Zum Inhalt springen

ADB:Poach, Andreas

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Poach, Andreas“ von Georg Buchwald in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 325–331, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Poach,_Andreas&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 06:27 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 26 (1888), S. 325–331 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Andreas Poach in der Wikipedia
Andreas Poach in Wikidata
GND-Nummer 116247118
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|26|325|331|Poach, Andreas|Georg Buchwald|ADB:Poach, Andreas}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116247118}}    

Poach: Andreas P., streng lutherischer Theolog, geb. 1516 zu Eilenburg, † 1585 zu Utenbach. – Andreas P. gehört zu den Personen, welche erst neuerdings durch die Forschungen auf dem Gebiete der Reformationszeit ans Licht gezogen worden sind. Die Angaben über seinen Geburtsort und sein Geburtsjahr waren längere Zeit schwankend. Er stammt ohne Zweifel aus Eilenburg, wie der eigenhändige Zusatz Ileburgensis zu seinem Namen in den Büchern seiner Bibliothek beweist. Fälschlich ist eine Zeitlang Nordhausen für Poach’s Geburtsort gehalten worden. Betreffs seines Geburtsjahres haben wir den einzigen Anhalt in der von P. am 17. Februar 1572 gethanen Leichenpredigt Silberschlags (s. u.), in deren Eingang er erklärt, daß er „nu das sechs- und Fünfftzigste Jar erreicht“. Demnach wäre P. im J. 1516 geboren. Von 1530–1541 hielt er sich in Wittenberg auf, wo er zum Magister promovirte. Er war einer der begeistertsten Schüler Luther’s, mit dessen Geist er verwandt war. Die Reformatoren, die in ihm eine tüchtige Kraft erkannten, schickten ihn im J. 1541 mit Justus Jonas nach Halle, um dort das Evangelium zu predigen. Eine alte handschriftliche Chronik von Halle berichtet darüber: „Uf dem grünen Donnerstag (14. April) kommen zween prediger von Wittenberg (Dr. Justus Jonas und M. Andreas Poach) und ziehen bey Doctor Milden am alten marckt zur Herberge ein. Solches ist die gemeine erfreuet worden, do es aber die Burgermeistere und die uf der Hern seite gehoret, seindt sie sehr erschrocken, den sie waren alle papisten, jedoch do es ihnen von dem Ausschuß angezeiget wardt, konten sie wegen ihrer zusage nicht vorüber und mußten ihr jawort dazu geben, domit nicht ein aufruhr wurde unter der gemeine. Derwegen hatt der Rath die frembden praedicanten (sc. am anderen Morgen) mitt zweien Rathsherren beschicket und sie zu sich uf das Rathaus bitten lassen, do hatt sie der Rath gantz ehrlich empfangen und wegen des Raths und gantzer gemeine gebetten, sie wolten zwischen hier und pfingsten das wortt Gottes predigen … welches die praedicanten zu thun zugesaget.“ Entweder ist nun P. ununterbrochen bis zum Jahre 1547 als Geistlicher an der Marienkirche geblieben, oder er ist 1542 [326] als Archidiakonus nach Jena und von dort wieder nach Halle berufen worden, da, wie die an ihn gerichteten Briefe ausweisen, er 1546 noch bez. wieder an der Marienkirche in Halle angestellt war. Allerdings weisen die Disticha, welche M. Andreas Beier (s. u.) unserm P. setzte:

Andreas Poach nondum tellure reposto
  Luthero Jenae dogmata pura docet.
Ergo Capellanos inter sit Primus in urbe
  Jenensi, populum qui erudiere probum

auf einen Aufenthalt Poach’s in Jena vor Luther’s Tod hin.

