ADB:Pemfflinger, Marcus
[344] weise in der Ausführung, voll hohen Geistes und nie zu erschütternden Muthes“. Obgleich nicht aus der Mitte des sächsischen Volks hervorgegangen, verwuchs er dennoch in kürzester Zeit so sehr mit dem gesammten Leben desselben, daß er als die edelste Verkörperung dessen angesehen werden kann, was sein Volk im 16. Jahrhundert auf politischem und religiösem Gebiete gedacht und erstrebt hat. P. war, wie schon sein Name beweist, von echt deutscher Abstammung. Seine Familie nach der übereinstimmenden Annahme aus Schwaben stammend wanderte im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts in Ofen ein und bestand außer dem Vater Stefan P. und dessen Gattin aus drei Söhnen: Stefan, Sebastian und Marcus, wahrscheinlich auch noch aus einer Tochter Katharina, welche mit Valentin Török verheirathet war. Vielleicht hat erst der Vater Stefan P. seine deutsche Heimath mit Ungarn vertauscht, wo er das Schloß Dioschgyör mit der Verpflichtung seiner Vertheidigung besaß, wenigstens erinnert in einem Briefe vom 2. September 1536 Stefan P. der Sohn den König Ferdinand daran, wie seine Eltern und sein Bruder Sebastian in gefahrvollen Zeiten jenes Schloß vertheidigt hätten und wie seine Mutter von den Feinden gefangen und viele Monate im Gefängniß gehalten worden sei, nur allein wegen jener Burg. In wieweit der Besitz des Schlosses auch auf die beiden ältern Söhne übergegangen sei, läßt sich nicht bestimmen, doch ist’s Thatsache, daß Beide in demselben gestorben sind, Sebastian am 3. Mai 1536, Stefan am 21. Mai des folgenden Jahres. Alle drei Brüder haben übrigens ihr ganzes Leben hindurch dem ungarischen Thron treue Dienste geleistet, sind mit ganz besonderer Treue zu Ferdinand, dem König aus deutschem Haus gestanden und haben für dessen Interesse in Ungarn hingebungsvoll und nachhaltig gewirkt. Ihr Ansehen war groß; sie zählten unter die Magnaten des Reiches und bekleideten hervorragende Aemter, indem Stefan Graf der königl. ungarischen Kammer und Schloßverwalter in Ofen, Marcus aber Graf der Sachsen war.
Pemfflinger: Marcus P., Königsrichter von Hermannstadt und als solcher zugleich Graf der sächsischen Nation in Siebenbürgen in den Jahren 1521–1537, kurze Zeit hindurch auch Graf der königl. Münzkammer in Hermannstadt, ist eine der hervorragendsten und anziehendsten Gestalten unter den Männern, welche berufen waren an der Spitze ihres Volkes in dem auf dem Vertrauen der Krone ebenso wie der Nation ruhenden Ehrenamt eines Sachsengrafen die Geschicke ihrer Volksgenossen zu leiten. Er war „ein Mann klug im Rath undWann und wo Marcus P. geboren wurde ist unbekannt, doch stand er bereits vor der Thronbesteigung Ludwigs II., – 1516 – in der bedeutenden Stellung eines Unter-Reichsschatzmeisters. Als im J. 1521 der Sachsengraf Johann Lulay starb, kam P. nach Hermannstadt und heirathete dessen Wittwe Maria Tobiaschi. Durch diese Ehe, aus welcher ein Knabe „Hansyko“ entsprang, wurden ihm mächtige Anverwandte und große adelige Besitzungen zu Theil, auf welche und wol auch auf des Königs Gunst gestützt er sich eifrig um die erledigte Stelle des Sachsengrafen bewarb. Die Sachsen wollten nichts davon wissen, das höchste Ehrenamt in ihrer Mitte, das von ihrer freien Wahl abhing, einem Fremdling, wenn er auch ein Deutscher war, zu übertragen. Der König aber forderte, entgegen dem freien Wahlrecht der Nation, sie sollten ihm geeignete Männer in Vorschlag bringen, aus denen er dann Einen bestimmen wolle. Ob sie sich fügten ist ungewiß, doch wurde P. jedenfalls wesentlich durch die Entscheidung der königlichen Machtvollkommenheit im J. 1521 zum Königsrichter von Hermannstadt und damit zugleich zum Grafen der sächsischen