Zum Inhalt springen

ADB:Pfeiffer, Ludwig

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Pfeiffer, Ludwig“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 643–646, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pfeiffer,_Ludwig&oldid=- (Version vom 6. Oktober 2024, 17:31 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 25 (1887), S. 643–646 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ludwig Georg Karl Pfeiffer in der Wikipedia
Ludwig Georg Karl Pfeiffer in Wikidata
GND-Nummer 10053595X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|25|643|646|Pfeiffer, Ludwig|Ernst Wunschmann|ADB:Pfeiffer, Ludwig}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=10053595X}}    

Pfeiffer: Ludwig P., geb. zu Kassel am 4. Juli 1805, † ebendaselbst am 2. October 1877, war praktischer Arzt und auf dem Gebiete der Zoologie und Botanik mit Erfolg schriftstellerisch thätig. Nach Absolvirung seiner medicinischen Studien zu Göttingen und Marburg und erfolgter Promotion, begab sich P. behufs weiterer wissenschaftlicher Ausbildung nach Paris und Berlin. Von dort im Herbste 1826 nach Kassel zurückgekehrt, begann er seine ärztliche Praxis. Im J. 1831 folgte er einem von Polen aus an deutsche Aerzte erlassenen Aufrufe und wirkte als Stabsarzt in Lazienka, Pomorce und Warschau. An letzterem Orte entfaltete er gelegentlich einer daselbst ausgebrochenen Choleraepidemie eine aufopfernde Thätigkeit. Die Capitulation Warschau’s veranlaßte ihn zur Rückkehr nach der Heimat, da er es verschmähte, dem Anerbieten, in russische Dienste zu treten, Folge zu leisten. Seiner Ueberzeugung von der Nichtübertragbarkeit der Cholera gab er in einer kleinen Schrift Ausdruck: „Erfahrungen über die Cholera, gesammelt im Hospitale zu Warschau im Sommer 1881“. Bald darauf gab er seinen ärztlichen Beruf ganz auf, um sich ungestört naturwissenschaftlichen Studien und schriftstellerischer Thätigkeit zu widmen. Nachdem er zunächst mit einigen Uebersetzungen medicinischer Schriften an die Oeffentlichkeit getreten war, verfaßte er eine lange Reihe eigner Arbeiten, zoologischen und botanischen Inhalts. Mehrfache Reisen durch Deutschland, die ihn die vorzüglichsten botanischen Gärten der Hauptstädte kennen lehrten, lieferten ihm das Material zu einigen Publicationen über die Familie der Cacteen, und eine größere Reise nach Cuba während des Winters 1838/39 verwerthete er für die Veröffentlichung seiner zoologischen Forschungen. Durch Excursionen innerhalb seines engeren Vaterlandes verschaffte sich P. eine gründliche Kenntniß der hessischen Pflanzenwelt, welche in der Herausgabe werthvoller floristischer Arbeiten zu Tage trat. Nachdem er seinen jüngsten Sohn 1870 auf dem Felde der Ehre in Frankreich verloren hatte, begann der bis dahin kerngesunde und kräftige Mann zu kränkeln. Zwar konnte er 1874 noch eine zweimonatliche Reise nach Catalonien unternehmen, doch kehrten die früheren Kräfte nicht wieder und er erlag, 72 Jahre alt, einem stetig fortschreitenden Lungenleiden am 2. October 1877. Zwei Jahre vor seinem Tode hatte er noch die Freude, aus Anlaß seines fünfzigjährigen Doctorjubiläums, sein medicinisches Doctordiplom erneuert und außerdem mit der philosophischen Doctorwürde sich bedacht zu sehen. P. war ein vielseitiges Talent. Neben seinen wissenschaftlichen Studien fand er noch Zeit, sich mit Zeichnen und namentlich mit Musik in hervorragender Weise zu beschäftigen. Ein Schwager des Componisten Spohr, theilte er dessen künstlerische Bestrebungen und wirkte auch selbst bei musikalischen Aufführungen wiederholt als ausübender Künstler mit. Neben der auf dem Gymnasium erworbenen Fertigkeit im Gebrauche der classischen Sprachen, handhabte er auch das [644] Französische, Englische, Polnische und Spanische mit Leichtigkeit. Den bei weitem größten Raum unter Pfeiffers Schriften nehmen seine zoologischen Abhandlungen ein, die sich fast ausschließlich auf Conchyliologie beziehen (vergl. Catalogue of scientific papers vol. IV, p. 872 sqq.). Von seinen botanischen Arbeiten erschien zuerst 1837 eine „Enumeratio