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ADB:Ludwig II. (König von Ungarn und Böhmen)

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Artikel „Ludwig, König von Böhmen und von Ungarn“ von Hermann Markgraf in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 527–529, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludwig_II._(K%C3%B6nig_von_Ungarn_und_B%C3%B6hmen)&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 04:14 Uhr UTC)
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Ludwig, König von Böhmen und von Ungarn (hier Ludwig II.), 1516 bis 1526, aus dem Geschlechte der polnischen Jagellonen, der Sohn des Königs Wladislaw und der Königin Anna, Tochter des Grafen Gaston von Kendal, war der letzte selbständige Herrscher dieser beiden Reiche, die bei seinem frühzeitigen Tode an die österreichischen Habsburger übergehen. Seine Geburt am 1. Juli 1506 auf der Burg zu Ofen kostete der Mutter das Leben, sie starb im Kindbett am 26. Juli. Die auf Joh. Mich. Brutus († 1594) zurückgehende Erzählung, er sei zu früh und ohne Haut zur Welt gekommen, sowie daß der mächtigste ungarische Magnat, der selbst nach der Krone strebende Joh. Zapolya mit Bewilligung der Eltern bei der Geburt zugegengewesen sei, um sich von dem Geschlechte des neugeborenen Kindes zu überzeugen, läßt sich nicht als sicher erweisen. Frühzeitig ging indeß die ganze Entwickelung des Knaben und Jünglings vor sich, so daß wol spätere Chronisten von ihm schreiben: zu früh geboren, zu früh König, zu früh vermählt, zu früh todt. Sein Vater, der bei seiner Geburt bereits 50 Jahr alt war, suchte vor Allem seine Krönung und Anerkennung durchzusetzen. Beide Nationen, die Böhmen wie die Ungarn, stellten als Gegenbedingung, daß der junge Prinz in ihrem Lande erzogen würde. Am [528] 4. Juni 1508 ward er in Stuhlweißenburg und am 11. März 1509 in Prag gekrönt. In einem Reverse, der auch dadurch wichtig geworden ist, daß der König darin nicht nur das Erbrecht seines Sohnes, sondern auch seiner Tochter betonte, gelobte er die Kinder an einem Orte erziehen zu lassen, der Böhmen und Ungarn gleich bequem gelegen sei, und ihnen Diener und Lehrer aus beiden Völkern und von beiden Sprachen zu geben. Thatsächlich wurden sie jedoch in Ungarn erzogen. Der Knabe Ludwig war schon vor der Geburt, am 20. März 1506, in der Erwartung, daß es ein Knabe sein werde, mit Maria, der Enkelin des Kaisers Maximilian I. und Tochter Philipps I. von Spanien verlobt worden; auf der glänzenden Versammlung zu Wien, zu der auch Wladislaws Bruder, Sigismund von Polen, erschienen war, am 20. Mai 1515, wurde das Verlöbniß bestätigt und ebenso Ludwigs Schwester, Anna, die um zwei Jahre älter war, mit Maximilians Enkel Ferdinand verlobt. Schon im Jahre darauf, am 13. März 1516, starb König Wladislaw, nachdem er den Kaiser Maximilian und den König Sigismund zu obersten Vormündern seines Sohnes und für jedes Reich eine Regentschaft ernannt hatte. Der königliche Knabe blieb zunächst in Ungarn, wo der Cardinal Primas Bakacs, der Ofener Schloßhauptmann Bornemisza und der Markgraf Georg von Brandenburg, Ludwigs Vetter, die Regentschaft führten und zugleich seine Erziehung leiteten. Seine Lehrer waren hauptsächlich die Italiener Hieronymus Balbus und Piso. Kaum war seine Erziehung vollendet, als er seine Vermählung mit Maria von Oesterreich eifrig betrieb; im Juni 1521 wurde dieselbe, um zwei Jahr älter als er und geistig reifer, von anmuthiger Erscheinung und von unternehmendem, herrschlustigem Geiste, nach Ungarn gebracht, doch mußte L. unmittelbar darauf gegen Sultan Soliman, der in Ungarn eingedrungen war und Belgrad nach tapferer Vertheidigung eingenommen hatte, ins Feld ziehen. Als die Aufgebote der ungarischen Großen nicht zu ihm stießen und der Sultan mit seinen Erfolgen zufrieden sich zurückwandte, kehrte auch L. heim, ließ am 11. December 1521 seine Braut in Stuhlweißenburg krönen und vermählte sich am 13. Januar 1522 mit ihr. Zum ersten Male seit seinem Regierungsantritte begab er sich jetzt auch nach Böhmen, wo er nach längeren Differenzen mit dem Landtage und dessen Parteien am 9. Mai 1522 in der St. Wenzelskapelle zu Prag den Eid in der Fassung leistete, wie sie seitdem bis zum 30jährigen Kriege in Uebung blieb, d. h. die Verfassung und alle Freiheiten und Rechte des Königreichs zu halten gelobte, doch ohne daß dabei von den Compactaten mehr die Rede war. Der junge König that einen ersten Schritt zur Besserung der unglaublich verwirrten Verhältnisse Böhmens; auf dem Februarlandtage 1523 wurden alle bisherigen Landesbeamten entfernt und durch neue ersetzt, Herzog Karl von Münsterberg zum Landesverweser ernannt und so die arg gesunkene königliche Gewalt