Nation eingesetzt. Der Antritt dieses hohen und einflußreichen Amtes sowie die weitere Führung desselben durch P. fallen in eine Zeit großer Bewegung auf kirchlichem wie auf politischem Gebiete. Auf beiden ist er dem Volke, zu welchem er nun gehörte, als Führer die Wege vorangegangen, welche der Genius desselben verlangte. Als er in der neuen Heimath sich niederließ, hatte der Gedanke der Kirchenverbesserung auch Siebenbürgen bereits ergriffen und vor allem die Sachsen in ihre Kreise hineingezogen. Außer den Schriften der Reformatoren brachten auch Prediger, welche aus deutschen Landen kamen, den neuen Geist unter das Volk. In Hermannstadt selbst erhoben sich als solche zugewanderte Prediger der neuen Lehre Ambrosius der Schlesier und Conrad Weich. Der Gefahr, die ihnen [345] deßhalb von den Gegnern drohte, entgingen sie nur durch Pemfflinger’s mächtigen Einfluß. Umsonst beschloß der im April 1523 zusammentretende Reichstag Tod und Güterverlust als Strafen für „ketzerische“ Ansichten und Lehren; umsonst erließ König Ludwig II. einige Tage darauf ein Schreiben an den Rath von Hermannstadt voll strengen Tadels über das Umsichgreifen der verpönten Lehren; umsonst kämpfte das Hermannstädter Capitel mit Acht und Bann gegen den Geist der neuen Zeit. P. hielt seine nach oben und unten einflußreiche Hand schützend über die Anhänger Luthers und mit ihm standen die angesehensten Rathsherren auf ihrer Seite. Die Lehrer der Schulen, vor allem der Rector Johann Myldt, welche vom Rath in ihre Stellen berufen wurden, huldigten dem neuen Geist und der Zorn des geistlichen Capitelsgerichts vermochte ihnen nichts anzuhaben. Ja so gewaltig war der Schutz Pemfflinger’s, den das Gewicht seiner Person dem vom Volke gebilligten Werk der Kirchenverbesserung gewährte, daß ein früherer Dominikanermönch, nun eifriger evangelischer Prediger, vor der Verfolgung des Stadtpfarrers Martin Huet im J. 1525 in das Haus des Sachsengrafen sich flüchtete und dort unangefochten blieb, obgleich P. zu der Zeit in Ofen beim Reichstage sich befand. Bei dieser offenen Parteinahme für die reformatorische Bewegung ist es nicht zu verwundern, daß die Hermannstädter Mönche über den „Dominus magnificus“ laute Klagen erhoben und daß selbst Ludwig II. sich zuletzt veranlaßt sah, in zwei Erlässen an P., deren letzter am 21. Juli 1526 gegeben ist, diesem seinen Unwillen kund zu thun mit der strengen Aufforderung, „bei Verlust seiner Würden und Güter dahin zu wirken, daß der katholische Glaube wiederhergestellt und durch Bestrafung der Abtrünnigen die Ruhe der Kirche erhalten werde“. Wie weit es dem Könige Ernst mit dieser Drohung war, ist nicht gewiß, doch war jedenfalls die Zeitlage für ihre Durchführung nicht günstig, denn bereits erdröhnte der Boden Ungarns unter den Fußtritten der 200,000 Krieger, mit welchen Sultan Soliman heranrückte, dem ungarischen Reich Verwüstung und Untergang bereitend. In der allgemeinen Verwirrung, welche vor und nach der Niederlage bei Mohatsch Alles erfaßte, traten die kirchlichen Angelegenheiten immermehr in den Hintergrund. Doch das Werk der Kirchenverbesserung nahm gleichwol unter den Sachsen einen gedeihlichen Fortgang und als im J. 1529 Hermannstadt in Gefahr stand, von seinen Feinden eingeschlossen zu werden, da erhielt der Dominikanerconvent vom Rathe den Befehl, die Stadt zu verlassen. P., die treibende Kraft alles dessen, was damals in Hermannstadt geschah, stand natürlich dieser Maßregel nicht ferne, durch welche einige einflußreiche aber politisch nicht zuverlässige Elemente aus der Stadt entfernt werden sollten. Wenn Marcus P. schon in den weniger bewegten Jahren vor 1526 als ein Mann vor uns steht von hervorragender