P. predigte in Halle das Evangelium offen gegen die Päpstischen vorgehend, bis das Jahr 1547 ihn mit seinen Amtsbrüdern aus Halle vertrieb. Wir lassen darüber als die beste Urkunde die oben erwähnte Chronik erzählen: „Am Sonnabend nach Cantate (14. Mai) zu abend umb 8 Uhr kahm Ein italienischer Herr Johan Baptista de Insula mitt zweyen Trommetern vor das Steinthor neben 8 oder 9 pferden, die wechter liessen sie uf bevehl des Raths, weil sie sich vor des keysers Commissarien und leutte außgaben, ein und kehreten zum güldenen Ringe ein. Die Trommeter aber ritten vor das Rathauß, gaben einen aufforderungsbrief des Duca de Alba von sich dieses inhalts“, daß die Stadt, welche soeben erst (6. Mai) dem Herzog Moritz zu Sachsen hatte huldigen müssen, sich Angesichts dieses dem Kaiser ergeben, durch ihre Gesandten die Huldigung leisten und gewärtig sein solle, was ihnen vom Kaiser zu thun auferlegt werden würde. Den in dieser Folge in das kaiserliche Lager bei Wittenberg geschickten Deputirten wurde unter anderem vorgehalten, daß die Hallischen Prädikanten „ihre keys. Majest. und andere obrigkeit uf der Cantzel unvorschemet geschmehet hetten“ und seien „derwegen die praedicanten in ernste Straffe zu nehmen, dorauß zu spüren, das es auch des Raths gemütt und ernst wehre und sie daran keinen gefallen trügen. Den in verbleibung wolte keys. Majest. den Rath undt gemeine Stadt selbst in straffe nehmen“. Obgleich die auf den Bericht der zurückgekehrten Deputirten aufs Rathhaus geforderten Geistlichen es als eine Verleumdung bezeichneten, daß sie jemals den Kaiser und andere hohe Obrigkeiten geschmäht haben sollten und im Laufe der mit ihnen gepflogenen Vorstellungen erklärten, daß, wenn man sie nicht leiden könne, sie ganz von Halle sich entfernen wollten, so gelobten sie doch endlich dem Rathe an, dem Befehle dem Kaisers zufolge den ihnen auferlegten Hausarrest zu halten und begaben sich in ihre Häuser. „Unter ihnen aber ist allein M. Benedictus Schumann zu St. Ulrich ins Haus bestricket, der doch ungeachtet er am meisten eingelappet, am bescheidensten sich in seinen predigten gehalten“. Ohne Zweifel war P. mit unter den eifrigsten Vorkämpfern gegen die römische Kirche gewesen. Er forderte thatsächlich seine Entlassung und verließ Halle.

Bald folgte P. einem Rufe als Pfarrer zu St. Blasii in Nordhausen. Dort verband ihn innige Freundschaft mit dem Hauptpastor M. Antonius Otho und dem bekannten Arzte Matthäus Ratzeberger. In Nordhausen wurden P. von seiner Frau Susanna zwei Söhne, Andreas und Petrus, geboren. Bereits im Juli 1548 aber strebte P., aus welchen Gründen, wissen wir nicht, aus Nordhausen wieder wegzukommen. Sein Wunsch sollte erst zwei Jahre später erfüllt werden, als es sich um die Neubesetzung der Pfarrstelle an der Augustinerkirche zu Erfurt handelte. Man hatte Jonas oder Major für dieselbe in Aussicht genommen, entschied sich aber schließlich für P., welcher im J. 1550 mit seinem Freunde Ratzeberger Nordhausen verließ, um nach Erfurt überzusiedeln. Am Trinitatisfest des genannten Jahres (1. Juni) trat P. sein Amt an.

