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ADB:Spieker, Christian Wilhelm

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Artikel „Spieker, Christian Wilhelm“ von Heinrich Pröhle in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 162–164, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spieker,_Christian_Wilhelm&oldid=- (Version vom 13. November 2024, 23:26 Uhr UTC)
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Spieker: Christian Wilhelm S., eigentlich Spiker, sehr fruchtbarer Schriftsteller, besonders auf dem Gebiete der populären Theologie. Er wurde am 7. April 1780 geb. zu Brandenburg an der Havel und studirte in Halle. Im J. 1800 machte er mit anderen Studenten eine Gebirgswanderung, die er 1803 unter dem Titel „Meine Reise von Halle nach dem Brocken“ schilderte. Er wurde in Halle Lehrer an der lateinischen Schule und dem Pädagogium. Beide gelehrte Schulen der Francke’schen Stiftungen unterschieden sich hauptsächlich dadurch, daß das letztere für wohlhabende Kostgänger bestimmt war, was Goedeke nicht richtig auffaßt. 1805 wurde S. in Halle Feldprediger. 1807 ging er nach dem nahen Dessau, welches gleichfalls noch für das Schulwesen eine wichtige Provinz war. Hier war er besonders Jugendschriftsteller: „Die glücklichen Kinder“ 1808 und „Vater Hellwig“ 1808–1810. Indessen versuchte er 1808 und 1809 ohne Zweifel auch im Saaledepartement des neuen Königreichs Westfalen festen Fuß zu fassen, was er später vertuschte. Außer der Schrift „Die Lage der Juden“ gab er 1809 auch das „westfälische Taschenbuch“ heraus. Durch dasselbe wurde er an seinem deutschen Vaterlande keineswegs zum Verräther. Doch hatte es auf der anderen Seite auch wenig zu bedeuten, daß sich auf dem Titelbilde Hutten und Sickingen die Hand reichten: an Preußens Zukunft glaubte der Herausgeber des westfälischen Taschenbuches nicht. Er ließ darin auch die Harzreise von 1800 wieder abdrucken, veränderte sie aber so, daß sie mit der Schlacht bei Jena in eine keineswegs tadelnswerthe Verbindung gesetzt wurde. Aus den Commilitonen, mit denen er die Reise gemacht hatte, wurden nun seine Zöglinge. Er selbst nannte sich den Informator Herold. Auch in dieser Bearbeitung der Reise trat besonders ein Abenteuer im Walde hervor, welches auf ihn als Theologen für alle Zeit den größten Einfluß übte und ihn vielleicht erst zum Erbauungsschriftsteller gemacht hat. An der Stelle des gänzlich verschwundenen Benedictinerklosters Dammersfeld (Thankmarsfelde) hatte 1787 der Fürst von Anhalt-Bernburg (Ballenstedt) eine Meierei durch mennonitische Schweizerhirten einrichten lassen. Unbegreiflicher Weise verirrte sich nun S. mit seiner Schar auf dem Wege von Ballenstedt nach dem Stubenberge so sehr im Walde, daß er diese Hirtenfamilie, zwei Mennoniten mit langen wallenden Bärten, eine Frau und vier blühende Jünglinge und Jungfrauen in kleidsamer Schweizertracht, wenn auch angemeldet durch gefährliche [163] Hunde bei der Abendandacht fand. Das Ereigniß machte einen solchen Eindruck auf S., daß er nach einem halben Jahrhundert, als er seine vielen Andachtsbücher bereits geschrieben hatte, diese Meierei wieder aufsuchen und 1852 in einem zweiten (eigentlich dritten) Abdrucke seiner Harzreise darüber Mittheilung machen wollte. Er gerieth aber dabei noch ein bis zwei Stunden weiter ab vom Stubenberge nach dem Wilhelmshofe, den er ganz mit Unrecht als jene Meierei ansah. Hierauf schrieb Gustav Heyse, ein Oheim Paul Heyse’s, seinen freilich noch weit sinnigeren und anziehenderen Aufsatz „Dammersfeld“. Er erzählte, daß die Meierei 1816 abgebrochen sei. Die jungen Hirten und Hirtinnen seien nach der Schweiz zurückgekehrt. Nur die Gräber der alten Mennoniten seien ihm in der tiefsten Waldeinsamkeit von der alten Försterin auf dem Sternhause an einem (nicht ohne Sentimentalität beschriebenen) sehr schönen Punkte nachgewiesen worden. Da man jetzt alle Stellen dieser Gebirgsgegend mit ihrem Wilde durch die hochaufsteigende schmalspurige Eisenbahn genießt, so dürfte nun bei Dammersfeld von gebildeten Reisenden wol oft der Name Gustav Heyse und S. genannt werden. Wenn dagegen Goedeke vor mehreren Jahrzehnten schrieb, daß S. noch fortlebe durch seine Erbauungsbücher, so ist zu bezweifeln, ob dies auch heute noch gilt. Goedeke hebt „Emiliens Stunden der Andacht“ (7. Aufl. 1855) hervor. Von dem „Andachtsbuche für gebildete Christen“ erschien 1867 die 10., von den „christlichen Abendandachten“ 1840 die 2. Aufl., von „des Herrn Abendmahl“ 1846 die 6., die „Morgenandachten“ erschienen 1831. „Das Gesangbuch für Schulen“ erlebte 1828 die 5. Auflage. Mehrere Werke von S. handelten über die Reformation, über die brandenburgische besonders das von 1839. Biographieen erschienen von ihm 1831 über Zarmont, 1845 über den Generalsuperintendenten Brescius, 1858 über Andreas Musculus und 1835 über Leopold von Braunschweig. 1853 gab S. die Geschichte von Frankfurt an der Oder heraus, wo er auch das „patriotische Wochenblatt“ redigirt hat. Im Katalog der k. Bibliothek zu Berlin füllt das Gesammtverzeichniß seiner Schriften mehr als drei Folioseiten. Die Lebhaftigkeit, die sich in seiner litterarischen Thätigkeit zeigte, sprach sich auch in dem persönlichen Auftreten des nur mittelgroßen Mannes noch in seinen letzten Lebensjahren aus. Seine vorsichtige Haltung bei der Herausgabe des westfälischen Taschenbuches hatte es möglich gemacht, daß dessen Herausgeber noch in demselben Jahre (1809) als Diakonus und als außerordentlicher Professor der Theologie an der absterbenden Universität Frankfurt a. O. nach Preußen zurückgekehrt war. 1813 und 1814 begleitete er die kurmärkische Landwehr als begeisterter Prediger und wurde 1818 Superintendent. Er starb in Frankfurt am 10. Mai 1858 im Alter von 78 Jahren.

