ADB:Popplau, Nikolaus von
Kaiser Friedrich III., in denen er bis zu Anfang d. J. 1483 verblieb. Daß er die Zufriedenheit seines Gebieters sich zu erwerben verstand, beweisen urkundlich festgestellte Auszeichnungen, wie die Verleihung des Palatinats an P., mit dem Rechte zur Ernennung von zehn sogen. Doctores bullati; die „Besserung“ des ererbten Wappens [429] und das Privileg, mit rothem Wachs siegeln zu können. Daß P. auch den Ritterschlag erhalten, läßt sich durch das ihm damals schon beigelegte Prädicat eines gestrengen Ritters wohl mit Sicherheit folgern. Der offenbare Grund zur Quittirung des Hofdienstes lag in dem Entschluß des reichbemittelten und gebildeten Schlesiers, große Reisen zu unternehmen. Mit Empfehlungsschreiben des Kaisers versehen verließ P. in Begleitung mehrerer Diener am 2. Februar 1483 Wien. Quer durch das Reich über den Rhein ziehend und an einzelnen Fürsten- und Herrenhöfen zeitweiligen Aufenthalt nehmend, begab sich der Ritter alsdann nach Burgund. Hier war es, wo er am Hofe Maximilians I., Herzogs v. B., durch seine Fertigkeit und Eleganz im Lateinsprechen, sowie durch seine ritterlichen Künste allgemeinste Bewunderung fand. Von da aus, im Aprilmonat (1483), richtete P., in Middelburg das Schiff besteigend, sein Ziel nach England. Vom englischen Hofe wohlempfangen und hochgeehrt, begab sich der schlesische Landsmann nach einem mehrmonatlichen Aufenthalte im Britenreiche auf dem Seewege direct nach der Iberischen Halbinsel. Nach äußerst gefahrvoller Schifffahrt an die galizische Küste verschlagen, durchzog er das portugiesische Königreich und traf um Mitte August in Lissabon ein und verweilte am Hofe des Königs Johann II. in Setuval bis Anfang September. Hierauf ging er nach Spanien und besuchte im October das in Granada residirende Königspaar. Erst Neujahr 1485 verließ er Spanien und gelangte am Lichtmeßtage in Perpignan an. Den jungen König Frankreichs, Karl VIII., traf der Ritter am 18. April in Rouen an. Im Mai finden wir diesen in Paris. Den Heimweg über Brabant nehmend, machte P. am Hofe des Pfalzgrafen in Heidelberg längere Rast. In Ulm fand er den Kaiser vor, der ihn gnädig aufnahm, über die bereisten Länder und besuchten Höfe befragte und ihm den rückständigen Jahresgehalt von 380 Reichsgulden auszahlen ließ. Nachdem P. noch den Markgrafen Albrecht Achilles und den böhmischen König Wladislaw besucht hatte, gelangte er endlich im Frühsommer 1486 in seiner schlesischen Heimath wieder an. Die über diese erste mehrjährige Reise erhaltenen tagebuchförmigen Berichte Popplau’s, deren Original sich nicht nachweisen läßt, sind auf Grund bedeutend jüngerer Abschriften, wenn nicht Uebertragungen eines lateinischen Urtextes ins Deutsche, in Schlesien wiederholt, zuerst 1792, veröffentlicht worden. Die früheste ausführlichere Nachricht über den schlesischen Reisenden und seine Aufzeichnungen verdanken wir Joh. Sinapius, dem verdienstvollen Verfasser der 1720 erschienenen Schlesischen Curiositäten.