Stellung, einflußreicher Wirksamkeit und großem persönlichen Einfluß, so tritt das Alles noch weit stärker hervor in dem stürmischen Jahrzehnt nach der Unglücksschlacht von Mohatsch. Schon am 10. November 1526 wurde der mächtige Statthalter von Siebenbürgen Johann Zapolya gegen die bestehenden Verträge durch die magyarische Nationalpartei in Stuhlweißenburg zum Könige gewählt und sofort mit der Krone des hl. Stefan gekrönt. Dadurch kamen die Sachsen, welche das Erbfolgerecht Ferdinands anerkannten, in eine schwierige Lage. Gleichwol nahmen sie, von P. geleitet, von allem Anfang eine wenn auch vorsichtige doch Zapolya gegenüber ablehnende Haltung an. Mittel zur Kriegführung, welche er von ihnen verlangte, verweigerten sie; auf dem Reichstag zu Ofen im Frühjahr 1527, wohin er auch P. mit einigen Genossen eingeladen hatte, erschienen diese nicht und die 1000 Reiter, welche er im Mai desselben Jahres von der sächsischen Nation forderte, wurden nicht beigestellt. Drei Monate später fanden sich wol die Vertreter der Sachsen, unter ihnen auch der Sachsengraf, bei dem Landtag [346] in Mediasch ein, welcher von Zapolya dahin berufen worden war, aber diese Thatsache war ein Ergebniß der äußeren Zwangslage und nicht der geänderten politischen Gesinnung. Denn zu derselben Zeit verhandelte P. im Auftrage Ferdinands mit Peter, dem Woywoden der Moldau, im Geheimen, um ihn zu einem Bündniß gegen Zapolya zu bewegen und kurze Zeit nach Schluß des Landtags bedrohte dieser die Sachsen wegen ihrer fortgesetzten Widerspenstigkeit mit gänzlicher Vernichtung. Um so schmerzlicher mußte es für P. sein, daß er trotz alle dem von Georg Reicherstorffer, einem Sachsen, welcher von Ferdinand gesendet im Sommer 1527 nach Siebenbürgen kam, um die Sachsen zur Aufnahme des offenen Kampfes zu bewegen, verrätherischer Gesinnung bei Ferdinand geziehen wurde und daß sogar seine Ermordung von demselben soll geplant gewesen sein. Doch die grundlose Beschuldigung blieb erfolglos bei dem besser unterrichteten Könige, der wie aus einem seiner Briefe vom 15. Februar 1528 hervorgeht, nach wie vor P. zu den hervorragendsten und zuverläßigsten Stützen seines Rechts in Siebenbürgen zählte.
Mittlerweile hatte sich die politische Sachlage wesentlich geändert. Ferdinand wurde am 3. November 1527 von seinen Anhängern auf einem ebenfalls in Stuhlweißenburg zusammengetretenen Reichstag zum ungarischen König ausgerufen und gekrönt; sein Gegenkönig geschlagen und verlassen floh nach Polen. Ferdinands Anhänger mehrten sich allenthalben und es gelang dem Sachsengrafen Marcus P., selbst einige hervorragende Führer des Szeklervolkes für den rechtmäßigen König günstig zu stimmen. Aber abgesehen von den Sachsen fehlte die Begeisterung und Opferwilligkeit für die ergriffene Sache. Ferdinands Abgesandte Graf Nogarola und Stefan P., unterstützt von Marcus P. und einigen Magnaten, waren nicht im Stande die im April 1528 zu Thorda tagenden siebenbürgischen Stände zu bewegen, einen sechsmonatlichen Sold für ein Heer von 4000 Mann zu bewilligen. Selbst die Parteiführer waren zu solchem Geldopfer um so weniger geneigt, als einestheils die Macht des Königs zu helfen bezweifelt, anderntheils vielfach das böswillige Gerücht ausgesprengt wurde, Ferdinand habe die völlige Ausrottung der magyarischen Nation und Sprache im Sinne. So lief denn das für den „deutschen König“ in Siebenbürgen mühsam zusammengebrachte Heer nach wenigen Wochen wieder auseinander und die Sympathien der Magyaren und Szekler für Zapolya, welcher inzwischen nach Ungarn zurückgekehrt war, gewannen wiederum die Oberhand. – So brach das Jahr 1529 an und mit ihm erhob der Schrecken des Krieges wie in Ungarn so auch in Siebenbürgen mächtig