Mit der Umwandlung seines Namens Spiker in Spieker begann er spätestens 1809. Der Name seines Vetters, des Redacteurs (s. d.) ist noch an dessen Todestage auf der Spener’schen Zeitung „Spiker“ gedruckt. In neuerer Zeit kommt der Name Spieker bei folgenden Schriftstellern und vornehmen Beamten vor: 1) Hans Hugo Gustav S. wurde am 7. December 1817 in Frankfurt a. O. geboren. Er war ein Neffe von Christian Wilhelm S. und folgte seinem Vater nach Cosel und Glatz. Da dieser indessen als Major a. D. die Leitung der Post an einem kleinen Ort übernahm, brachte er den Sohn wieder von 1835 bis 1837 nach Frankfurt als Gymnasiasten in das Haus des „Professors“. Der Sohn wurde Prediger und Seminardirector und endlich preußischer Geheimer Regierungs- und Provinzialschulrath in Hannover, wo er vielleicht noch lebt. 1887 erschien dort zu seinem 70. Geburtsfeste seine Biographie. 2) Johannes S., starb am 18. April 1858 als nassauischer Kirchenrath. 3) P. S., Oberbaudirector im Ministerium für öffentl. Arbeiten in Berlin.

[164] Gustav Heyse, Dammerfeld, in dessen Beiträgen zur Kenntniß des Harzes, S. 40–70, wiederholt bei H. Pröhle, Harz und Kyffhäuser. S. 143–147. – Goedeke, Grundriß III, S. 1255, 1256. – Brockhaus’ Conversationslexikon 11. Aufl. XIII, S. 921. – Ueber Johannes S. Oettinger, moniteur des dates (1869) S. 77.