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ADB:Pichler, Oskar

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Artikel „Pichler, Oskar“ von Caroline Valentin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 577–579, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pichler,_Oskar&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:34 Uhr UTC)
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Pichler *): Ernst Oskar Wunibald P., bedeutender Architekt, wurde am 17. September 1826 zu Frankfurt a. M. geboren und starb daselbst am 31. Mai 1865.[WS 1] Sein Vater, Stephan Ernst P., war ein geschickter Lithograph, der unter dem älteren Morgenstern tüchtig zeichnen und malen gelernt hatte; von ihm sind einige in Oel ausgeführte Architekturstücke im städtischen historischen Museum erhalten. Er erkannte früh das Talent seines Sohnes, den er nach Kräften zu fördern suchte, obgleich ihm dies bei einer zahlreichen Familie nicht eben leicht fiel. Oskar P. besuchte die Gewerbeschule und die Architekturclasse des Städel’schen Instituts. Hier, wie in seinen praktischen Lehrjahren rühmte man seine rasche Auffassung, seinen Fleiß, sein correctes [578] Zeichnen. Im Jahr 1845 begab er sich als einfacher Maurergeselle, mit den besten Zeugnissen versehen, auf die Wanderschaft. In Baden bethätigte er sich zuerst bei verschiedenen großen Bauten und lernte nebenbei die ehrwürdigen Dome Süddeutschlands und seine reizvolle Profanarchitektur kennen. Ueber München zog es ihn die Donau hinab nach Linz, der Stadt, von wo aus seine Vorfahren einst nach dem Westen Deutschlands gekommen waren; das Endziel aber bildete Wien mit seiner reichen alten und neuen Architektur. Hier hat er denn auch die ausschlaggebenden Eindrücke für sein späteres Schaffen empfangen. Als vollendeter Künstler kehrte er im J. 1849 nach Frankfurt zurück und übernahm die Leitung eines fremden Geschäfts, bis er im Jahr 1852 mit seiner Verheirathung auch ein eigenes Bureau gründen konnte. Zunächst galt sein Schaffen dem Privatbau: kleine Villen entstanden in den zu Straßen umgewandelten Gartenwegen der Stadt, Geschäftshäuser, die nach damaligem Gebrauch bloß einer Firma dienten, Wohnhäuser für mehrere Familien. Aber schon in diesen, nur dem praktischen Bedürfniß dienenden Bauten zeigte sich der ganze Mann, der kein Bauproject ohne künstlerische Durchbildung ausführte, der die überkommenen Formen dem modernen Leben anzupassen und sie zu einem harmonischen Ganzen zu verschmelzen verstand – wie es in größerem Maßstabe dann am Ende seines Lebens bei der in italienischer Renaissance erbauten Villa Keßler an der Bockenheimer Landstraße, bei der Anlage der Rückertstraße und bei dem Verlagshaus der Firma Schott in Mainz zu Tage trat.

Im J. 1856 wurde die Concurrenz für den Neubau der Anstalt für Irre und Epileptische vom Frankfurter Senate ausgeschrieben, bei der P. den ersten Preis davontrug. Noch im gleichen Jahre machte er mit dem leitenden Arzte Dr. Heinrich Hoffmann eine Reise nach England und Frankreich, um die neuesten Einrichtungen solcher Anstalten zu studiren. Der Bau wurde von 1859–1863 mit einem Kostenaufwand von einer Million Mark ausgeführt und besteht aus zehn zusammenhängenden, theils ein-, theils zweistöckigen Gebäuden. Der Architekt hatte für sie die Gothik gewählt und schuf, begünstigt durch den auf einem Hügel an der nordwestlichen Peripherie der Stadt gelegenen Platz, einen Monumentalbau, der die ganze Umgebung beherrschte. In rastloser Schaffensfreude wurden von ihm in den folgenden Jahren nachstehende Concurrenzpläne ausgearbeitet: die Landes-Irrenanstalt zu Hildburghausen 1860, erster Preis (erbaut von 1862–1866), der Gefängnißbau zu Frankfurt 1860, erster Preis (nicht ausgeführt), das Dr. Senckenbergische Bürgerhospital 1860, erster Preis (ausgeführt nach Pichler’s Plänen 1870–1874), die große Schützenhalle zu Frankfurt 1861, erster Preis, das Rathhaus zu Innsbruck 1862, zweiter Preis, eine Doppelconcurrenz zu Karlsruhe 1863, zweiter Preis, eine Volkshalle zu Linz 1863, zweiter Preis, das Rathhaus zu Mainz 1864, zweiter Preis. Daneben entstanden noch kleinere Arbeiten; so im J. 1861 vierzehn Villenentwürfe für den Großherzog von Weimar, an den ihn der Herzog von Meiningen, für den er auch Privatbauten errichtete, empfohlen hatte. Ihre Ausstellung im Städel’schen Institut machte Aufsehen, da man hier Gebilde von großem Reiz in den verschiedensten Stilarten vor sich sah. Die landschaftlichen Hintergründe seiner in Aquarell ausgeführten Bauten pflegte P. damals von dem[WS 2] ihm befreundeten Maler Peter Burnitz ausführen zu lassen. Diese Entwürfe, wie auch das Aquarell des Irrenhauses wurden von der Familie Pichler 1886 dem Architekturmuseum der technischen Hochschule zu Charlottenburg überwiesen.