In Erfurt wurde P. im Laufe der Zeit (nach den Einen bereits von 1550, nach Anderen erst von 1561 ab; ersteres unmöglich, letzteres fraglich, da noch [327] am 15. December 1561 Georg Ingweiler sich als Senior bezeichnet; cf. unten Buchwald, Poachs Sammlung I, 1, S. 1) Senior des geistlichen Ministeriums. Welch Ansehen er auch in gelehrten Kreisen genoß, geht daraus hervor, daß er, als der Rath im J. 1566 „die Professionem Augustanae Confessionis stifftete, der erste war, dem selbige aufgetragen wurde“. Zwanzig Jahre hindurch hatte P. in Frieden zu Erfurt gewirkt, als sich Streitigkeiten entspannen, die schließlich zu seiner Verbannung führten. Am 18. October 1569 war M. Johann Gallus, seit 1567 Pfarrer an der Regulerkirche zum Rector der Universität erwählt worden. Als M. Gallus von seiner Wahl Kenntniß erhalten hatte, meldete er dies P. als seinem Senior. Bereits am 20. October fand auf Poach’s Einladung eine Versammlung statt, welche über die Frage berieth, ob eine öffentliche Procession der Evangelischen mit den römischen Amtsbrüdern an der Universität zu gestatten sei oder nicht. Ein ähnlicher Fall lag schon aus dem Jahre 1559 vor. Damals hatte der neuerwählte Rector Domprediger M. Gotfried Bergmann das ganze evangelische Ministerium zum Rectoressen eingeladen. „Aber“, sagt P., „wir schlugens abe, und blieben nicht allein vom Prandio, sondern überschickten ihm auch eine Schrifft, in welcher wir ursachen anzeigten, warumb wir seiner Bitte nicht stat geben künden, Nemlich, weil wir durch offentliche Religion und Bekenntnis der Lere, Sacrament und Gottesdiensts von ihme gescheiden weren. Denn wir das Euangelium Christi offentlich predigten und dagegen des Bapsts Lere, Pfafferey, Müncherey, Messen und andere Grewel strafften und verdampten, Sie aber des Bapsts Lere, Pfafferey, Müncherey, Messen und ander Abgötterey lereten und vertheidigten, So kunden wir, on vermeidung Göttlichs zorns, on verletzung unser Gewissen, und on Anstos und Ergernis unser Gemeine zum Rectoressen nicht komen, noch mit ihm Gemeinschaft haben“. Ob solcher Beschluß einstimmig zu Stande kam, ist wohl zu bezweifeln. Ein Verkehr zwischen Evangelischen und Römischen scheint wenigstens bestanden zu haben. Denn ungefähr 1560 wurde P. ein Brief gezeigt, in welchem die evangelischen Prediger Erfurts beschuldigt wurden, vermengte Religion zu haben. P. gab damals zu, daß Evangelische auch in römische Kirchen gingen, leugnete aber, daß ein Verkehr zwischen den evangelischen und päpstlichen Geistlichen bestehe, und erklärte, daß sie denen, die in evangelischen Kirchen das Abendmahl genössen, verboten hätten, „Bepstischer Abgötterey, Messen und anderer gottlosen Ceremonien sich theilhaftig zu machen“.