diagnostica Cactearum hucusque cognitarum“ und, in etwas veränderter Fassung, unter dem deutschen Titel: „Beschreibung und Synonymik der in deutschen Gärten lebend vorkommenden Cacteen“. Den Zweck, welchen diese Schriften verfolgten, durch eine vergleichende Zusammenfassung der über diese Familie in der botanischen Litteratur zerstreut sich vorfindenden Definitionen und Beschreibungen, sowie durch eigne Beschreibung der noch nicht veröffentlichten Arten eine Uebersicht über den zeitweiligen Stand der Kenntniß dieser eigenthümlichen Pflanzenformen zu geben, hat der Verfasser vollkommen erreicht. Er hat die in den größten botanischen Gärten Deutschlands cultivirten Arten an dem lebenden Material selbst untersucht und auch die reichen Erfahrungen des Fürsten von Salm-Reyfferscheid-Dyck, des ersten Kenners der succulenten Gewächse, durch persönlichen Meinungsaustausch sich zu Nutzen gemacht. Unter Verwerfung der Decandolle’schen Eintheilung der Cacteen in die Unterfamilien der Opuntieae und Rhipsalideae, bringt er die Familie in 10 gleichwerthige Gattungen. Noch einige Aufsätze in der Linnäa (Band XII, 1838) und den Acten der Leopoldina (1839) handeln über die Cacteen. Den Abschluß mit dieser Familie machte P. durch die Herausgabe eines größeren illustrirten Werkes: „Abbildungen und Beschreibungen blühender Cacteen“ (Figures des Cactées en fleur peintes et lithographiées d’après nature), dessen ersten Band, von 1843 an in 6 Lieferungen erschienen, er gemeinsam mit Friedrich Otto[WS 1] bearbeitete, während er den zweiten, dessen Schlußheft 1850 herauskam, allein verfaßte. Im ganzen enthält das Werk 60 colorirte Tafeln und den beschreibenden Text und empfiehlt sich durch genaue und elegante Ausführung. Von andern Pflanzenfamilien waren es die Cuscutaceen und Nymphaeaceen mit denen P. sich specieller beschäftigte und über welche er verschiedene Aufsätze in der Botanischen Zeitung (1843, 1845, 1846 und 1854) veröffentlichte. Seine floristischen Studien begannen mit einer botanischen Erforschung des Meißner’s, über dessen subalpine Flora er in einer 1844 erschienenen Jubiläumsschrift berichtete. Im Auftrage des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde unternahm P. unter Mitwirkung von J. H. Cassebeer[WS 2] die Bearbeitung einer „Uebersicht der bisher in Kurhessen beobachteten wildwachsenden und eingebürgerten Pflanzen“, wovon die erste Abtheilung 1844 herauskam. Diese umfaßt die phanerogamen Gewächse und von den Kryptogamen die Gefäßpflanzen, Moose und Algen, im ganzen 1852 Arten. In der zweiten Abtheilung sollten die Flechten und Pilze nachfolgen. Ob dieselbe je veröffentlicht worden, ist Referenten unbekannt geblieben. Die Reihenfolge der angeführten Pflanzen geschieht ohne weitere Kritik in alphabetischer Ordnung, neben dem Namen die Angabe des Fund- und Standortes und des Finders bringend. Mit einem Ausrufungszeichen sind diejenigen Pflanzen bezeichnet, für deren Richtigkeit die Verfasser glaubten einstehen zu können. Diese Schrift war ein Vorläufer einer größeren Flora, welche als „Flora von Niederhessen und Münden“ in 2 Bänden von 1847–1855 erschienen ist. Seit Moench’s unvollendet gebliebener Flora vom Jahre 1777 (vergl. A. D. B. XXII, 163) ist für das angegebene Gebiet Pfeiffer’s Arbeit die erste Neubearbeitung. Er hat das hierin niedergelegte Pflanzenmaterial zum größten Theile selbst untersucht, aber auch die Angaben anderer Autoren berücksichtigt. Im ganzen folgt er in der Umgrenzung der Species W. Koch’s berühmter Synopsis. Auch die gewöhnlichsten Culturpflanzen sind erwähnt. Einem Schlüssel zum Auffinden der Gattungen [645] nach Linné’s System folgt die Aufstellung der Arten nach natürlichen Familien. Die in deutscher Sprache verfaßten Diagnosen sind recht ausführlich, fast gedrängte Beschreibungen, dagegen sind Synonyme und Citate nur in geringer Zahl aufgenommen. Die genaue Kenntniß des Verfassers mit der Flora seiner Heimat gibt dem Werke den Werth eines guten Leitfadens, der für den Gebrauch auf Schulen und zum Selbststudium, worauf der Titel hinweist, wohl geeignet erscheint. Mit der Frage der botanischen Synonymie und Nomenclatur hatte sich P. schon längere Zeit beschäftigt. Sie führte ihn schließlich zu der Ausarbeitung eines sehr nützlichen Buches, das 1870 im Druck erschien unter dem Titel: „Synonymia botanica locupletissima generum, sectionum et subgenerum ad finem 1858 promulgatorum. In forma conspectus systematici totius regni vegetabilis schemati Endlicheriano adaptati.