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ADB:Jonas, Justus (lutherischer Theologe)

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Artikel „Jonas, Justus“ von Gustav Frank in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 492–494, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jonas,_Justus_(lutherischer_Theologe)&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 11:18 Uhr UTC)
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Band 14 (1881), S. 492–494 (Quelle).
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Jonas: Justus J., geb. am 5. Juni 1493 in der Reichsstadt Nordhausen, hieß eigentlich Jodocus oder Jost Koch Northusanus. Der Vorname Jost wurde von seinem humanistischen Freunde Eoban Hesse in Justus umgewandelt, Jonas aber war der Vorname seines Vaters (Jonas proconsul), der schon bei diesem den Zunamen verdrängt hatte. Er besuchte die Schule seiner Vaterstadt und bezog 13 Jahre alt die Universität Erfurt, sich den humanistischen und Rechtsstudien zu widmen. Nachdem er 1507 Baccalaureus, 1510 Magister geworden, setzte er seine Studien in Wittenberg fort, wo er auch der Theologie näher trat. Nach Erfurt 1517 zurückgekehrt, ward er ein Jahr darauf zum Licentiaten der Rechte promovirt, erhielt ein Canonicat an der Severikirche und trat nun auch als akademischer Lehrer auf. Ein begeisterter Verehrer des Erasmus unternahm er 1519 zu ihm, der Perle des Erdkreises, eine Wallfahrt in die Niederlande. In demselben Jahre ward er zum Rector der Universität gewählt, zu deren Zierden er gezählt wurde. Von dem neuen Geist, den Wittenberg ausströmte, erfaßt, fing er an Vorlesungen über biblische Bücher zu halten. Da hat ihn Luther beglückwünscht, daß er aus dem stürmischen Meere der menschlichen [493] Rechtsgelehrsamkeit im Hafen der heiligen Schrift gelandet sei. 1521 war er Luther’s Begleiter auf der Reise nach Worms. Wegen seiner Hingabe an die Reformation ist er von Hutten doppelt geliebt geworden, mit Erasmus, wie es scheint, zerfallen, worüber er mit seinem Wahlspruch sich tröstete: Si iam hominibus placerem, Christi servus non essem. Doch hat er Luther’s Heftigkeit gegen den großen Humanisten zu mäßigen gesucht. Als der Monarch der Juristen, Henning Göde, Propst zu Allerheiligen in Wittenberg (s. Bd. IX S. 314 ff.), 1521 gestorben war, wurde J. an seine Stelle berufen und am 6. Juni feierlich installirt. Er ließ sich aber von der mit der Propstei verbundenen Professur des kanonischen Rechts entheben und trat in die theologische Facultät ein, von welcher er noch in demselben Jahre zum Licentiaten und Doctor promovirt wurde. Seine Vorlesungen bezogen sich auf wissenschaftliche und praktische Bibelerklärung. Er trat aber auch als beredter Prediger (lingua nobilis, ore fulminator) auf. Dr. Jonas, sagte Luther, hat alle Tugenden, die ein Prediger haben mag, nur daß er sich oft räuspert, kann man ihm nicht zu gut halten. In den Wittenberger Unruhen maßhaltender als Carlstadt, schloß er sich, als Luther zur Beschwörung des Sturmes wiederkehrte, ganz an diesen an, ein treuer und umsichtiger Gehülfe am Werke der Reformation. Er nahm mit Luther und Bugenhagen an den Kirchenvisitationen und an der Revision der Bibelübersetzung Theil, übersetzte die Apologie der Augsburgischen Confession (G. Plitt, Die Apologie der Augustana geschichtlich erklärt. Erl. 1873, S. 240), Melanchthon’s loci theologici und verschiedene Schriften Luther’s ins Deutsche, schrieb auf Luther’s Antrieb gegen den bischöflichen Vicar zu Constanz, Johann Faber, eine „Defensio pro coniugio sacerdotali“ (1523), wider die Gotteslästerung und schreckliche Mörderei der Türken, als dieselben 1529 Wien erfolglos belagert hatten, endlich gegen den Apostaten Georg Wizel. Der Abendmahlsstreit führte ihn mit Luther zum Colloquium nach Marburg. Er schrieb von dort über die Häupter der Gegenpartei: Zwingli hat etwas Bäurisches und Anmaßendes, Oekolampad ist von seltener Gutmüthigkeit und Sanftmuth, Bucer ist schlau wie ein Fuchs. Festhaltend am einfältigen Wortlaut der Einsetzungswortc, hat er doch im Sacramentsstreite versöhnend zu wirken gesucht. Denn der Satan habe durch nichts der Sache des Evangeliums so schaden können als durch die Secten und Parteiungen. In diesem Sinne unterschrieb er 1536 die Wittenberger Concordie. 1530 finden wir ihn mit auf dem Reichstag zu Augsburg, wo er Melanchthon mit seinem Rathe beistand und Muth einsprach. Dem Convente zu Schmalkalden hat er nicht beigewohnt, wol aber die schmalkaldischen Artikel unterschrieben. 