Die Verhandlungen im J. 1569 bez. der Theilnahme an den Feierlichkeiten beim Rectoratswechsel sollten zu einem anderen Ergebnisse führen, als die vor zehn Jahren. Man kam zu dem Beschlusse, „es sey ein öffentlicher Umgang mit denen Catholischen Geistlichen bey dem gemeinen Mann ärgerlich, und also solte Gallus entweder das Rectorat abschlagen, oder durch Hülffe des Raths es auszuwürken suchen, daß es ihm in Collegio Majori ohne Beyseyn jener übergeben würde“. In einer zweiten Versammlung erklärte Gallus, daß letzteres unmöglich sei, er aber aus wichtigen Ursachen die Uebernahme des Amtes nicht abschlagen dürfe, auch sähe er keinen Grund ein, warum ein äußerlicher Umgang mit den römischen Collegen anstößig sei. Jetzt spalteten sich die Meinungen des Ministeriums. M. Aurifaber, Pfarrer an der Predigerkirche, und M. Hahn, Pfarrer zu St. Andreä, traten Gallus Ansicht bei. Alle übrigen blieben auf Seite Poach’s. Dieser nebst seinem Anhang berief sich auf Bibelstellen, wie Ps. 94, 20; 2. Cor. 6, 14–18; 2. Thess. 3, 6; Tit. 3, 10; 2. Joh. 10, 11; Offenb. 18, 4 und zog das Verfahren Johannes’ gegenüber Cerinth, sowie das des Polykarp gegenüber Marcion an. Die Gegner wiesen die Berechtigung, solches als Beispiel für den vorliegenden Fall anzuführen, zurück und hatten bereits unter dem ersten November von der theologischen Facultät zu Jena ein [328] Gutachten eingeholt, welches unterzeichnet von Wigand, Heßhusius und Cölestin ihnen beistimmte. Da außerdem der Rath zu Erfurt auch auf Gallus’ Seite stand, wurde die feierliche Einführung des neuen Rectors auf Dienstag, den 22. November anberaumt. Am Sonntag vorher brachte die Partei des Gallus die Angelegenheit auf die Kanzel, nicht ohne sie den Zuhörern als recht und billig zu vertheidigen. Am festgesetzten Tage fand also die Inauguration des M. Gallus statt. An dieselbe schloß sich ein solenner Rectoratsschmauß an, zu welchem Gallus, da die eigene Pfarrwohnung zu klein war, ein anderes Haus miethen mußte. Beim Empfange der Gäste nahm er Geschenke entgegen. So gab ihm der Exrector Domdechant Buhemeiger zwei Thaler, der Domprediger M. Bergmann einen Thaler mit den Worten: „Dieser Thaler in meiner Hand ist papistisch, kommt er in eure Hand, so wird er lutherisch.“ Der Letztgenannte hatte bei dieser Gelegenheit öffentlich anschlagen lassen, es wären in Luthers Schriften Antilogia und Hyperbolae enthalten. Das alles war für die streng Lutherische Partei, an deren Spitze P. stand, genügende Veranlassung, gleich am nächsten Sonntag, den 1. Advent, auf der Kanzel gegen die ihrer Meinung nach Abtrünnigen zu eifern. Das Urtheil der Anhänger Poach’s über das Vorkommniß wird damals nicht anders gewesen sein, als wie es P. in der unten erwähnten Silberschlagschen Leichenpredigt ausspricht: „Haben mit des Bapsts Meßpfaffen, Thumbdechant, Thumbprediger und andern Procession gehalten öffentlich, durch die Gassen der Stad, ihnen die Hende gegeben, sie ad solenne prandium, zum herrlichen Mahl zu Gast geladen. Und haben solchs gethan eben denen, die unsere Lehre auffs greulichste lestern und verdammen. Ja, deren etliche, eben in demselben actu D. Martini Lutheri Lehre und Schriften durch offentliche angeschlagene Zeddel, Antilogias und Hyperbolas gescholten haben.“ Seitdem hörte das Streiten und gegenseitige Verdammen auf den evangelischen Kanzeln Erfurts nicht auf. Zwar gelang es zunächst einer vom Rathe zu diesem Zwecke eingesetzten Commission, bestehend aus dem Syndicus D. Schürer und den beiden Schloßherren M. Georg Ziegler und Jeremias Sultzer, die beiden Parteien einander so weit zu nähern, daß sie versprachen, fernerhin die Kanzel nicht mehr zum Schauplatz ihres Kampfes zu machen. Als aber am 3. Advent, den 11. December, durch die Partei des Gallus, wohl in gutgemeinter Absicht, von der Kanzel eine Erklärung über die Veranlassung, den Verlauf und die Beilegung der Streitigkeiten vorgelesen wurde, hielt Poach’s Partei dies für einen Bruch des geschlossenen Vertrags und seitdem begann das Streiten von Neuem. Neue Commissionen wurden behufs der Versöhnung der Parteien eingesetzt. Es war vergebens. Schließlich berief man zwei Hallesche Geistliche, den Superattendent Sebastian Boetius und den Ulrichspfarrer Caspar Cantengieser nach Erfurt, um den Streit beizulegen. Sie brachten dann auch einen Vergleich zu Stande, des Inhalts, „daß dies Theil, so den Rector gescholten, davon abstehen solte, weil sie zu ferne gefahren wären, und das andere Theil, ob ihm wohl zu viel geschehen, allen Unwillen solte fallen lassen, und beiderseits einträchtig Gottes Wort reine lehren“. Von Neuem störte den Frieden der unversöhnliche Aurifaber, welcher, nach Poach’s Urtheil, „nicht dabei sein wolt, da der vertrag solt beschlossen werden“. Der Streit erreichte seine Spitze nach dem Tode des M. Georg Silberschlag, eines der bedeutendsten Männer von Poach’s