigten sich zwei Tage darauf mit der Salzkarawane von Bilma, überschritten gerade am 1. Januar 1851 den ödesten Theil des Plateaus, welches sie vom tiefer liegenden Sudan trennte, erreichten kurz darauf die Grenze des Bornuanischen Tributstaates Damergu und lagerten vom 7. Januar an einige Tage an einer Lagune beim Dorfe Tadschelal. Um einen möglichst weiten Raum forschend zu umfassen, trennten sich hier die Reisenden am 11. Januar, indem nur Richardson geradeaus nach Kuka ging, während Barth Ende Januar 1851 in Kano ankam und sich erst von da über Gummel nach Kuka wandte. O. aber ging von Zinder westwärts nach Mariadi und Gober, kam am 1. April nach Zinder zurück und traf erst am 6. oder 7. Mai 1851 in Kuka ein, von wo Barth ihm entgegenritt, um ihm den Tod Richardson’s († 3./4. März 1851) und gleichzeitig aber den ermuthigenden Empfang zu melden, den er selbst bei dem Scheich von Bornu gefunden und der nun auch O. erwartete. Während Barth sich zur Reise nach Adamaua rüstete, plante O. ein Vordringen nach Baghirmi, da das früher ins Auge gefaßte Kanem wegen der Feindschaft zwischen Bornu und Wadai und den gerade damals beginnenden Einfällen der Uled Sliman als kein günstiger Angriffspunkt erschien. Als Barth am 29. Mai 1851 von Kuka nach Adamaua aufgebrochen war, begann O. alsbald das mit Mühe soweit gebrachte Boot, auf welchem der Tsadsee untersucht werden sollte, mit Hülfe arabischer Zimmerleute in Stand zu setzen, und da der Scheich seinem Plane, die Inselvölker zu besuchen, sich günstig zeigte, ihm zu diesem Zwecke den Häuptling eines mit den unabhängigen Seebewohnern, den Budduma, befreundeten Kanembu-Ortes zuwies und Geschenke zum Tauschhandel freigebig zur Verfügung stellte, konnte O. am 28. Juni in Begleitung zweier Buddumaböte seine Fahrt antreten. Dieselbe ging von Brih, dem einzigen Orte am See, wo damals Bornuaner und Budduma friedlich verkehrten, nach den Inseln der Budduma, von denen er freundlich aufgenommen ward (30. Juni). Er landete auf mehreren Inseln, besuchte die Dörfer der Budduma und erreichte die Nähe der noch nie von einem Europäer besuchten Ostküste in einer doppelt so kurzen Entfernung als sie von Denham angegeben und den bisherigen kartographischen Darstellungen des Sees zu Grunde gelegt worden war. Er fand die Tiefe zu 10–15 Faden und das Wasser frisch und klar. Durch die Feindschaft zwischen den Bewohnern der Ostküste und den Budduma an eingehender Untersuchung der östlichen Theile des Sees verhindert, kehrte O. am 8. oder 9. August nach Maduari zurück. Ueber das letzte Lebensjahr Overweg’s hat Barth, der am 22. Juli nach Kuka zurückgekehrt war, im 3. Bande seines großen Reisewerkes ausführlich berichtet. O. hatte im August 1851 (Petermann gab im Athenaeum vom 15. November 1851 den 8. August an) die Befahrung des Tsadsee abgeschlossen, die ihn nicht nur die physikalische Geographie dieses merkwürdigen seichten Beckens, sondern auch auf zahlreichen Inseln, die er besuchte, eine eigenthümliche, unabhängige Bevölkerung kennen lehrte, welche die Reste eines einst am festen Lande viel weiter verbreiteten Volkes darstellt. Die Expedition hatte aus England eigens zu dieser Unternehmung ein Boot mitgebracht und Overweg’s Aufnahmen vermittelst desselben schienen einen Lohn der schweren Arbeit zu verheißen, welche Transport und Zusammensetzung desselben verursachten. Gesünder als er von Kuka abgereist [22] war, kam er am genannten Tage nach Maduari zurück und sein