“ Mit großem Erfolge suchte P. in diesem Werke seinem Vorbilde, St. Endlicher’s Enchiridion botanicum (1841), als dessen Fortsetzung, beziehungsweise Neubearbeitung die Synonymia aufzufassen ist, nachzustreben. Die in ersterem noch mit angegebenen Familiencharaktere hat P. fortgelassen, in der Aufzählung der Namen selbst die peinlichste Genauigkeit befolgt, so daß beispielsweise die verschiedensten Schreibweisen eines und desselben Pflanzennamens, mitunter aus Druckfehlern entstanden, unter sorgfältiger Ermittlung ihres Urhebers als neue Synonyma notirt sind. Die Litteratur ist mit hinreichender Vollständigkeit benutzt und auch die Schriften älterer Autoren, wie Micheli[WS 3], Haller und Gledisch hat der Verfasser eingesehen. Wurde die Brauchbarkeit dieses Werks von jedem Botaniker, der sich mit systematischen Arbeiten beschäftigt, rühmlichst anerkannt, so wurde es mit noch größerer Freude begrüßt, als P. sich entschloß, einen größeren botanischen Nomenclator seiner Arbeit folgen zu lassen, da der Mangel eines solchen sich allgemein fühlbar machte, die Herausgabe desselben aber wegen der immerhin ermüdenden und trocknen Arbeit, neben großer Sachkenntniß ein hohes Maß von Geduld und Aufopferung erforderte. P. hat in seinem letzten und umfassendsten Werke die Aufgabe, welche er sich gestellt, trefflich gelöst und den Dank der Botaniker sich erworben. Es erschien in zwei Bänden, jeder 2 Theile enthaltend, 1873 und 1874 und führt den Titel: „Nomenclator botanicus. Nominum ad finem anni 1858 publici juris factorum, classes, ordines, tribus, familias, divisiones, genera, subgenera vel sectiones designantium enumeratio alphabetica. Adjectis auctoribus, temporibus, locis systematicis apud varios, notis literariis atque etymologicis et synonymis“. Es werden in dem Werke sämmtliche in den bis 1858 erschienenen botanischen Werken, zum Theil auch noch aus der vorlinnéischen Zeit, publicirten Namen der Gattungen, Familien und Ordnungen aller phanerogamen und cryptogamen Gewächse in alphabetischer Reihenfolge aufgezählt. Dem Namen des Autors folgt die Angabe der Publicationszeit und die sorgfältige Citierung derjenigen Werke, in denen die Gattung in demselben Umfange wie vom Autor aufgefaßt ist. Hieran schließen sich, nach der Zeit geordnet, die Citate der Autoren, welche den Begriff des betreffenden genus erweitert oder eingeschränkt, oder demselben eine andere Stellung im Systeme angewiesen haben, als sie in der ursprünglichen Auffassung des Autors lag. Endlich folgt die Anführung der Gattungssynonyme mit Angabe des Autors ohne Citat, was jedoch an der dem Synonym zukommenden Stelle der alphabetischen Aufzählung gefunden wird. Man findet somit in gedrängter Uebersicht eine vollständige Geschichte der einzelnen Gattungen. Der Druck und die Ausstattung, für ein Nachschlagebuch, wie das vorliegende, nicht unwesentlich, sind vortrefflich. Pfeiffer’s Name ist dadurch mit der Botanik unlöslich verknüpft. Möge sich bald ein Nachfolger finden, der es unternimmt, das Werk auch auf die nach 1858 veröffentlichten [646] Pflanzennamen auszudehnen. P. hat es geplant, sein Tod aber die Ausführung verhindert.

Pritzel, Thesaurus lit. bot. – Zeitschrift der Leopoldina 1878.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Friedrich Otto war Inspektor des Berliner botanischen Gartens.
  2. Johann Heinrich Cassebeer (* 1784 in Gelnhausen; † 21. April 1850 in Biebergemünd), Botaniker und Geologe sowie Landwirtschafts- und Weinbaufachmann, Politiker und bekannter Naturwissenschaftler.
  3. Pier Antonio Micheli (* 11. Dezember 1679 in Florenz; † 1. Januar 1737 ebenda), italienischer Botaniker.