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ADB:Palleske, Emil

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Artikel „Palleske, Emil“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 99–100, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Palleske,_Emil&oldid=- (Version vom 4. Oktober 2024, 05:56 Uhr UTC)
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Palleske: Emil P., dramatischer Vorleser und Schriftsteller, geb.am 5. Juni 1823 in Tempelburg in Pommern, † am 28. October 1880 in Thal bei Eisenach. P. verlebte eine frohe, von beengenden Fesseln freie Kinderzeit, bevor er das Gymnasium in Stettin bezog. Beglückt denkt er noch am Ende seiner Laufbahn jener sonnigen Tage, die seinem Gemüth die Gabe, in dieser Welt immer nur die „liebe weite Gotteswelt“ zu sehen, und seiner Seele hohen idealen Schwung verliehen, der sich nie verleugnete. Früh erwachte in ihm die Zuneigung für die dramatische Kunst und nur der Wunsch der Mutter ließ ihn, mit dem Vorsatz Theologie zu studiren, nach Berlin ziehen. Dort aber gewann er es nicht über sich, den eigenen Drang zu ersticken, studirte Philologie und Geschichte, namentlich die Geschichte des Dramas und bereitete sich durch das Studium größerer Rollen zum Schauspieler vor. Denn als solcher wollte er Erfahrungen sammeln, um sie später als dramatischer Dichter zu verwerthen. Es gelang ihm, dem gefeierten Schauspieler Theodor Döring nahezukommen, aber was ihm einst sein Gönner, der Bischof Ritschl in Stettin, als unerläßlich für den guten Redner bezeichnet hatte und was ihm fehlte, das Zungen-R, machte Döring jetzt auch zur Vorbedingung für den guten Schauspieler. Mit unermüdlichem Fleiß gelang es P., den Mangel zu beseitigen und nun verschaffte ihm Döring ein Engagement bei Director Voigt in Posen (1845). 1846 trat er in großen Helden- und Characterrollen am Stadttheater zu Stettin auf und erhielt infolge dieser Leistungen einen Ruf an das Hoftheater in Oldenburg als zweiter Characterspieler. Die an diesem, damals musterhaften Kunstinstitut, dem Stahr und Mosen nahestanden, verlebten Jahre wurden in vieler Beziehung die wahre Schule auch für den Vorleser P. Als Schauspieler gelang es ihm nicht, eine Bedeutung zu erringen, das äußerlich Wirksame war ihm auf diesem Gebiet versagt, er verinnerlichte die ihm gewordene Aufgabe so stark, daß er den plastischen und mimischen Ausdruck darüber vernachlässigte. Um so eindringlicher wirkte er bereits damals als Vorleser und nicht nur der Erfolg, den er als solcher beim Großherzog, bei Collegen und in befreundeten Familien fand, ließ ihn endlich den schauspielerischen [100] Beruf aufgeben, um den des Vorlesers zu ergreifen; auch die dankbare Aufgabe, ein ganzes Drama wiederzugeben, die Freiheit in der Wahl des Vorzutragenden, die größere Ungebundenheit der äußeren Lebensverhältnisse, wissenschaftliche und dichterische Neigungen wirkten bei diesem Wechsel bestimmend mit. Ein Ziel, welches P. lange vorgeschwebt hatte und welches in nichts Geringerem bestand, als dem deutschen Volk ein griechisches Theater mit freiem Eintritt zu erwirken und diesem Theater eine Tragödie im griechischen Sinne und mit Chören zu schenken, ward mit jenem Wechsel natürlich dauernd aufgegeben, aber besser als in dem Ringen nach so Unerreichbarem, erfüllte er in seinem neuen Wirken die Aufgabe, die ihm die höchste galt: den Lebensfunken des Ideals zur Flamme zu entfachen und sein Dasein allen sichtbar werden zu lassen. 1851 zog P., der sich bereits 1848 in Paris vermählt hatte, nach Berlin über, später lebte er in Weimar und siedelte sich endlich in dem reizenden thüringischen Waldort Thal an. Von 1850–80 las P. an mehr als 3000 Abenden und nicht nur in Deutschland und Oesterreich, auch in Holland und England, in Rumänien und Rußland recitirte er mit stets sich gleichbleibendem Beifall die Hauptdramen Shakespeares und unserer Classiker, die Sophokleischen Dramen und Scherenbergs Schlachtenbilder und seit 1864 auch die Dichtungen Fritz Reuters. Seine Auffassung des Vorgetragenen war stets bedeutend, der Vortrag selbst in Aussprache, Stimmverwendung und Steigerung ein wahrhaftes Kunstwerk, dessen Wirkung so wenig dem feingebildeten Kenner wie dem einfachen Mann gegenüber versagte. Er belebte die Dichtungen und verlieh ihnen durch die einheitliche Auffassung oft noch größere Wirkungen als sie die Bühnenaufführung zu geben vermag. Wie tief er in das Wesen seiner Kunst eingedrungen ist, wie hoch er aber auch ihren Werth und ihren Einfluß schätzte, beweist sein letztes Werk: „Die Kunst des Vortrags“ (Stuttgart 1880), von dem 1884 eine zweite von Herm. Fischer durchgesehene Auflage herausgegeben worden ist. Weit größere Kreise als dieses Buch hat Palleske’s Schrift „Schillers Leben und Wirken“ (Berlin 1858, 12. v. H. Fischer herausgegebene Aufl., Stuttgart 1886) gezogen, das namentlich durch die wohlthuende Wärme der Behandlung und die Frische der Darstellung ein Volksbuch im besten Sinn geworden ist. 1879 gab P. als eine weitere Frucht seiner Beschäftigung mit Schiller unter dem Titel „Charlotte“, Gedenkblätter an Charlotte v. Kalb heraus. Die Dramen, welche P. nach Ausgabe seiner Schillerbiographie in den 50er Jahren hat erscheinen lassen, fanden achtungsvolle Aufnahme, ohne sich dauerndes Leben sichern zu können. Weitaus das reifste und gelungenste ist „Oliver Cromwell“ (Berlin 1857); im „König Monmouth“ (Berlin 1858) fesselt die treffliche Characteristik und auch „Achilles“ (Göttingen 1855) weist, obgleich in der Anlage nicht glücklich, gute Eigenschaften auf. Doch nicht auf schriftstellerischem und poetischem Gebiete, so Gutes P. auch auf ihm geleistet, liegt der Schwerpunkt seiner Thätigkeit, sondern in seinem Wirken als Vorleser. Richtig sagt einer seiner verständigsten Beurtheiler (Beibl. z. Magdeb. Ztg. Nr. 13, 1881): Tausende haben sich an seinem Talent erfreut, Tausenden hat er das Verständniß für die Heroen unserer Geisteswelt eröffnet und wenn er die Seele der Hörer durchdrang mit dem Lichte aus den Höhen, wenn er das schlafende Gedankenleben wachrief durch sein mächtiges, dem Dichter entliehenes Wort, wenn er unseren großen Todten neu belebte durch kraftvollen Seelenlaut, dann durfte er wohl mit Recht an die Wirkung seiner Existenz, an seine Mission glauben.