ADB:Pfeil, Christoph Carl Freiherr von
August Hermann Francke’s und im Francke’schen Pietismus ward auch unser P. erzogen. Nachdem er seine Eltern früh verloren, nahm sich der jüngste Bruder seines Vaters, der Pfarrer Justus Gottlieb v. P. († 1748 als Oberpfarrer in Magdeburg) seiner an. Er besuchte dann, um Jurisprudenz zu studiren, vom Jahre 1728 an die Universität Halle; hernach ging er nach Tübingen. Eine akademische Preisarbeit „über die Verdienste des Hauses Württemberg für das deutsche Reich“, die er hier in lateinischer Sprache verfaßte, machte ihn in den Stuttgarter Hofkreisen bekannt. Er wurde veranlaßt, sie ins Deutsche zu übersetzen; und sie fand solche Bewunderung, daß er noch als Student (1731) beauftragt ward, das Testament des Herzogs Eberhard Ludwig zu verfassen. Im folgenden Jahre ward er, 20 Jahre alt, zum Legationssecretär des würtembergischen Gesandten in Regensburg ernannt, und damit begann seine diplomatische Wirksamkeit. Nicht lange darauf verlobte er sich mit einem einfachen Mädchen, das er vor der Hochzeit (am 12. October 1734) noch im Kloster Niedermünster zu Regensburg ausbilden ließ; später ergab sich, daß seine Frau, die als Waise von Bürgersleuten in Regensburg aufgenommen war, aus adeliger Familie (eine Tochter des Fürsten von Kupferberg und Keulendorf in Schlesien, die auf einer Reise beide Eltern an der Pest verloren hatte,) sei, was dann seine Freunde mit dieser Verbindung aussöhnte. Um diese Zeit stand P. auch in Verkehr mit dem Grafen Zinzendorf; er war sogar eine Zeitlang mit dem Gedanken umgegangen, selbst seinen Wohnsitz nach Herrnhut zu verlegen. Doch löste sich dieses Verhältniß und zwar nicht zum mindesten von Pfeil’s Seite mit deshalb, weil der Graf Zinzendorf sich über Pfeil’s Verheirathung mit einer „Bürgerlichen“ überaus geringschätzig geäußert hatte. P. wandte sich darauf mehr dem würtembergischen Pietismus zu und schloß sich besonders an Johann Albert Bengel (s. A. D. B. II, 331) an, dessen apokalyptische Studien ihn ganz besonders anzogen. Als Herzog Karl Rudolph von Würtemberg-Neustadt (s. A. D. B. XV, 372 ff., bes. 375) Administrator des Herzogthums wurde, ernannte er P. gegen Ende des Jahres 1737 zum Justiz- und Regierungsrath, so daß P. im J. 1738 nach Stuttgart übersiedelte. Während der Zeit der Regentschaft, welche im J. 1738 Herzog Karl Friedrich von Würtemberg-Oels übernahm (a. a. O. S. 376), hatte P. als Regierungsrath fast mit allen Zweigen der Verwaltung zu thun; besonders wird schon in dieser Zeit seine Thätigkeit für das Forstwesen gerühmt; im J. 1748 gab er dann eine Uebersicht über die sämmtlichen gültigen Forstgesetze und -verordnungen heraus („Realindex der würtemb. Forstordnung“). Als Herzog Karl Eugen (s. A. D. B. XV, 376 ff.[WS 1]) im J. 1744 nach seiner Volljährigkeitserklärung die Regierung übernommen hatte, ward P. 1745 auch Tutelarrathspräsident; vom Jahre 1749 an ward er in Staatsgeschäften an verschiedene Höfe gesandt; im J. 1755 ernannte ihn Karl Eugen zum Kreisdirectorialgesandten am schwäbischen Kreistage. Ueber seine tüchtige Arbeitskraft und seine Gewissenhaftigkeit in allen ihm übertragenen Aemtern ist nur eine Stimme; aber die furchtbare Mißwirthschaft, die nun einbrach, konnte auch er nicht abwehren; [647] ja, er mußte es sich gefallen lassen, vom Grafen von Montmartin (s. A. D. B. XXII, 204) erst (1758) zum Geheimen Legationsrath und sodann (1759) zum Geheimen Rath ernannt zu werden. Ihm ward sein Dienst immer beschwerlicher, zumal er bei vielen in den Ruf kam, Maßregeln zu billigen, die er nur nicht hatte hindern können; und so suchte er denn wiederholt seine Entlassung