ADB:Philipp Gotthard Graf von Schaffgotsch

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Artikel „Philipp Gotthard Graf von Schaffgotsch“ von Colmar Grünhagen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 545–548, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Philipp_Gotthard_Graf_von_Schaffgotsch&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 14:10 Uhr UTC)
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Schaffgotsch: Philipp Gotthard Graf v. S., Fürstbischof von Breslau, geboren zu Warmbrunn am 3. Juli 1716, † am 5. Januar 1795 auf Schloß Johannesberg, Sohn des Reichsgrafen Hans Anton, Erbherrn auf Kynast und Greiffenstein, kaiserlichen Oberamtsdirectors in Schlesien. Als jüngerer Sohn für den geistlichen Stand bestimmt, ward er zu Rom von den Jesuiten erzogen, empfing schon mit 15 Jahren die niederen Weihen und, nachdem er 1738 in Wien zum Priester geweiht worden, ein Kanonikat zu Olmütz und bald auch von seinem Gönner, dem Fürstbischof Cardinal Graf Sinzendorf ein zweites zu Breslau, zu denen dann die Gunst König Friedrich’s noch ein drittes nur nominelles an dem säcularisirten Stifte von Halberstadt gefügt hat. Nicht sowol geistliche als gesellschaftliche glänzende Eigenschaften, vor allem ein munterer Sinn und eine geistsprühende, allerdings zur Spötterei hinneigende Redegabe zeichneten ihn aus und gewannen ihm die Huld des Cardinals Sinzendorf, der ihn auch 1740 zu dem Conclave nach Rom mitnahm. Als dann Breslau und ganz Schlesien preußisch wurden, war S. das einzige Mitglied des Breslauer Domcapitels, welches sich nach dem Vorbilde des Cardinalbischofs entschieden auf die Seite des jungen Herrschers stellte. Dessen Gunst vermochte er auch [546] bald, vermöge seiner geistvollen Unterhaltungsgabe, deren Aeußerungen allerdings nicht selten die Grenze dessen, was für einen katholischen Geistlichen als zulässig angesehen werden kann, überschritten, in hohem Maße zu erlangen. Dem König erschien die etwas leichtfertige Art des jungen Domherrn nur als löbliche Freiheit von Vorurtheilen, und wenn Schaffgotsch’s Collegen im Capitel denselben wegen seines Eintritts in den Freimaurerorden als dem Banne verfallen ansahen, so nahm das der König, der ja bekanntlich selbst Freimaurer war, in hohem Grade übel, und auch das etwas lockere Leben des Domherrn war er gern bereit dessen Jugend zu Gute zu halten. Dagegen sahen die fast durchgängig österreichisch gesinnten Herren vom Domcapitel die Gunst, in welcher ihr jüngster College bei dem Könige stand, mit Mißgunst an, meinten, diese Gunst sei durch Preisgebung kirchlicher Interessen erkauft und ließen Berichte in diesem Sinne nach Rom gelangen, ohne daß die Versuche des Cardinals zu entschuldigen und zu begütigen großen Erfolg hatten, schon weil ja der Cardinal, was das Buhlen um die Gunst des protestantischen Königs anbetraf, gleichen Verdächtigungen ausgesetzt war. Dagegen ließ ein Aufenthalt von S. am Berliner Hof um die Wende des Jahres 1742 seine Gunst bei dem Könige in solchem Maße steigen, daß der Letztere sich entschloß, dem Grafen die Nachfolge auf dem Breslauer Bischofsstuhl beim Tode des kränklichen Cardinals Sinzendorf durch seine Ernennung zum Coadjutor schon jetzt zu sichern, ein Plan, den er selbst dann nicht aufgeben oder auch nur vertagen mochte, als sich herausstellte, daß er um denselben durchführen zu können, den bisher so eifrig verfolgten Gedanken der Einrichtung eines Generalvicariats für alle preußischen Staaten als höchster Instanz für die Angelegenheiten der katholischen Kirche, würde fallen lassen müssen. Allerdings blieb die Schwierigkeit, den Papst zu vermögen, den bei der Jugend von S. nothwendigen Dispens zu gewähren. Hinter diesen Dispens konnte sich die von den Feinden des Grafen fleißig genährte Abneigung des Papstes gegen den königlichen Günstling bequem verstecken, und dieser Letztere gab durch Unbesonnenheiten und einen wenig erbaulichen Lebenswandel seinen Gegnern immer neue Waffen in die Hand. Der Cardinal, der nur schwer dahin hatte gebracht werden können, sich einen Coadjutor gefallen zu lassen, in welchem er nichts als einen ihm selbst gesetzten „Praeceptor“ erblickte, kam endlich darauf, dem Grafen eine höhere kirchliche Würde dadurch zuzuwenden, daß er demselben 1743 die Würde eines Abtes in dem angesehenen und wohlhabenden Sandstifte zu Breslau verschaffte, was auch nur durch eine starke Pression auf die Conventualen, bei der geistliche und weltliche Gewalten zusammenwirkten, möglich ward. Aber weder der König noch Graf S. dachten daran, dies etwa als Abfindung ansehen zu wollen und nun auf den Plan der Coadjutorie zu verzichten, wenn es gleich als zweckmäßig erscheinen konnte, der neuen Würde aus der Stiftskasse ein angemessenes Einkommen zu sichern. Um den Widerstand des Papstes unwirksam zu machen, wußte endlich selbst der Cardinal keinen andern Rath, als daß der König ein Nominationsrecht für die geistlichen Beneficien in demselben Maße in Anspruch nähme, wie dies andere Souveräne und auch seine Vorgänger, die Könige von Böhmen bezüglich der Wahl der Breslauer Bischöfe fast regelmäßig geübt hätten. Kraft dieses Nominationsrechtes ward 1744 Graf S. zum Coadjutor cum spe succedendi, und gleichzeitig zum Fürsten ernannt, ohne daß den Domherren, deren Wahlrecht als mit der Souveränität des Königs unvereinbar erklärt ward, ein Widerspruch gestattet worden wäre, und ohne daß das Ausbleiben der päpstlichen Bestätigung eine Berücksichtigung gefunden hätte.