Neben dieser umfangreichen, mit vielen Mühen verbundenen Thätigkeit begegnete sich P. in seinen Mußestunden mit gleichgesinnten Freunden in dem [579] 1857 gegründeten Künstlerverein, dessen Vicepräsident er auch ein Jahr lang war. Engeren Anschluß pflegte er mit dem Historienmaler Wilhelm Lindenschmitt, mit dem Landschafter Karl Haussmann, auch mit dem geistvollen Caricaturenzeichner Ernst Schalck. Der Sinn für alles Echte, Gute und Große in Kunst und Wissenschaft war bei ihm mit einem lebensfreudig heiteren Temperament gepaart und machte seinen Verkehr anziehend für nahe und ferne Freunde, für aufstrebende Schüler, die stets in seinem gastlichen Hause Aufnahme fanden. Das musikalische Talent seiner Gattin erhöhte hier die Geselligkeit. In den letzten Jahren seines Lebens war P. auch Mitglied des gesetzgebenden Körpers, wo er für sein Fach im modernen Sinne zu wirken suchte. Hatte er schon während dem Schillerfest von 1859 als Mitglied des Centralcomités eine umfangreiche Thätigkeit entfaltet, so trat sein organisatorisches Talent noch mehr bei dem Schützenfest von 1862 hervor. Ein Orkan hatte ganz kurz vor der anberaumten Zeit die große Schützenhalle zerstört, die unter der energischen Leitung Pichler’s mit geringer Verzögerung wieder hergestellt werden konnte. Für seine damaligen Verdienste wurde er durch eine Ehrengabe des Senats ausgezeichnet. An den Besuch der Architektenversammlung zu Wien, im September 1864, schloß sich eine Reise nach Oberitalien, zu der ihn sein Freund, der Baurath Erbkam aus Berlin, „verlockt“ hatte. Hier befand er sich den Briefen nach in einem Zustand beständigen „beglückten Lernens“. Bald nach der Heimkehr wurde die Concurrenz für das Parlamentsgebäude im Haag ausgeschrieben; die Lösung dieser Aufgabe hielt er für die größte und schönste seines bisherigen Schaffens. Anfang April 1865 erschien ihm eine Reise nach dem Haag nothwendig, die ihm jedoch bei ungünstigem Frühlingswetter äußerst schlecht bekam. Dennoch machte er den Umweg über Paris zum Besuche befreundeter französischer Architekten. Im Mai raffte ein typhöses Fieber sein kräftiges Leben dahin.

Nach seiner Bleistiftzeichnung und den hinterlassenen Angaben wurde der Plan für das Haager Parlamentsgebäude so weit als möglich ausgeführt und errang so den zweiten Preis. Die niederländische Regierung sandte ihn mit dem Bedauern zurück, daß die durch den Tod des Künstlers hervorgerufene Unvollständigkeit die Verleihung des ersten Preises und die Ausführung verhindert habe. Es blieb P. versagt, in die eigentlich große Bauperiode Frankfurts, die sich nach 1866 und 1870 entwickelte und die eine ganze Anzahl tüchtiger Architekten auf den Plan rief, einzutreten. Unter bedeutend eingeschränkteren Verhältnissen ist er aber dieser Epoche als ein Meister vorausgeschritten und war der erste moderne Frankfurter Architekt, dessen Name auch auswärts mit Ehren genannt wurde.

Frankfurter Conversationsblatt, 3. Sept. 1859. – Neues Frankfurter Museum, 7. April 1861. – Didaskalia, 17. Juni 1865 (Nekrolog) u. a. Tagesblätter. – Schützenfestzeitung von 1887, Nr. I und Nr. XII. – Förster’s Bauzeitung 1861–64. – Briefe u. Aufzeichnungen d. Familie.

[577] *) Zu Bd. LIII, S. 58.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1 65.
  2. Vorlage: den