sein blutiges Haupt. Die Sachsen insbesondere geriethen in die größte Noth. Von Osten her brach der Moldauer Woywode Peter wiederholt auf eigene Faust ins Land und zog verwüstend von Kronstadt durchs Szeklerland bis hinauf nach Bistritz. Von Süden aus der Walachei kam im Laufe des Sommers der Bojare Dragan und drang sengend und plündernd bis zum Dorfe Großau nördlich von Hermannstadt. Von Klausenburg her kamen wiederholt Truppen Zapolya’s bis vor Hermannstadt und suchten dessen Umgegend heim. Auch die übrigen Gegenden des Sachsenlandes und dessen Städte hatten allenthalben mit feindlichen Scharen Kämpfe zu bestehen. P. war unermüdlich, all’ diesen Bedrängnissen abwehrend entgegen zu treten. Im März ließ er die sächsische Universität eine Kriegssteuer von 17,000 Gulden, dazu die Aufstellung von 1000 Büchsenschützen und 1000 Reitern beschließen. Im Juni zog er vereint mit Valentin Török und Stefan Majláth den Szeklern gegen den Moldauer Peter zu Hilfe. Am 22. Juni kam es zur Schlacht bei Marienburg. Sie ging verloren durch den Abfall und die Flucht der Szekler, denen die Hilfe gegolten. Mit Mühe rettete sich P. nach Hermannstadt. Doch dies Mißgeschick entmuthigte ihn nicht. Im October zog er mit einem sächsischen Aufgebot der Stadt [347] Mediasch zu Hilfe; im November entsetzte er das eingeschlossene Mühlbach; im December wieder vertrieb er den Feind aus der Gegend von Mediasch und Schäßburg. Aber all’ diese Rührigkeit mußte auf die Dauer erfolglos bleiben, da Ferdinand von den Türken bedrängt weder Geld noch Soldaten für Siebenbürgen übrig hatte und die Kräfte der Sachsen nicht ausreichten, um den zahlreichen Anhängern Zapolya’s Stand zu halten. Für Marcus P. hatte übrigens dies unheilvolle Jahr auch viel persönliches Mißgeschick im Gefolge. Es hatte ihn fast zum Bettler gemacht nicht nur durch die bedeutenden Geldsummen, welche er für die Sache seines Königs aus Eigenem oder aus Anlehen verausgabt hatte, sondern auch durch den Verlust seiner siebenbürgischen Güter. Wie er schon im J. 1524 dem Könige Ludwig II. zur Bestreitung seines Hofhaltes 2000 Goldgulden vorgestreckt hatte, so waren die Ausgaben, die er für Ferdinand zu Kriegszwecken leistete, bis zum Schluß des Jahres 1528 auf 12000 Goldgulden angewachsen. Zur Entschädigung für diese Summe bat er den König schon im J. 1529 um die Verleihung gewisser Güter „in regno Germaniæ“. Ferdinand berücksichtigte diesen Wunsch insoweit, daß er im genannten Jahr seinem getreuen und opferfreudigen Anhänger die Burg Bálványosch im nördlichen Siebenbürgen und dazu noch die unter dem Namen „Zwanzigst“ bestehenden königlichen Zolleinkünfte in Kronstadt verschrieb. Nun aber wurden von Zapolya sämmtliche Güter Pemfflinger’s im October 1529 eingezogen und seine Familienbesitzungen an verschiedene Parteigänger Zapolya’s vertheilt, die Burg Bálványosch dagegen dem Moldauer Woywoden Peter vergabt. Damit aber nicht genug war der schwer heimgesuchte Mann durch die Vergebung des Kronstädter Zwanzigst auch mit dem Richter dieser Stadt, Lucas Hirscher, in Feindschaft gerathen, da dieser wegen des genannten Zolleinkommens, welches die Stadt gerne selbst besessen hätte, dem Haupt des eigenen Volkes zürnte und P. bei Ferdinand als einen Verräther, der mit Zapolya und dem Moldauer Woywoden geheimes Einverständniß pflege, zu verdächtigen suchte. Solchen leeren Anschuldigungen gegenüber konnte wohl Marcus seinem Bruder Stefan schreiben, eine Aussöhnung zwischen ihm und Zapolya sei unmöglich, denn „ich hab wol so vil bider Inn vnd dy seinigen verschuld, darczue würden mich meine Tevttschen selber maczären“. Dazu weist er mit Recht auf die Thatsache hin: „Moldner Wayda hat mier meine Guetter, als Bálványosch, verfangen vnd hatt sy auff den heutigen Tag, darumb bit ich dich wolst K. M. unterrichten, daß er solchen Zuetutlern vund luegnern nit stat geb.