Popplau: Nikolaus von P., ein Schlesier, Reisender und Diplomat. Unternahm in den Jahren 1483 bis 1490 große Reisen nach dem westlichen und weiterhin nach dem nordöstlichen Europa. Aus einem seit Ende des 14. Jahrhunderts zuerst in Liegnitz und bald nachher auch in Breslau auftretenden patricischen Geschlecht, das durch Großhandel und Familienverbindungen zu bedeutendem Reichthum und Ansehen gelangte, stammend, wurde Nikolaus als erstes Kind des Breslauer Handels- und Rathsherrn Johann P. († 1455) und der Hedwig (Hese) geb. Ungeraten a. d. H. Gnichwitz, muthmaßlich innerhalb der Jahre 1435–1440, geboren. Urkundlich erscheint P. zum ersten Male unter den Erben des Caspar Ungeraten von Gnichwitz, seines mütterlichen Großvaters. Ueber seine frühere Jugendzeit sind wir nicht näher unterrichtet. Daß P. eine sorgfältige körperliche und geistige Ausbildung genossen hat, ist den über ihn aus späterer Lebenszeit erhaltenen Nachrichten zufolge sicher anzunehmen. Seine Beredsamkeit und seine Gewandtheit im Gebrauch der lateinischen Sprache, durch welche er nachmals auf seinen Reisen allerorten Aufsehen und Bewunderung erregte, setzen gründliche Universitätsstudien voraus. Zudem war ihm eine außerordentliche Körperstärke eigen, welche sich insbesondere in der Handhabung einer gewaltigen Turnierlanze äußerte; letztere hat P. auf seiner ganzen ersten Reise mit sich geführt und erstaunliche Leistungen mittelst derselben ausgeübt. 1473 im Juni finden wir N. v. P. in seiner Vaterstadt so ernstlich erkrankt, daß er sich mit seinem einzigen jüngeren Bruder Caspar, gestorben 1499 als einer der reichsten Kauf- und Rathsherren daselbst, wegen des gemeinsamen Vermögens auseinandersetzte und letztwillige Verfügungen traf. Wiedergenesen trat P. späterhin, wann ist unerwiesen, in Hofdienste beiDie besprochenen Reiseberichte nun lassen ihren Verfasser als einen hochgebildeten Touristen von Geschmack und scharfsinnigen Beobachter erkennen. Die Blicke desselben sind nicht nur hauptsächlich auf religiöse Dinge gerichtet, sondern vornehmlich auch auf Sitten, Gebräuche, Anschauungsweise und Eigenthümlichkeiten der durchwanderten Länder und ihrer Bewohner. Knappe Schilderungen des Charakters einzelner Völker, so namentlich desjenigen der Engländer, lassen gewisse Nationalzüge als unwandelbar, noch gegenwärtig wie vor vier Jahrhunderten beobachtet erscheinen. Bemerkenswerth sind u. A. auch die von P. aufgestellten Vergleiche ausländischer Städte mit solchen in den heimathlichen Ländern hinsichtlich ihres Umfanges, ihrer Einwohnermenge und ihres Reichthums an kirchlichen und anderen Gebäuden.
Nach einem nur mehrmonatlichen Aufenthalte im Vaterlande schickte sich der unternehmungslustige Ritter von Neuem zu einer großen Wanderung an und zwar diesmal nach dem damals noch fast gänzlich unbekannten nordöstlichen Europa; nicht aber ohne zuvor neue testamentarische Bestimmungen getroffen und Stiftungen zum Besten des eignen Geschlechtes und weiterhin auch für würdige [430] Arme, die in den „ehelichen Orden“ zu treten gewillt seien, gemacht zu haben. Dies war Anfangs September (1486) geschehen. Noch vor Jahresschluß erreichte P. mit seinem Gefolge Moskau und erlangte den erbetenen Zutritt am Hofe des Großfürsten Iwan III. Wassiljewitsch. Die über diese und die zweitfolgende russische Reise vorhandenen Nachrichten sind, so viel bis jetzt bekannt, beinahe ausschließlich russischen Ursprungs. Ihnen zufolge hätte nun P. lediglich von Reiselust und Wißbegierde erfüllt und keineswegs in speciellem, ihm höheren Ortes ertheilten Auftrage die moskowitische Hauptstadt als Ziel dieser seiner ersten Reise gewählt gehabt. Die Rückkehr des kühnen, mit gewissem Argwohn am großfürstlichen Hofe behandelten Touristen erfolgte anscheinend in den ersten Monaten des Jahres 1487. Bald hierauf, bei einer Zusammenkunft Popplau’s mit dem Kaiser in Nürnberg, muß