Partei, dem P. als Senior am 17. Februar 1572 die Leichenrede hielt. Er wählte dazu als Text Hosea 4, 1–5. Ohne Schonung entwirft P. in dieser Predigt ein düsteres Sittenbild von Erfurt. Ganz besonders dringt er darauf, das Papstthum aus der Stadt zu beseitigen. „In dieser Stadt“, klagt er, „stehet noch das Bapstumb, dadurch geschieht gros Gotteslestern mit falscher Lere und Gottlosen Ceremonien, Münche und Pfaffen creutzigen Christum täglich [329] mit Messen, halten Begengnisse, Vigilien, Seelmessen und allerley Heiligendienst. – Und das ich der greulichen Unzucht der Bepstischen Meßpfaffen geschweige, welche nicht allein ihre Concubinen die sie bey sich haben, lassen ausspacieren offentlich auff den Markt und allenthalben, zu ehren ihrem geistlichen Stande, und großen Keuscheit und Heiligkeit, Sondern auch manchem Manne sein Eheweib abspannen und wider alle Recht vorhalten. Man findet nicht allein hin und wider Fündeling, Sondern auch, welchs schrecklich zu hören ist, todte Kinder hingeworfen auff der Gassen, im Keller, in Wassern.“ Offen macht P. aber auch Front gegen die „Brüderlein“, welche kurz vorher gegen Silberschlag und seine Parteigänger „scheußlich auff den Cantzeln auch mit viel Schmehung und Lesterung seiner Person geblitzet und gedonnert“ hatten. Der Rath zog P. wegen dieser Predigt zur Verantwortung. P. soll damals Schweigen gelobt haben. Aber in der Mittwochspredigt, am 26. März, über 1. Kön. 18, 1 erneuerte P. den Angriff auf seine Gegner. In einer Nachschrift ward die Predigt zugleich mit einer Klagschrift auf das Rathhaus gebracht. Sechs der Gegner verlangten ihre Entlassung, falls P. nicht entfernt werde. In der mit ihm angestellten Untersuchung erklärte P., daß, weil seine Gegner ihr „ärgerliches Exempel vertheidigen, seine gegründete Lehre aber verdammen“ wollten, weil der Rath gegen ihn gesinnt wäre, „anbey aber Fried und Einigkeit im Amt haben wolte, so wolle er lieber weichen, und seinen Pfarrkindem sagen, daß sie auff einen anderen Seelsorger bedacht sein möchten“. Es war damals Poach’s Absicht, sein Amt bis zum Ostermontag noch zu verwalten, an diesem Tage aber seine Pfarrkinder im Kreuzgang zu versammeln und seinen Rücktritt zu erklären. Der Rath faßte aber Poach’s Erklärung als ausgesprochenen Verzicht auf sein Amt auf und gab ihm noch vor dem Palmsonntage die angeblich erbetene Entlassung. Eine Abschiedspredigt hat P. nicht halten können. Wenn einige behaupten, er habe eine solche über Psalm 35 gehalten, so beruht dieser Irrthum darauf, daß P. Psalm 35 am Schlusse jener beiden von ihm edirten Predigten abdrucken ließ. Seine Gemeinde bildete aber einen Ausschuß, welcher beim Rathe mit der Bitte einkam, man möge P. noch „die Marterwoch und das Osterfest über zu predigen“ gestatten. Da die Antwort auf sich warten ließ, ging P., veranlaßt durch das Volk, welches „mit hauffen in der kirchen wartete“, und der Meinung, daß der Rath dem Wunsche seiner Gemeindemitglieder nicht widerstrebe, wie gewöhnlich zur Kirche und hörte Beichte. Da erschienen die schon genannten M. Georg Ziegler und Jeremias Sultzer, um ihn im Auftrage des Rathes an weiterer Ausführung seines Amtes zu verhindern. – Poach’s Anhänger gaben sich alle Mühe, die Handlungsweise des Rathes als ungerechtfertigt zu erweisen. Der Rath behauptete, P. habe freiwillig sein Amt niedergelegt, P. hingegen hielt sich für seines Amtes gewaltsam entsetzt. Er hatte sich gleich nach seiner allgemeines Aufsehen erregenden Entsetzung nach Vippach-Fiedelhausen begeben, wo er bei dem Junker Ernst Göttfart liebevolle Aufnahme fand. Er hatte die Aeltesten seiner Erfurter Gemeinde um ein Zeugniß über seine Amtsführung und Amtsentsetzung ersucht. Schon Mittwoch nach Palmarum wurde ihm dasselbe ausgestellt und darin erklärt, daß P. „sich in seinem Predigtamt und andern der Kirchen Obliegen anders nicht denn christlich, treulich und fleißig erzeiget“, und daß man ihn wohl länger hätte behalten mögen. Da er aber „etzlicher Ursachen halben“ seinen Abschied gefordert habe, habe man ihn „an seiner Besserung ungerne hindern wollen“ und „solcher seiner Bitte stattgegeben“. Daß auch seine Gemeinde die Auffassung des Erfurter Rathes theilte, verdroß P. derart, daß er unter dem 13. April dieses Zeugniß mit einem geharnischten Briefe zurücksandte. Er verlangt ein bestimmtes Zeugniß darüber, ob er „Recht oder Unrecht, Wahrheit oder Falschheit gepredigt, ob er im Leben [330] böslich und ärgerlich oder aber christlich und unärgerlich sich gehalten habe“. Auf das Entschiedenste aber weist er die Behauptung zurück, er habe seine Entlassung gefordert. „Darumb“, schließt er sein Schreiben, „warne ich euch, das ir euch mit frembden handeln nicht beladen wollet und bitte nu wollet der warheit zeugnis geben, was ich gepredigt und wie ich mich im leben bey euch gehalten habe, damit Gottes Gerichte nicht über euch kome“.

