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ADB:Pelargus, Christoph

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Artikel „Pelargus, Christoph“ von Rudolf Schwarze in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 328–330, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pelargus,_Christoph&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 16:47 Uhr UTC)
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Pelargus: Christoph P. (Storch), protestantischer Theologe, geboren am 3. August 1565 in Schweidnitz, † am 10. Juni 1633 in Frankfurt a. O. Sein Vater Johannes P., welcher 38 Jahre lang das Pfarramt und die Superintendentur in Schweidnitz verwaltete († 1599), huldigte in den confessionellen Streitigkeiten jener Zeit einer vermittelnden Richtung, in welche auch der Sohn früh vom Vater, und später auf dem Gymnasium in Breslau gelenkt wurde. Auf der Universität Frankfurt aber, wohin er sich 1583 begab, um Theologie zu studiren, fand er das strenge Lutherthum der Concordienformel zur Herrschaft gelangt, wie ein Gleiches damals nicht blos in den Marken, sondern auch in dem benachbarten Pommern und Sachsen der Fall war. Dieser Strömung gegenüber hielt der junge Theologe mit seinen, auf Melanchthons Corpus doctrinae christianae sich stützenden Ansichten anfangs vorsichtig zurück, gewann aber durch eine große Anzahl gewandt geschriebener Dissertationen, deren 80 er bereits 1593 in einer ersten Sammlung vereinigte, den Beifall stimmführender Persönlichkeiten, so daß er nicht blos ungewöhnlich schnell die Stufenleiter akademischer Würden erstieg (er ward 1584 Magister, 1586 Professor der Philosophie, 1589 Licentiat und 1591 Professor der Theologie), sondern auch schon in seinem 30. Lebensjahre 1595, nach des Christoph Cornerus Tod (s. A. D. B. IV, 499) zum Generalsuperintendenten der Mark Brandenburg vom Kurfürsten Johann Georg ernannt wurde. Noch günstiger für P. schienen sich bald darauf die Verhältnisse mit dem Regierungsantritte Joachim Friedrichs (1598) zu gestalten (s. A. D. B. XIV, 86). Denn dieser, in der Hoffnung, die schroffen Gegensätze unter den protestantischen Confessionen zu mildern, beschloß gewisse Cerimonien, welche sich in den märkischen Kirchen noch aus der katholischen Zeit erhalten hatten, wie die Processionen auf den Kirchhöfen, die Elevation des geweihten Brodes und Kelches, abzuschaffen; doch bald nöthigte ihn die Besorgniß der Stände vor weiteren Concessionen an den Calvinismus zu dem Versprechen das Lutherthum zu schützen, sowie die Concordienformel als Norm der märkischen Kirche anzuerkennen. Als daher P. im J. 1603 (wiederholt 1609) ein Compendium der christlichen Lehre für Schulen (schola doctrinae christ.) herausgab, beruft er sich gleich auf dem Titel als Quelle auf die heil. Schrift, die Kirchenväter, Luther und die Concordienformel. Ein gelehrter Commentar aber, den er über des Johannes Damascenus († um 760) vier Bücher de orthodoxa fide unter dem Titel einer „Epitome universae theologiae“ herausgab (1605, 2. Aufl. 1607), enthielt soviel Anklänge an calvinische Lehren, daß seine Gegner ihn deßhalb zur Verantwortung vor das Berliner Consistorium zogen. Doch wurde der Sache keine weitere Folge gegeben, um so mehr, als er schon 1606 eine Schrift „de fractione panis eucharistici“ veröffentlichte und dann gegen einen aus dem calvinistischen Lager kommenden Angriff des Daniel Candidus (pseudonym für David Pareus) durch eine Dissertation vertheidigte, in welcher er den von den Lutheranern beibehaltenen Gebrauch der Oblaten beim Abendmahl als aus den ältesten Zeiten der Kirche stammend nachweisen wollte, eine Ansicht, welche er freilich später wieder aufgab. Bewies Joachim Friedrich noch kurz vor seinem Tode dem P. durch Ernennung zum Visitator des 1607 in Joachimsthal eröffneten Gymnasiums sein Vertrauen, so erwarb dieser sich auch bald das seines Sohnes Johann Sigismund, (s. A. D. B. XIV, 169) welcher ihn 1610 zu sich nach Preußen berief, als er die dortigen Vormundschafts- und Successionsverhältnisse zu regeln versuchte. Dem P. blieb [329] daher unzweifelhaft die Hinneigung des Kurfürsten zum calvinischen Bekenntniß nicht unbekannt und der entscheidende Schritt, welchen derselbe am 25. December 1613 in Berlin durch die Abendmahlsfeier nach reformirtem Ritus that, konnte ihn nicht überraschen; auch suchte er den Kurfürsten nur vor übereiltem Vorgehen besonders in Bezug auf das Brotbrechen, zurückzuhalten. Dabei war es eine besondere Fügung, daß kurz vorher, am 31. August 1613, der Pfarrer Wenzel in Frankfurt gestorben war und nun P. dessen Amt mit seiner Professur und Generalsuperintendentur zu verbinden wünschte, wie vor