wiederhergestellt; doch brachte dies nur eine kurze Besserung, da die Gefahr, in der Ungarn vor einem neuen Einfalle der Türken schwebte, und ebenso die Eifersucht der Ungarn auf die Böhmen den König bald wieder zur Rückkehr nach Ungarn nöthigten. Von dort begab er sich im October zu einer Zusammenkunft mit Ferdinand von Oesterreich und Sigismund von Polen nach Wienerisch-Neustadt, wo zwischen Festen und ritterlichen Spielen ein allgemeiner großer Kriegszug der ganzen Christenheit gegen die Türken verabredet wurde. Doch kam nichts davon zur Ausführung. Die Parteiungen in Ungarn wurden immer heftiger, die Mittel der ehrgeizigen Großen um den maßgebenden Einfluß zu gewinnen immer gewaltsamer, der junge Herrscher hatte diesem Getriebe gegenüber keine persönliche Autorität in die Wagschale zu werfen. Dazu wurden in beiden Reichen die Gemüther durch die neuen religiösen Lehren, die begreiflicherweise in Böhmen bei der an den hussitischen Traditionen hängenden Bevölkerung großen Anklang fanden, die aber auch bis nach Ungarn [529] drangen, wo sie ein neues Mittel zur Verdächtigung der Deutschen boten, noch immer mehr erregt, sodaß zur Abwehr der von den Türken drohenden Gefahr so gut wie gar nichts geschah. Im Sommer 1526 fiel Sultan Soliman wieder in Ungarn ein, L. eilte ihm entgegen. Ehe die anziehenden Schaaren der Seinigen sich vereinigt haben, läßt er sich von den anwesenden Führern bereden mit 28,000 Mann den Angriff der 300,000 Mann starken Türken aufzunehmen, bei Mohács an der Donau, im Comitat Baranya, am 29. August 1526. Der König durchreitet früh am Morgen die Schlachtreihen und gibt als Losung die Worte aus: Wenn es Gottes Wille ist. Erst Nachmittags greifen die Türken an, ihr vorderer Schlachthaufen wird geworfen, aber als die Ungarn ungestüm vordringen, wird ihr ganzes Heer von der Ueberzahl der Feinde umringt und ist in kurzer Zeit eine Beute des Todes. Nur wenige entrinnen. Den König, der tapfer kämpfend eine Wunde erhalten hat, ziehen seine Begleiter vom Schlachtfeld fort, in der Richtung nach Fünfkirchen; beim Uebersetzen über einen Bach überschlägt sich sein Pferd, als es das jenseitige Ufer hinaufklimmen will, und wirft ihn in den Schlamm. Der schlesische Ritter Ulrich v. Zettritz, der vor ihm glücklich hinübergekommen ist, bringt die Kunde von seinem Tode nach Ofen. Erst im October nach Abzug der Türken suchte und fand man seine Leiche, die bereits bestattet war. Wieder ausgegraben und gereinigt ward sie nach Stuhlweißenburg gebracht und in der Königsgruft beigesetzt. L. hatte erst eben sein 20. Lebensjahr vollendet, er hatte noch keine Erben, seine Wittwe Maria bewies ihm ihre Liebe dadurch, daß sie sich nicht wieder vermählen wollte. Das Urtheil über König L. ist bei den ungarischen und namentlich bei den böhmischen Schriftstellern ein ungünstiges. Sie schildern ihn nach dem Vorgange des Dubravius als wenig arbeitslustig und vergnügungssüchtig, als sorglos und leichtsinnig in Geldsachen, und schreiben die Ausbildung dieser Eigenschaften namentlich dem Einflusse seines Verwandten, des Markgrafen Georg von Brandenburg, zu, der diese Richtung des Charakters entweder geradezu durch sein Beispiel befördert habe oder ihr mindestens nicht mit der Energie entgegengetreten sei, die ihm als Vormund und Erzieher geziemt hätte. Daß dieses Urtheil durch die nationale Antipathie mindestens stark beeinflußt ist, macht unsere sonstige Kenntniß von dem Charakter des Markgrafen Georg sehr wahrscheinlich (vgl. Bd. VIII S. 611). Daß dem jungen König der Ernst des gereiften Mannes fehlte, scheinen freilich die Verhaltungsmaßregeln, die er 1523 von seinem Oheim König Sigismund von Polen erhielt, zu bestätigen (Palacky V. 1. 509). Venetianische Berichte schildern ihn sehr viel günstiger. Nach ihnen hatte er einen schönen Körper, einen hohen und schlanken Wuchs, das Gesicht weniger schön, angenehme Augen, die Nase, die Lippen und die anderen Gesichtszüge etwas stark, war er kräftig gebaut, zu Anstrengungen, besonders Waffenübungen jeder Art bereit und geschickt, aber auch voll guter geistiger Anlagen, der Sprachen seiner Völker kundig, ein Freund der Musik, dabei von fröhlicher und leutseliger Natur. Obwol er die Weichheit seines Vaters geerbt hatte, sodaß er Niemandem Nein sagen konnte, war er doch für den Beruf eines Herrschers ungleich befähigter als er. Freilich haben ihn sein kurzes Regiment und die Folgen, die sich für beide Reiche an den Unglückstag von Mohács knüpften, ein segensreiches Andenken in der Geschichte derselben nicht gewinnen lassen.

Palacky, Geschichte von Böhmen. Krones, Geschichte von Oesterreich etc. Neustadt, L., Markgraf Georg von Brandenburg als Erzieher am ung. Hofe. Diss. Brsl. 1883.