P. stand ganz allein da. Sein Sohn Andreas war wohl schon in geistlichem Amte, da der Vater sich damals als „der Elter“ bezeichnet. Sein Sohn Petrus war Student. Seine Frau Susanne war bereits 1567 gestorben. Von Findelhausen begab sich P. nach Mühlhausen zu seinem Freunde M. Ludwig Helmbold, der seit einem reichlichen Vierteljahr als Diakonus an der Marienkirche wirkte. Die Quellen über Poach’s weiteres Leben fließen sehr spärlich. So lange die Specialforschung nicht mehr Licht in dasselbe bringt, wissen wir nur, daß er sich von Mühlhausen nach Weimar begab. Dort suchte er um eine Anstellung nach, wurde aber nach Jena gewiesen. Schließlich wurde er Pfarrer zu Utenbach, einem Dorfe in der Nähe von Jena. Er steht als „Andreas Boach“ mit unter den Unterzeichnern der Concordienformel aufgeführt. Er starb wahrscheinlich am 2. April 1585.

Poach’s Name bleibt dauernd mit dem Luther’s verbunden. Er hat ein hervorragendes Verdienst um die Erhaltung der homiletischen Werke des großen Reformators, dessen begeisterter Schüler und unwandelbarer Anhänger er war. Poach’s schriftstellerische Thätigkeit bestand fast ausschließlich in der Bearbeitung Lutherischer Predigten, die er zum Theil selbst noch herausgegeben, zum Theil im Manuscript hinterlassen hat. Wir haben demnach seine schriftstellerischen Erzeugnisse in drei Gruppen zu theilen, deren erste die persönlichen Schriften, die zweite die von ihm edirten, die dritte die handschriftlich von ihm hinterlassenen Predigten Luther’s bildet.

I. Vom Christlichen Abschied aus diesem sterblichen Leben des lieben thewren Mannes Matthei Ratzenbergers der Artzney Doctors Bericht durch Andream Poach Pfarrherrn zun Augustinern in Erffurdt vnd andere, So dabey gewesen, kurtz zusamen gezogen. Anno Domini M. D. LIX. Mense Januario. Gedruckt zu Jhena durch Thomam Rebert. – Eine Predigt aus dem Propheten Hosea, Cap. 4. Vber der Leiche M. Georgii Silberschlags, Neunpredigers und Pfarrers zu Kauffmannskirche, vnd Hebraicae linguae publici Professoris, in der Vniuersitet zu Erffurdt, gethan durch Andream Poach, Pfarrer zun Augustinern am Fastnacht Sontag, welcher war 17. Februarii, Anno Domini 1572. – Ein ander Predigt, Vber den Spruch Eliae I. Reg. 18. gethan durch Andream Poach, in der Kirchen zun Augustinern, Mitwoch nach Mariae verkündigung, welcher war der 26. tag Martii 1572. (Beide Predigten zusammen im J. 1572 herausgegeben.) – Bekenntniß und Grund der Lere vom heiligen und hochwürdigen Sacrament des Leibs und Bluts unsers Herrn Jhesu Christi, aus Apostolischer Schrift und Lutherischen Büchern zusammenbracht durch Andream Poach, Exulem, zu dieser Zeit nöthig und nützlich zu lesen und zu wissen. Mülhausen. A. 1572. –