einigen Decennien auch Andreas Musculus diese drei Aemter bekleidet hatte. Der Magistrat aber, ehe er sich für seine Wahl entschied, forderte von P. eine verdammende Erklärung gegen den Calvinismus, welche dieser auch gab. Somit durfte er jetzt seine Stimme nicht erheben zu Gunsten des Kurfürsten und zur Beschwichtigung der durch die Vorgänge in Berlin aufgeregten Gemüther. Daß er sich aber nicht offen auf die Seite der lutherischen Eiferer stellte, erbitterte diese auf das äußerste und da in der Mark der Kurfürst durch das Edict vom 24. Februar 1614 dem öffentlichen ungebührlichen Schelten und Schmähen Andersgesinnter steuerte, sah sich P. bald von einigen jener Zeloten in Pommern und Sachsen – dem Prediger Cramer in Stettin, dem Superintendenten Schlüsselburg in Stralsund, dem Hofprediger v. Hoë in Dresden – mit den ärgsten Schmähungen überschüttet und, nicht ohne Grund, der Halbheit und Unbeständigkeit beschuldigt. Die Antwort, zu der er sich endlich gedrängt sah, war würdig, aber zurückhaltend; heftiger trat für ihn sein junger Freund Johann Bergius in die Schranken und der Federkrieg dauerte fort, selbst nach der Erklärung des Kurfürsten vom 5. Februar 1615, „daß Jeder im Lande, der da wolle, könne bei der unveränderten Augsburgischen Confession und auch dem Concordienbuch verbleiben“. Ja der Zorn loderte von neuem gegen P. auf, als dieser 1616 sein Compendium von 1603 wesentlich in calvinistischem Sinne geändert wieder herausgab, sich für dieses Vorgehen sowie andere Retractationen auf Augustin’s Beispiel und seine inzwischen gewonnene bessere Einsicht berufend. Ein Pamphlet von äußerster Heftigkeit, welches der aus Berlin entlassene frühere Hofprediger Simon Gedicke gegen den „zum abscheulichen Mamluck und abtrünnigen Calvinisten gewordenen P.“ schleuderte, beschloß im J. 1617 auf gegnerischer Seite diese Fehde. P. aber, der da meinte, daß auch bei abweichenden Ansichten über Fragen, welche nicht zu den Fundamentalartikeln gehörten, die Einigkeit im Geiste bewahrt werden könne, promovirte am 30. Juni jenes Jahres fünf reformirte Theologen zu Doctoren und fungirte als Redner am 4. November bei der großen Säcularfeier der lutherischen Reformation in Frankfurt. Allmählich ließ auch der in Böhmen entbrannte große Krieg die evangelischen Confessionen ihre inneren Streitigkeiten für einige Zeit vergessen; ja P. erlebte es noch, daß in dem Leipziger Colloquium 1631, wo auch sein früherer Mitstreiter Joh. Bergius, nunmehr Hofprediger in Berlin (s. A. D. B. II, 385), und sein heftiger Gegner Hoë sich die Hände reichten, wenigstens der Versuch gemacht wurde die vorhandenen Gegensätze auszugleichen. Aber dasselbe Jahr brachte auch für P. Tage bitterer Noth in Folge der Erstürmung Frankfurts durch Gustav Adolf, nachdem die Einwohner schon vorher durch Krieg und Seuchen hart bedrängt worden waren. Auch vielfache Todesfälle in seiner Familie trübten des P. letzte Lebensjahre. Seine Gattin, eine Tochter des Professors der Theologie Christoph Albinus, verlor er 1630, von seinen Kindern überlebten ihn nur drei Töchter und der jüngste Sohn Gottlieb, welcher als Professor der Theologie 1672 kinderlos starb, so daß mit ihm des P. Stamm in männlicher Linie erlosch. Die reichhaltige Bibliothek, welche P. gesammelt hatte, ward von seinen Erben der Universität übergeben und ist mit dieser 1811 nach Breslau übergesiedelt. [330] Die drei Aemter, welche er zugleich verwaltete, kamen nicht wieder in eines Einzigen Hand. Dem zu seinem Nachfolger im Pfarramt erwählten Simon Ursinus wurde nur zögernd und auf kurze Zeit (1639–40) die venia legendi in der theologischen Facultät ertheilt. da diese sich immer mehr zu einer reformirten gestaltete. Die Generalsuperintendentur der Mark ward zuerst vom Kurfürsten dem Joh. Bergius angeboten; dieser aber schlug, die veränderten Verhältnisse berücksichtigend, vor, den weltlichen Räthen des Consistoriums in Berlin noch einen reformirten und einen lutherischen Geistlichen für die Angelegenheiten der beiden Confessionen zuzugesellen, als welche (1637) sodann Bergius selbst und der Propst zu St. Petri, Joh. Koch ernannt wurden. So hatte Georg Wilhelm, ganz im Sinne seines Vaters, die Einheit der beiden Schwesterkirchen bei voller Gewissensfreiheit gewahrt, wie diese Union sich gleichsam als erster Versuch durch die Cumulation der Aemter in der Person des Pelargus vollzogen hatte.

Becman, notitia univ. Francof. 1706 p. 122–133. – Spieker, Gesch. der Marienkirche zu Frankfurt a. O. 1835, S. 251–270. – H. Hering, Histor. Nachricht v. d. ersten Anfang d. reform. Kirche in Brandenburg 1778. – Fr. Brandes, Gesch. d. kirchl. Politik des Hauses Brandenburg I. 1872.