Plan war, gemeinsam mit Barth eine Reise nach dem Nordosten in die Landschaft von Borgu und Wadjanga zu machen. Politische Verhältnisse ließen denselben nicht zur Reife kommen, worauf Barth am 11. September seine Reise nach Kanem antrat. Kurz nach der Rückkehr Barth’s aus Kanem verließen beide Reisende neuerdings (21. November 1851) Kuka, um sich einem Feldzuge nach Mándara anzuschließen, der im späteren Verlaufe die bis dahin von Europäern nicht besuchte Landschaft von Musgu erreichte und an den Ufern des Serbenel Halt machte. Die Strapazen dieses Zuges griffen beide Reisende hart an, ließen aber O. noch Kraft, Dinge zu vollbringen, die der sonst energische und zähe Barth nicht mehr leisten konnte, wie z. B. die Besteigung der Höhen von Wasa. Dagegen blieb O. zurück, als Barth mit einem Trupp der Armee den Zug nach dem südlichsten Punkte Wulia mitmachte. In Kuka entwarf dann O. den Plan in Gesellschaft des ihm befreundeten Kuschelle Kótoko von Ngornu den Tsadsee neuerdings zu bereisen, während Barth seine Reise nach Baghirmi antrat (4. März 1852), wobei O. ihn bis Ngornu begleitete. Als Barth am 20. August aus Masẽna zurückkehrte, ritt ihm O. bis Ngornu entgegen. O. war zwei Monate früher von seiner interessanten Reise in die südwestlichen Gebirgsgegenden Bornus zurückgekehrt, welche vom 24. April bis 22. Mai dauerte, und hatte seitdem in Kuka kränkelnd verweilen müssen, wo unterdessen am 24. Juni die lange erwartete europäische Post mit neuen Geldmitteln und Waaren, die England sandte, angekommen war. O. hatte die freudige Nachricht dieser Thatsache, die die bisher beengte Lage der Reisenden wesentlich verbesserte, durch einen Courier an Barth gelangen lassen. Barth fand seinen Gefährten „schwächer und erschöpfter aussehend“ als jemals vorher, doch war das Wiedersehen der Reisenden, die beide in den letzten Monaten Bedeutendes geleistet hatten, nichtsdestoweniger ein freudig gehobenes. Und umsomehr, als sie durch diese endlich eingetroffenen Sendungen aus Europa sich neue Mittel zur Verfügung gestellt und aus der hemmenden und beschämenden Dürftigkeit sich befreit sahen, welche sie gezwungen hatte, von dem zögernd gewährten Credit bornuanischer Kapitalisten Gebrauch zu machen: „Wir hätten nunmehr, schreibt Barth, wenn auch nur mit mäßigen Mitteln, recht Bedeutendes leisten können, wäre es uns beschieden gewesen, beisammen zu bleiben; aber während im Anfang alle unsere Anstrengungen durch die Geringfügigkeit unserer Mittel, welche keine umfassenderen Unternehmungen gestatteten, gelähmt worden waren, wollte es nun unser Geschick, daß, als endlich hinlängliche Mittel eingetroffen waren, Einer von uns Beiden erliegen sollte“. O. sehnte sich nach Luftveränderung. Er kam mit Barth überein, seine Tsadstudien durch Erforschung des Komadugu zu vervollständigen und reiste am 29. August nach Adjiri ab. In seinem geschwächten Zustand machte er nur wenige Beobachtungen, zu denen aber die werthvolle Erkenntniß des periodischen Steigens und Austretens dieses Flusses gehört. Am 13. September nach Kuka zurückgekehrt, erkrankte er ernstlich nach einer Durchnässung auf der Jagd, wurde auf seinen Wunsch von Barth nach Maduari gebracht, wo er nach heftigem Fieber (Barth nennt es in dem Briefe an Petermann, der die Todesnachricht mittheilt: „ein sechstägiges Erschlaffungsfieber“) am Sonntag, den 27. September, Morgens 4 Uhr verschied. Er ruht an selbstgewählter Stelle am Ufer des Tsadsees, wo Barth ihm noch am Nachmittage des Todestages selbst das Grab im Schatten einer Hadschibisch bereitete.