“ Und das that denn auch Ferdinand, indem er in einem Brief an die Siebenbürger und in einem zweiten an Marcus P., welche beide am 13. Juli 1530 geschrieben sind, es in feierlicher Weise ausspricht, daß nichts sein Vertrauen auf die so oft erprobte Treue und Dienstbereitheit Pemfflinger’s zu erschüttern im Stande sei. Das Jahr 1530 brachte der mit so unerschütterlichem Mannesmuth von dem Sachsengrafen unterstützten und vertheidigten Sache Ferdinands unersetzlichen Verlust. Da von ihm, trotz oft wiederholter dringendster Bitten nun schon im fünften Jahr keine Hilfe kam, ward die Entmuthigung unter seinen Anhängern immer größer. Eine sächsische Stadt nach der andern schloß Frieden mit Zapolya, so daß am Beginn des Jahres 1531 in ganz Siebenbürgen nur Hermannstadt allein noch unter dem Einfluße Pemfflingers auf Ferdinands Seite stand. Dieser wankte aber keinen Augenblick. Während Zapolya große Rüstungen veranstaltete, um die einzige noch widerspenstige Stadt mit Waffengewalt zu bezwingen, traf diese entschlossene Gegenmaßregeln und am 1. Mai 1531 schworen die noch treu gebliebenen Magnaten mit dem Sachsengrafen, dem Rath und der gesammten Bürgerschaft von Hermannstadt sich gegenseitig in feierlichem Eide, in der Vertheidigung [348] dieser Stadt treu auszuharren, wie es ihre Pflicht gegen Ferdinand erheische.
Im Sommer darauf ging P. an das Hoflager nach Wien, um rasche Hilfe für die schwer bedrängte Stadt zu betreiben. Die Sorge um das Schicksal seines Volkes hatte ihn, nach seinen eigenen Worten, eisgrau gemacht; auch litt er wiederholt an schweren gichtischen Anfällen. Die nächsten Jahre finden wir ihn fortwährend in Ferdinands Nähe, bald in Wien, woher ihn der König im October 1531 mit sich nach Speyer nehmen wollte; bald in Preßburg, woher er in wiederholten Briefen Ferdinand zu schleunigen Geldsendungen nach Hermannstadt für Truppen und Kriegsbedarf drängte, da sonst die Stadt ohne Unterstützung bald fallen müsse. Sein Drängen bewirkte, daß endlich Hilfsgelder, wenn auch nicht ausreichende, und später auch ein königlicher Commissär, Jakob v. Een, dahin gesendet wurden. Ob auch Marcus P. selbst, nach dem Vorschlag seines Bruders Stefan, im J. 1533 solche Hilfsgelder nach Hermannstadt brachte und auf solche Weise seine Heimath noch einmal sah, läßt sich nicht nachweisen. Jedenfalls kehrte er, wenn solches geschah, bald wieder an den Hof zurück, denn als im März 1534 König Ferdinand in Wien einen türkischen Gesandten mit großem Pomp empfing, stand auch Marcus P. mit seinen Brüdern Stefan und Sebastian unter den in großer Zahl versammelten Magnaten des ungarischen Reichs zur Rechten des Thrones. – Neben den öffentlichen gab es übrigens auch wichtige persönliche Angelegenheiten, deren Austragung seine Anwesenheit bei Hofe dringend erforderte. Die Schuld des Königs an P. war in den letzten Jahren zu einer sehr bedeutenden Höhe angewachsen. Außer den bereits erwähnten 12,000 Goldgulden hatte dieser seit 1528 noch weitere 20,000 Goldgulden theils aus Eigenem, theils aus entlehnten Geldern für Ferdinands Interessen ausgegeben und suchte nun dafür eine gerechte Entschädigung zu erlangen. Diese wurde ihm auch gewährt, indem der König am 1. Januar 1533 „in Berücksichtigung der unerschütterlichen Treue, welche Marcus P. ihm und der heiligen Krone des ungarischen Reichs nicht schonend seiner Güter, seiner Gesundheit und seines Lebens“ erwiesen habe, seinem getreuen Anhänger und dessen Erben den vierten Theil des reinen Einkommens aus den Rodnauer Bergwerken verpfändete, wofür im