aus dem Staatsdienste nach, die er endlich unter dem 13. April 1763 erhielt. Eine ihm vom Herzog angebotene Pension lehnte er ab. Er zog sich nun auf das Rittergut Deufstetten, im Ansbachischen zwischen Krailsheim und Dinkelsbühl gelegen, das er schon im J. 1761 gekauft hatte, zurück. Noch in demselben Jahre trat er jedoch in die Dienste Friedrich des Großen, der ihn in den ersten Tagen des September (die Beglaubigungsschreiben sind vom 5. September 1763) zu seinem Minister bei dem fränkischen und schwäbischen Kreise ernannte. Obschon das preußische Gesandtschaftsquartier in Nürnberg errichtet ward, blieb doch Deufstetten Pfeil’s gewöhnlicher Wohnsitz. Er hat in dieser Stellung mehr für Würtemberg thun können, als in seinen würtembergischen Aemtern, indem er außer Preußen auch die beiden andern Garanten der landständischen und Religionsverfassung Würtembergs, Dänemark und England, zur Hülfe heranzog. So gelang ihm denn auch, Montmartin zu stürzen und Moser’s Befreiung zu erwirken (s. A. D. B. XXII, 380). In späteren Jahren hat er viel von Krankheiten zu leiden gehabt; er starb am 14. Februar 1784. – Von seiner frühsten Jugend an bis in sein spätes Alter hat P. fortwährend Gesänge und Lieder verfaßt. Alle seine Erlebnisse und Erfahrungen sprach er in Versen aus; aber außerdem hat er auch eine außerordentlich große Anzahl eigentlicher geistlicher Lieder gedichtet. Der poetische Werth derselben ist nicht sehr groß; die bei weitem meisten, namentlich die erzählenden, sind nicht viel mehr als gereimte Prosa; aber es spricht sich in allen ein edler, frommer Sinn und ein gläubiges Herz aus; ihm selbst gewährte es in schweren Stunden Trost und Erquickung, was seine Seele bewegte, in diesen Versen auszusprechen. Von seinen Liedern sind nach Koch’s Angabe (vgl. unten) 940 gedruckt. Diese erschienen in vier Sammlungen, von welchen die beiden ersten von P. selbst herausgegeben wurden, die beiden anderen aber von andern besorgt sind. Zuerst gab er im J. 1741 „Lieder von der offenbarten Zukunft und Herrlichkeit des Herrn“ heraus, zu welchen die Bengel’sche Erklärung der Offenbarung Johannis ihn begeistert hatte; diese Lieder erschienen vermehrt unter dem Titel: „Apokalyptische Lieder“ im J. 1749 und dann in 3. Aufl. 1753. Eine zweite Sammlung ließ er im J. 1747 unter dem Titel: „Evangelischer Liederpsalter“ erscheinen; zu dieser schrieb J. A. Bengel eine Vorrede. Die von anderen herausgegebenen Sammlungen Pfeil’scher Lieder sind das sog. „Memminger Gesangbuch“, im J. 1782 von J. G. Schelhorn auf Pfeil’s Wunsch veranstaltet, und „Des Reichsfreiherrn von Pfeil evangelische Glaubens- und Herzensgesänge, herausgegeben von einer Gesellschaft christlicher Freunde“, Dinkelsbühl 1783, das sog. „Dinkelsbühler Gesangbuch“. Aus diesen Sammlungen sind eine größere Anzahl geistlicher Lieder in Gemeindegesangbücher übergegangen; einzelne befinden sich, theilweise in späterer Ueberarbeitung von andern, hier und dort noch in ihnen.
Pfeil: Christoph Karl Ludwig Reichsfreiherr v. P., bekannter Diplomat und ungemein fruchtbarer Sänger geistlicher Lieder, wurde am 20. Januar 1712 zu Grünstadt, einer gräflich Leiningen’schen Besitzung unweit Worms, geboren. Sein Vater, Quirin Heinrich v. Pfeil, der zuletzt würtembergischer Oberhofgerichtsrath zu Tübingen und Oberamtmann zu Lustnau war und im J. 1722 starb, war ein Schüler- Heinrich Merz, Das Leben des christlichen Dichters und Ministers Christoph Karl Ludwig von Pfeil. Stuttgart 1863. – Koch, Geschichte des Kirchenlieds u. s. f., 3. Aufl., Band 5, S. 176 ff. – Fischer, Kirchenliederlexikon, 2. Hälfte. S. 463a. – Meusel X, S. 392.