Overweg: Adolf O., Afrikareisender, geb. am 24. Juli 1822 zu Hamburg, † am 27. September 1852 zu Maduari bei Kuka am Tsadsee im Lande Bornu. O. machte, nachdem er das Johanneum in Hamburg besucht, seine Studien in Bonn und Berlin, widmete sich hauptsächlich der Geologie und promovirte 1847 zu Bonn mit einer Schrift über den geologischen Bau der Umgegend von Siegen. Darauf setzte er unter ProfessorO. besaß die körperliche und geistige Rüstigkeit, welche ein Forschungsreisender in diesen schwierigsten Theilen Afrikas in erster Linie nöthig hat. Bis zu seiner Todeskrankheit hatte er fieberfrei die gefährlichsten Wege zurückgelegt. Er hatte [23] sich nur zuviel zugemuthet und zog es z. B. vor, auch wo es nicht geboten war, zu Fuß zu gehen. Schon in Ghat schrieb Richardson in sein Tagebuch, daß O. infolgedessen an Mattigkeit leide. Aber auch in den letzten Nachrichten Overweg’s (sein letzter Brief ist vom 14. August 1852 datirt) fand sich nie eine Hindeutung auf körperliches Uebelbefinden. Um so schmerzlicher wurde sein Tod empfunden, dessen Nachricht in dem Augenblicke in London eintraf, am 20. Februar 1853, als Eduard Vogel im Begriffe stand, sich in Southampton nach Afrika einzuschiffen. Seine Berichte, deren geringe Zahl und Kürze von der Fülle der Nachrichten, welche Barth nach Europa gelangen ließ, gewaltig absticht, zeigen ihn als scharfen und vielseitigen Beobachter. Er war geschult für seine Aufgabe. Petermann nennt ihn den besten Astronomen und Geologen, der jemals Centralafrika erreicht habe. Er scheint rasch die Haussasprache gelernt und auch an den Gestaden des Tsadsees sich bald mit den Einheimischen vertraut gemacht zu haben. Seine Ausflüge nach Gober und zu den gefürchteten Budduma liefen außerordentlich glatt ab. Barth wirft ihm aber vor, daß er, an die Möglichkeit eines frühen Todes nicht denkend, seine Notizen, für Andere unleserlich, auf kleine Papierschnitzel und mit Bleistift geschrieben habe, und daß er zuviel Zeit mit den Diensten vergeudet habe, welche er Anderen, wie z. B. dem Scheich von Bornu leistete. „Wären alle von ihm nach und nach gesammelten Nachrichten und gewonnenen Anschauungen zu den meinigen hinzugekommen, so würden diese Länder jetzt viel besser bekannt sein, als es der Fall ist.“ Es widerspricht dieser Klage einigermaßen, daß Barth, als er in Kuka den Nachlaß Overweg’s ausgeliefert erhielt, die Tagebücher „gleichsam im Vorgefühl, daß er die Heimath nicht wiedersehen sollte, mit großer Sorgfalt gehalten“ fand. Doch erklärt sich dieser Widerspruch wohl daraus, daß, nach Petermann’s Angaben, dem Ritter von Bunsen den Nachlaß Overweg’s zur Ordnung übergeben hatte, wohlgeordnete mit Tinte geschriebene Tagebücher über große Abschnitte der Reise vom October 1849 bis Ende Juni 1852 sich in demselben vorfanden, während über andere, ebenfalls beträchtliche Abschnitte, und besonders über die Reisen des letzten Jahres nur Bleistiftnotizen vorlagen, die meistentheils unleserlich waren. Uebrigens muß man, um gerecht zu sein, erwägen, daß immer der Beobachter der Völker auf Reisen einen leichteren Stand hat, als der Topograph oder Geolog. Er kann schätzbare Aufnahmen im Flug machen, er findet sich in Aufzeichnungen und Traditionen vorgearbeitet und endlich lassen sich ethnographische und völkergeschichtliche Beobachtungen viel leichter auch als Fragmente in annehmbare Form