Falle der Auslösung ihm oder seinen Erben von der Krone die Summe von 150,000 Goldgulden ausgezahlt werden sollte. Außerdem überließ der König durch Urkunde vom 11. November 1534 zur Entschädigung für die weitere, in seinen Diensten verwendete Summe von 20,000 Gulden ihm auch den Zwanzigst von Hermannstadt, Kronstadt, Bistritz, sowie das halbe Einkommen des Hermannstädter Einlösungsamtes für so lange, bis die vorgeschossene Summe vollständig werde getilgt sein. Sollte es ferner unmöglich sein, die Burg Bálványosch den Händen des Moldauer Woywoden Peter bald zu entreißen und P. zum sichern Besitz zu übergeben, so solle derselbe berechtigt sein, auch für die frühere Schuldforderung von 12,000 Gulden aus diesen Einkünften sich schadlos zu halten. So reichlich diese Entschädigungen auch gedacht waren, in den wirklichen Besitz derselben ist der Belehnte ebenso wenig gelangt, wie der König in den Besitz des Landes Siebenbürgen. Ja die Verpfändung der Burg Bálványosch an den Sachsengrafen, welche Ferdinand soeben erst am 11. November 1534 erneuert hatte, wurde schon nach zwei Monaten rückgängig gemacht, indem der bedrängte König, um den Moldauer Peter dauernd an sich zu fesseln, demselben am 17. Januar 1535 nicht nur diese Burg, sondern auch die Burgen Csicso und Kokelburg sowie die Stadt Bistritz vergabte. Diese Vergabung, welche eine freie sächsische Stadt dem ebenso gefürchteten wie gehaßten barbarischen Fürsten der Moldau in die Hände lieferte, erwarb dem König weder einen zuverlässigen Bundesgenossen, noch die gehoffte [349] Unterstützung desselben; dagegen mußte sie die Sachsen, und insbesondere die noch kämpfenden Hermannstädter, über solchen eigenthümlichen Lohn anhänglicher Gesinnung stutzig machen. Ohnehin war in diesen die Hoffnung auf endliche Hilfe aufs tiefste gesunken. Zwar P. war noch immer unerschöpflich in Plänen, wie man Siebenbürgen zurückgewinnen und der Noth der treuen Hermannstadt abhelfen könne; er wurde nicht müde bei Ferdinand darauf zu dringen, daß den Hermannstädtern ausreichende Hilfsgelder und ein starkes Heer nach Siebenbürgen gesendet werde; er selbst erbat sich wiederholt die Hilfsmittel, um in Oberungarn ein Heer anzuwerben und nach Siebenbürgen zu führen: aber seine Rathschläge schließen jetzt doch immer mit der Bitte, wenn eine Möglichkeit rascher Hilfe nicht vorhanden sei, vergebliche Hoffnungen in den Hermannstädtern nicht weiter zu nähren. Denn die Noth war hier bereits auf das höchste gestiegen und schon begann unter der auf ein Viertheil zusammengeschmolzenen Bürgerschaft, der es an Lebensmitteln und selbst an Brennholz fehlte, die Unzufriedenheit über den jahrelangen vergeblichen Widerstand sich zu regen. Da nun das ganze Jahr 1536 hindurch zwischen den beiden Gegenkönigen Waffenstillstand herrschte, ohne daß seine Wohlthat auch den Hermannstädtern zu gut gekommen wäre; da Ferdinand offenbar nicht einmal zu einer kraftvollen Kriegführung in Ungarn die nöthigen Mittel besaß; da unter solchen Verhältnissen jeder weitere Widerstand einer vereinzelten Stadt nicht nur erfolglos sondern auch zwecklos war: da legten endlich im Februar 1536 auch die Hermannstädter nach einem siebenjährigen leidenvollen Kampf die Waffen nieder und anerkannten gleich dem übrigen Siebenbürgen Johann Zapolya als ihren Herrn und König. Dieser Ausgang des ehrenvollen Kampfes für das vertragsmäßige Recht des „deutschen“ Königs, in welchem Marcus P. eine so hervorragende Rolle gespielt hatte, verschloß ihm die Rückkehr in seine Heimath, in sein Amt, zu seinen Gütern und Besitzungen in Hermannstadt und dem übrigen Siebenbürgen. Aber trotz dieses schweren Schlages, der ihn traf, hörte die Hoffnung und das Streben in ihm