1536 wirkte er für die Einführung der Reformation in Naumburg, betheiligte sich 1539 an der Kirchenvisitation im Meißnischen Lande, verfaßte auch eine „Kirchenordnung für die Diener der Kirchen in Herzog Heinrich zu Sachsen Fürstenthum“, und als rechtskundiger Mann im Auftrage seiner Facultät ein „Bedenken der Consistorien halben“, d. i. eine consistoriale Kirchenverfassung für das kurfürstliche Sachsen. Einen neuen Abschnitt in seinem amtlichen Leben bedeutet seine zunächst nur zeitweilige Berufung nach Halle, der Residenz des Cardinalerzbischofs Albrecht von Brandenburg (1541). Während J., unterstützt von seinem Kaplane Andreas Poach, das Reformationswerk energisch durchführte, siedelte der Erzbischof mit seinem Hofe in das besser katholische Mainz über. Drei Jahre lang fungirte der Wittenberger Propst als Pfarrer und Superintendent in Halle, für welche Stadt er auch sofort eine eigne Kirchenordnung verfaßte, als es dem Rath daselbst gelang, J. als perpetuirlichen Seelsorger und Superattendenten zu gewinnen. Er trat der Propstei in Wittenberg Einkommen und Gerechtigkeit gänzlich ab, blieb aber ein Gliedmaß der dortigen Universität mit einem lebenslänglichen jährlichen Gehalt von 100 Gulden. Als 1545 der Erzbischof [494] Albrecht gestorben war, verweigerte Halle seinem Nachfolger, dem Markgrafen Johann Albrecht, die Erbhuldigung. Der hierauf zu Stande gekommene Wittenberger Vergleich gab der Stadt die Religionsfreiheit. Die Verjagung der närrischen, schäbichten und lausichten Mönche, dieser kainschen Feinde der reinen Lehre, welchen der heilige Gottesmann Luther ein Teufelsketzer war, war jedoch nicht durchzusetzen. So oft Luther nach Halle kam, kehrte er bei seinem lieben J. ein, so auch auf seiner letzten Reise 1546. J. begleitete ihn nach Eisleben, stand am 18. Februar an seinem Sterbebette, vernahm sein letztes Bekenntniß und hielt ihm am 19. Februar in der Hauptpfarrkirche zu St. Andreas die Leichenpredigt. Im schmalkaldischen Kriege stand J. treu zu seinem Kurfürsten, während er Kaiser Carol, den hispanischen Diocletian, in der Litanei ausließ und im Credo neben Pilatus setzte. Von Herzog Moritz aus Halle vertrieben, kehrte er, als Kurfürst Johann Friedrich die Stadt besetzte, auf kurze Zeit zurück, um nach der Schlacht bei Mühlberg aufs Neue zu flüchten. Er begab sich in seine Vaterstadt Nordhausen, von wo er nicht lange nachher nach Hildesheim berufen wurde, dort das Evangelium zu predigen und das Kirchenwesen zu ordnen. Auf Grund eines Geleitbriefes des Kurfürsten Moritz kehrte er 1548 nach Halle zurück, doch wagte der Rath nicht, ihn in sein Predigtamt wieder einzusetzen. Daher folgte er 1551 dem Rufe des Herzogs Johann Ernst, Halbbruders des Kurfürsten Johann Friedrich, zum Hofprediger und Superattendenten in Koburg. Als solcher betheiligte er sich am Streite wider Osiander. Sein Herzog gestattete ihm, 1552 das durch das Interim gestörte Kirchenwesen in Regensburg wieder in Ordnung zu bringen und im Jahre darauf seinen Aufenthalt eine Zeit lang in Jena zu nehmen, um zur Hebung der neugegründeten Universität durch seine Autorität und seinen Rath mitzuhelfen (E. Schwarz, Das erste Jahrzehnt der Universität Jena. Jena 1858, S. 47). Nach dem Tode des Herzogs Ernst erhielt J. das Oberpfarramt zu Eisfeld an der Werra sammt dem Inspectorate der fränkischen Kirchen im Fürstenthum Koburg. Nach mancherlei harten Anfechtungen ist er im Frieden des Evangeliums heimgegangen am 9. October 1555. J. ist dreimal verheirathet gewesen. Von seinen Kindern ist sein rechtsgelehrter Sohn, Justus J. der Jüngere (s. u.), durch sein tragisches Geschick bekannt geworden.

L. Reinhard, De vita et obitu Justi Jonae. Vimariae 1731. G. Chr. Knapp, Narratio de Justo Jona. Halis 1817. H. A. Erhard in der Allg. Encyklopädie, 2. Section, Bd. XXII, S. 393–408. C. F. Th. Schneider in Herzog’s Realencyklopädie, VII. 1–3. H. G. Hasse, Justus Jonas’ Leben. Leipzig u. Dresden 1862. (M. Meurer’s Leben der Altväter der lutherischen Kirche. Bd. II, Abth. 2, S. 117–223.) Th. Pressel, Justus Jonas. Elberf. 1862. (K. I. Nitzsch’s Leben u. ausgewählte Schriften der Väter u. Begründer der lutherischen Kirche. Thl. VIII.) O. Schmidt in der 2. Aufl. von Herzog’s Realencyklopädie VII. 87–91. Ueber Jonas als Kanzelredner s. W. Beste, Kanzelredner d. luth. Kirche. Leipz. 1856, I. 149–162. Die von Jonas verfaßten Lieder: „Wo Gott der Herr nicht bei uns hält“ etc. und „Der Herr erhör’ euch in der Noth“ etc. stehen z. B. in Klaiber’s Evangelischer Volksbibliothek (Stuttg. 1863), V. 16 ff.