bringen. Dafür sind häufig die Ergebnisse des Letzteren, wenn minder glänzend, von um so dauernderem Werthe. Und es ist keine Frage, daß zur wissenschaftlichen Läuterung des großen und wirren Begriffes Sahara gerade O. am meisten beigetragen hat. Die Kenntniß der Sahara nach Richardsons geographisch unbedeutender Publication verhält sich wie eine Depression zu der durch O. und Barth erstiegenen Höhe. Richardson’s Angaben hatten hauptsächlich nur negativen Werth, indem sie doppelt scharfe Kritik und damit Beobachtung herausforderten. In Briefen aus Mursuk giebt Barth ergötzliche Beispiele von der Verwirrung, in welche die verkehrten Angaben, besonders Richardson’s, die europäischen Geographen und Kartographen versetzt hatten. Wenn er aber dort sagt: „Wir hoffen, auch hier den Gelehrten Europas eine klare Anschauung des Landes zu verschaffen“, so haben ohne Zweifel die Orts- und Höhenbestimmungen Overweg’s zur Erfüllung dieses Bestrebens am meisten beigetragen. Barth schrieb noch aus Kuka mit den Ausdrücken der höchsten Erwartung von den Arbeiten Overweg’s in Mariadi und Gober und hat sich erst durch den freilich nicht zu verschmerzenden Verlust [24] der Notizen Overweg’s über seine Arbeiten im Tsadseegebiet und durch die Größe seiner eigenen Aufgaben und Leistungen, als er einsam auf dem Schauplatze der gemeinsamen Bestrebungen zurückgeblieben war, in der Schätzung der Thätigkeit seines Gefährten herabstimmen lassen. Die ursprünglich beabsichtigte Theilung der Arbeit zwischen beiden Forschern erklärt es auch, daß O. die Sorge für das Historische und Ethnographische seinem Gefährten Barth überließ, und dies mag eine gewisse Unbekümmertheit um die Rechtschreibung der Ortsnamen entschuldigen, welcher ja gerade Letzterer so große Aufmerksamkeit schenkte. O. schrieb, wie er hörte, und seine geographische Orthographie ist daher nicht immer consequent. Jedenfalls kann aus dem, was O., „der kenntnißreiche und verständnißvolle Reisende“, wie sein Nachfolger in der Erforschung des Tsadsees, Nachtigal, ihn nennt, in gesunden Tagen geleistet hat, der Schluß gezogen werden, daß die Ergebnisse, die er der wissenschaftlichen Welt geboten haben würde, wenn es ihm vergönnt gewesen wäre, ebenso heil wie Barth nach Europa zurückzukehren, eine nicht viel kleinere Summe von neuen Entdeckungen auf physikalisch-geographischem Gebiete dargestellt haben würde, als Barth im historisch-ethnographischen Felde zu bieten hatte. O. war ein edler Charakter, voll Selbstverläugnung und reiner Hingebung an seine Zwecke. In allen seinen Berichten tritt sein Ich in den Hintergrund, aus allen leuchtet heiterer Muth, der überall, selbst tief im Inneren Afrikas, ihm viele Freunde machte. Sein Körper war durch Turnen und Fußreisen gestählt. Ein Bildniß Overweg’s brachte die Illustrirte Zeitung 1853.
- Ueber Dr. H. Barth und Dr. Overweg’s Begleitung der J. Richardson’schen Reiseexpedition zum Tschadsee und in das innere Afrika. Zwei Sonderabdrücke der Briefe an die Ges. f. Erdkunde zu Berlin und ihre Mitglieder. Von C. Ritter und T. E. Gumprecht. 1850 und 1852. – H. Barth’s Entdeckungsreisen in Nord- und Centralafrika. 5 Bde. 1857/58. – A. Petermann, Die letzten Tage Dr. Adolf Overweg’s. Z. f. allg. Erdkunde. I. – Narrative of a Mission to Central Africa, performed in the years 1850–51 by the late James Richardson. 1853. – K. Arenz, Die Entdeckungsreisen in Nord- und Mittel-Afrika von Richardson, Overweg, Barth und Vogel. 1857.