nicht auf, Siebenbürgen doch noch für Ferdinand zu gewinnen. Seine Briefe an denselben auch nach dem Verluste Hermannstadt’s handeln fortwährend von den siebenbürgischen Angelegenheiten und er selber hielt sich während des Jahres 1536 bald in Kaschau, bald in Leutschau bei dem General Katzianer auf, um einen Einfall desselben in Siebenbürgen zu betreiben, dem auch er mit einem Fähnlein selbstgeworbenen Kriegsvolks sich anschließen wollte. P. überlebte den Fall Hermannstadt’s nicht lange. Die letzten Monate seines Lebens waren nicht nur durch diesen Kummer getrübt, sondern auch durch Krankheit und sogar durch materielle Bedrängniß. „Sum sicut avis et non habeo, quo caput meum jam senio confectum reclinem“: so klagt er dem Könige, dem er alles geopfert hatte. Sein letztes Lebenszeichen ist ein Brief aus Wien vom 7. Febr. 1537 voll ähnlicher Klagen: „M. V. me sine ordine et relatione dimisit; jam non habeo, unde saltem cottidianum victum et panem expectem; fortassis M. V. vult, ex quo aliter a me separari non potest, ut fame moriar“. Schon am 11. Februar antwortete Ferdinand aus Enns, daß er die Uebertragung eines andern ungarischen Reichsamtes an ihn angeordnet und darüber auch an seinen Bruder Stefan P. geschrieben habe. Doch der Bittende bedurfte nicht mehr lange der königlichen Gunst. Bald nahm ihn der Tod hinweg. Wann und wo er gestorben ist, wo er begraben liegt, ist unbekannt; doch wird am 8. September 1537 von ihm als einem nichtmehr lebenden Manne berichtet. In der kurzen Frist von 18 Monaten waren die drei Brüder gestorben, so gleichsam auch im Tode vereint, wie sie im Leben brüderlich und einmüthig zu derselben Sache gestanden.
Marcus P. hinterließ eine Wittwe und einen Sohn Johann. Der Letztere starb in jüngerem Alter noch vor dem Jahr 1551, ohne etwas von den eingezogenen [350] Gütern des Vaters je zurück erhalten zu haben. Die Familienbesitzungen in Hermannstadt und Umgegend wurden vom Rathe dieser Stadt veräußert, um mit dem Erlös Schulden zu tilgen, welche P. für seines Königs Sache auf sich geladen hatte. So kam sein Haus in den Besitz der Stadt, der es noch heute als Rathhaus und als Zierde dient, in seinem stattlichen alterthümlichen Bau ein schönes Denkmal einer großen Zeit und eines großen Mannes. – Die Stadt aber, welche seine zweite Heimath geworden, bewahrte ein treues Gedächtniß dem Manne, mit dem sie vereint so schwere Geschicke getragen und von dem geführt sie einen so ehrenvollen Kampf für einen erst nach Jahrhunderten zum Leben gewordenen Gedanken, die Herrschaft des Habsburgischen Hauses in Siebenbürgen, bestanden hatte. Trotz seiner mehrjährigen Abwesenheit von Hermannstadt wurde er bis zum Jahr 1536, also bis zur Unterwerfung der Stadt unter Johann Zapolya, als Königsrichter und Sachsengraf angesehen und in den Protokollen als solcher mit dem Zusatz: „absens“ aufgeführt. Und bis in die neueste Zeit herein – 1854 – erinnerte an den großen Sachsengrafen eine Gedenktafel, welche an einem Pfeiler der evangelischen Pfarrkirche Hermannstadts angebracht war und auf welcher sich neben den Buchstaben C. M. P. („Comes Marcus Pemfflinger“) folgende Inschrift befand: Justitiae cultor, Scelerumque acerrimus ultor; Principibus carus, Numquam dum vixit avarus.
- S. Ungrisches Magazin III. Bd. – G. D. Teutsch, Geschichte der Siebenbürger Sachsen, 2. Aufl., Leipzig 1874. – Ders.: Die Reformation im siebenb. Sachsenland. 6. Aufl. Hermannstadt 1866. – J. C. Schuller, das k. k. geheime Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien u. s. w., Hermannstadt 1850. – Derselbe, Georg Reicherstorffer und seine Zeit, Wien 1859. – Archiv des Vereins für siebenb. Landeskunde, Band III 1858; IV. 1860; XIX 1884.