II. Poach’s Hauptwerk auf diesem Gebiete ist die im J. 1559 erschienene Hauspostille Luthers, welche auf Grund der Nachschriften Georg Rörers (1525 als der erste evangelische Prediger von Luther ordinirt. † 1557) bearbeitet war. Rörer und Veit Dietrich hatten die Predigten nachgeschrieben, welche Luther in den Jahren 1530–1534 in seinem Hause gehalten hat. Dietrich hatte bereits im J. 1544 diese Predigten als Luther’s Hauspostille, von Luther autorisirt, erscheinen lassen. In der Widmungsschrift an den Nürnberger Rath hatte der Herausgeber erklärt, behufs Vervollständigung des Werkes einige Predigten hinzugesetzt [331] zu haben. „Durch diese Aeußerung mochten nach Luther’s Tode Zweifel gegen die Echtheit der Dietrich’schen Hauspostille entstanden sein, indem man aus Dietrich’s eigenem Geständnisse glaubte schließen zu müssen, er habe zu Luther’s Predigten seine eigenen hinzugethan.“ So gab denn P. aus Rörer’s Nachschriften, die die Herzöge von Sachsen um schweres Geld gekauft hatten, nochmals Luther’s Hauspostille heraus. Ein längerer Streit über den Werth beider Editionen schloß sich daran. Nur so viel sei hier gesagt, daß der Vergleich der Poach’schen Bearbeitung mit den in der Zwickauer Rathsschulbibliothek von Unterzeichnetem aufgefundenen Copien Rörer’scher Nachschriften einen engen Anschluß an das Gegebene aufweist. – Auch sonst hat P. aus Rörer’s Nachschriften manche einzelne Predigten Luther’s durch den Druck veröffentlicht, von denen wir nur eine, weil in den bisherigen Lutherausgaben vergessene, hervorheben: „Von Jhesu Christo warem Gott und Menschen und von seinem Amt und Reich, so er führt in der Christenheit, zwo Predigten D. Martini Lutheri, aus der Epistel S. Pauli Col. 1 geprediget zu Wittenberg A. 1537, vor nie im Druck ausgangen, itzt aber aus den Verzeichnissen, wie sie zu der Zeit aus dem Munde Lutheri aufgefangen sind, zusammenbracht und im Druck verfertiget durch Andr. Poach, Pfarrern zu Utenbach bey Jhena. A. 1578. Mülhausen. A. 1759.“

III. Poach’s hauptsächliche und hervorragende Bedeutung liegt entschieden auf dem Gebiete der Textkritik und Vervollständigung der Predigten Luther’s, die uns durch die Auffindung seiner Manuscripte in der Zwickauer Rathsbibliothek und der fürstlich Oettingen-Wallersteinischen Bibliothek zu Mayhingen ermöglicht worden ist. In diesen Manuscripten sind uns nahezu vollständig Luther’s Predigten von Weihnachten 1528–1536 und 1536–1546 erhalten, zum Theil noch in der Gestalt der Nachschrift, zum Theil schon zur Herausgabe bearbeitet. Durch dieselben haben wir eine Handhabe, die vornehmlich von Aurifaber bearbeiteten, zum Theil von demselben herausgegebenen, zum Theil handschriftlich in Heidelberg und Wolfenbüttel aufbewahrten Predigten Luther’s textkritisch zu behandeln, sowie bez. chronologisch zu bestimmen. Andererseits aber erhalten wir durch dieselbe eine chronologisch feststehende Vervollständigung der uns überlieferten Predigten Luthers, die zum Theil auch über die angegebene Zeit hinausgreift. So finden sich in einem der betreffenden Bände von Poach’s Hand eingetragen zwei Predigten Luther’s, die ohne Zweifel zu dem ältesten gehören, was uns von dessen Predigtthätigkeit überliefert ist. P. hatte sie im Erfurter Augustinerkloster aufgefunden. Poach’s handschriftliche Hinterlassenschaft wird, soweit dies noch nicht geschehen, für die Weimarer Lutherausgabe verwerthet.

Hundorph, Encomium Erffurtinum. 1651. – Kindervater, Northusa illustris. 1715. – Motschmann, Erfordia literata. 3. Sammlung. 1730. – vom Hagen, Die Stadt Halle. 1867. Dreyhaupt, Beschreibung des Saalkreises. 1749. I, 978 f. – Weller, Altes und Neues. I, 21 ff., 126; II, 68 ff. – Kawerau, Briefwechsel des Justus Jonas. II. – Buchwald, Andreas Poachs handschriftliche Sammlung ungedruckter Predigten D. Martin Luthers. I. Einleitung. Vgl. Weimarer Lutherausgabe IV, 587.