Als aber nun S. sein Ziel erreicht hatte, gab er sich große Mühe, seine bisherigen Gegner zu versöhnen. Er zeigte ein lebhafteres Interesse für kirchliche Dinge, erwies sich freigebig für fromme Zwecke, benutzte die Gunst des Königs, um Vortheile für das Bisthum und das Domcapitel zu erlangen, besserte seinen [547] Wandel wenigstens insoweit, daß öffentliches Aergerniß vermieden wurde und war freigebig mit Gunstbezeugungen auch gegenüber seinen bisherigen Feinden im Capitel.

Als dann am 28. September 1747 der Cardinal Sinzendorf starb, nahm S., den der König unverzüglich zum Bischof ernannt hatte, nur die vorläufige Verwaltung des Bisthums an, um, wie er dem Papste schrieb, schlimmere Nachtheile für die Kirche zu verhüten, überließ aber sonst demüthig dem Papste die Entscheidung. Als dieser nun zur Untersuchung der Sache einen Nuntius nach Breslau sandte, kamen demselben von allen Seiten günstige Urtheile über den bisherigen Coadjutor zu, und selbst das Domcapitel, welches anfänglich nur widerwillig und unter starker Pression der Regierung in einem demselben geneigten Sinne berichtet hatte, verwandte sich schließlich ernstlich für seine Bestätigung zugleich in der Hoffnung, damit für künftige Fälle sich eine Anerkennung seines Wahlrechtes zu sichern. Wirklich hat der König nach dieser Seite hin eine Zusage gemacht, allerdings unter Vorbehalt seines Rechtes, nur eine der Krone genehme Persönlichkeit auf den bischöflichen Stuhl gelangen zu lassen. Unter dem 5. März 1748 hat dann der Papst, obwol der Wiener Hof sich beharrlich der Person Schaffgotsch’s abgeneigt zeigte, den Letzteren als Bischof von Breslau präconisirt, ohne dabei, wie es z. B. bei den von dem Könige von Frankreich ausgehenden Bischofsernennungen zu geschehen pflegte, der Nomination durch den Landesherrn zu gedenken.

König Friedrich hatte die erfolgte Aussöhnung seines Schützlings mit den kirchlichen Gewalten gern gesehen, ja sogar gefördert, und der Regierungsantritt des neuen Bischofs schien eine Zeit erwünschtesten Einvernehmens zwischen den weltlichen und geistlichen Gewalten heraufzubringen zu sollen. Allerdings vertrug der König ein schärferes Geltendmachen der kirchlichen Ansprüche von einem Bischofe mit einem Vorleben, wie es S. hatte, mit weniger Geduld, als er es vielleicht einem Anderen gegenüber gethan hätte; aber im ganzen bewahrte er dem Bischof seine Gunst, und in dessen beständigen Reibungen mit dem unruhigen und intriganten, aber preußenfreundlich gesinnten Propste Bastiani, suchte Friedrich, obwol dabei manche Unregelmäßigkeiten von S. in der Verwaltung des Bisthums ans Licht kamen, mit vorsichtiger Vermittelung die Würde des Bischofs zu wahren, ja noch 1755 ließ er bei einem Conflicte des Letzteren mit dem schlesischen Minister v. Massow den Letzteren fallen, der seine Entlassung nahm. Der Bischof setzte die Ernennung seines Bruders Wenceslaus zum Generalvicar durch, und als 1756 der große Krieg ausbrach, stellte sich S. in seinen Hirtenbriefen auf die preußische Seite mit größerer Entschiedenheit, als streng genommen von einem Kirchenfürsten, dessen Sprengel auch über österreichische Lande sich erstreckte, hätte verlangt werden können. Er versicherte dem Könige, daß er die österreichische Sclaverei bis zum letzten Augenblicke seines Lebens verabscheuen werde.

Aber die Schlacht bei Kolin scheint den Bischof nachdenklich gemacht zu haben, und als dann im Laufe des Sommers 1757 immer neue Unfälle den König trafen, berichtete der schlesische Minister v. Schlabrendorf dem Letzteren Ungünstiges über den Bischof, welcher der steigenden Entmuthigung der Einwohnerschaft geflissentlich Vorschub leiste und selbst mit den Oesterreichern Anknüpfungen suche, wie er denn sogar sich gerühmt habe, der Wiener Hof werde ihn mit offenen Armen aufnehmen, weil man wisse, daß er als vertrauter Günstling des Königs manche Heimlichkeiten von diesem zu erfahren Gelegenheit gehabt. Obwol nun der König daran zweifelte, daß der Bischof nach allem, was vorangegangen, so leicht seinen Frieden mit dem Wiener Hof werde machen können; so entschloß er sich doch, in scharfem Tone, fast drohend, am 12. September [548] 1757 an den Bischof zu schreiben, worauf dann dieser gar nicht antwortete, wenn er gleich nicht unterließ, zu dem Siege von Roßbach seinen Glückwunsch auszusprechen.

Als dann am 24. November 1757 die Oesterreicher Breslau einnahmen, erhielt der Bischof von der Kaiserin, die ihm noch immer höchlich mißtraute, die Weisung, sich nach seinem auf österreichischem Gebiete gelegenen Schlosse Johannesberg zu begeben und dort während der Dauer des Krieges zu bleiben. Die Reise dahin trat S. am 5. December, dem Tage der Schlacht bei Leuthen, an, begab sich aber, ohne der durch diese letztere herbeigeführten gänzlichen Umgestaltung der Lage irgendwie Rechnung zu tragen, von Johannesberg nach einem mährischen Kloster. Dieser Schritt ward nun von König Friedrich als eine Desertion, als ein Uebergehen in das Lager des Feindes angesehen. Er erklärte den Bischof für einen Verräther, legte Beschlag auf alle Einkünfte des Bisthums, welches letztere er sequestriren ließ, und verbot auch den schlesischen Geistlichen, von S. ferner Befehle anzunehmen; als Generalvicare fungirten Mitglieder des Domcapitels, vornehmlich der Canonicus v. Frankenberg, die Spiritualien besorgte der Weihbischof.

Nach dem Frieden 1763 bat S. den König demüthig unter eifrigen Ergebenheitsversicherungen um Wiedereinsetzung in das Bisthum, und auch Papst Clemens XIII. verwandte sich für ihn, während man von Wien aus auf die Frage, ob man hier die Restitution des Bischofs verlange, verneinend antwortete und ihn nur der Gnade des Königs empfahl. Dieser ließ zwar die allgemeine Amnestie auch für S. gelten, so daß derselbe zurückkehren durfte, ließ ihm aber den Schwarzen Adlerorden abfordern, wies ihm Oppeln zu ausschließlichem Wohnsitz an und nöthigte ihn, dem Weihbischofe v. Strachwitz so umfassende Vollmachten zu ertheilen, daß dieser thatsächlich als der eigentliche Leiter des Bisthums anzusehen war. Versuchen des Bischofs, allmählich wieder eine größere Wirksamkeit zu erlangen trat der schlesische Minister v. Schlabrendorf mit feindseliger Wachsamkeit entgegen. Dessen alte Abneigung gegen S. war durch einen Bestechungsversuch desselben nur noch verschärft worden, und er beantragte fort und fort die strengsten Maßregeln gegen ihn, auf welche der König einzugehen doch Bedenken trug. Wohl aber wurde S. mit Strafen bedroht, wenn er sich nicht in seinen Schranken halte. Diese mißlichen Verhältnisse und andauernde Geldverlegenheiten, denen abzuhelfen sich das Domcapitel einmal herbeigelassen, dadurch aber den Zorn des Königs in hohem Maße erregt hatte, bewogen S., am 4. April 1766 nach seinem jenseits der Grenze gelegenen Schlosse Johannesberg zu entweichen, worauf denn jeder Verkehr der schlesischen Geistlichkeit und des Domcapitels mit S. streng untersagt, das Bisthum wieder unter Sequester gestellt und die bischöflichen Verrichtungen ganz in die Hände des Weihbischofs v. Strachwitz gelegt wurden, welches letztere auch der Papst durch Ernennung desselben zum apostolischen Vicar sanctionirte. In Johannesberg hat dann S. bis an sein Lebensende geweilt und ohne jeden weiteren Einfluß auf den preußischen Antheil des Bisthums den österreichischen verwaltet, hier eine größere Anzahl von Kirchen geweiht und 1771 das Generalvicariat zu Teschen errichtet. Auf dem Schlosse Johannesberg ist er am 5. Januar 1795 gestorben.

Max Lehmann, Preußen und die kath. Kirche (Publicationen aus den königl. preußischen Staatsarchiven Bd. 10, 13, 18). – Theiner, Zustände der kath. Kirche in Schlesien 1740–1756, 2 Bde., Regensburg 1852. – Fechner, die erste Flucht und Verbannung des Fürstbischofs von Breslau Ph. G. Graf von Schaffgotsch 1757–63, Zeitschrift für preußische Geschichte, Jahrg. 20 von S. 117 an. – Stettiner, Friedrich d. Gr. und Graf Schaffgotsch, Programm des städtischen Realgymnasiums zu Königsberg i. Pr. 1889.