die zweite, folgenreiche Reise des Ritters nach Moskau, die nunmehr aber den Charakter einer diplomatischen, von Kaiser Friedrich III. veranlaßten Sendung behufs Anbahnung politischer und freundschaftlicher Beziehungen zwischen dem großfürstlichen Hofe und der Wiener Hofburg erhielt und mit welcher unser schlesischer Ritter betraut wurde, geplant worden sein. Dadurch, daß P. noch in Nürnberg schwer erkrankte und viele Monate hindurch reiseunfähig blieb, schob sich die Ausführung der Gesandtschaft bis gegen Neujahr 1489 hinaus. Mit kaiserlichem Creditiv d. d. Ulm 26. December 1488 ausgerüstet, traf der Abgesandte mit seinem der Wichtigkeit des Auftrags entsprechenden Gefolge gegen Ende des Januars in Moskau ein und verweilte daselbst wahrscheinlich bis zum März. Das Resultat der Mission Popplau’s war die Absendung eines eignen Vertreters des Großfürsten Iwan Wassiljewitsch an K. Friedrich III. in der Person eines von ersterem in den wichtigsten Staatsgeschäften gebrauchten Griechen, Georg Trachaniotes. Letzterer erschien, nach dem Berichte deutscher Geschichtsquellen, am 25. Juli 1489 auf dem Reichstage zu Frankfurt a. M. vor dem Kaiser und eröffnete diesem, unter Ueberreichung kostbarer Geschenke, mit Bezugnahme auf die neuliche Sendung Popplau’s, daß sein Herr bereit sei, das gewünschte Freundschaftsbündniß einzugehen und proponirte weiter eine Heirath zwischen einer der großfürstlichen Töchter und dem Kaisersohn, dem römischen Könige Max I. Wie bekannt, ist letzterer Vorschlag nicht verwirklicht, wol aber von da an der staatliche Verkehr zwischen den beiden Großmächten ohne Unterbrechung bis auf die Gegenwart fortgesetzt worden. Insofern es nun N. v. P., dem schlesischen Edelmann, beschieden war, die erste Vermittelung dieser diplomatischen Beziehungen glücklich durchzuführen, gebührt ihm die Anerkennung als würdiger Vorgänger Sigmund von Herberstein’s, des berühmten österreichischen Staatsmannes. Leider haben sich eigenhändige Aufzeichnungen Popplau’s über seine russischen Reisen weder in den Wiener Archiven, wie zu vermuthen war, noch sonst wo auffinden lassen; wir sind und bleiben anscheinend auf die einschlägigen russischen Ueberlieferungen angewiesen.
Ueber das fernere Leben Popplau’s wissen wir nur noch, daß er nach Beendigung seiner diplomatischen Geschäfte im Frühjahr Moskau verlassen und seine Rückreise, jedenfalls aus der ihm eigenen Reiselust, auf großen Umwegen über Finnland, Schweden und Dänemark genommen hat. Seine Ankunft auf deutschem Boden erfolgte in Lübeck, woselbst er bald neuerdings erkrankte. Nach seiner Genesung siedelte er von Lübeck nach Nürnberg über und von hier erhalten wir das letzte urkundliche Lebenszeichen von ihm durch ein am Mittwoch nach Frohnleichnam (16. Juni) 1490 datirtes Schreiben für seinen Diener Johann Saëder, welches letzterer dem Großfürsten überbringen sollte. Nach einer in schlesischen Geschichtswerken, die übrigens von den russischen Reisen Popplau’s auch nicht das Mindeste wissen, mitgetheilten Tradition soll der reiselustige Schlesier in Aegypten auf der Rückreise von Palästina gestorben sein. Das könnte nun allerdings [431] nicht schon 1489, möglicherweise aber doch nach dem Frühsommer 1490 erfolgt sein, da die Ausführung einer Wallfahrtsreise nach dem gelobten Lande N. v. P. sehr wohl zugetraut werden darf und die erste schriftliche Bestätigung eines seiner Erben über den richtigen Vollzug der ihn betreffenden testamentarischen Anordnung erst vom 27. October 1494 datirt. Schließlich werde mitgetheilt, daß Magdalena, die ältere Schwester Nicolaus’, frühzeitig in das Benedictiner-Jungfrauenstift zu Liebenthal eingetreten ist und noch 1527 letzterem als Aebtissin vorgestanden hat. Katharina, die jüngere Schwester, verheirathete sich an den königlich böhmischen Rath und Landeshauptmann von Breslau Lucas Eigenreich. Nikolaus v. P. selbst scheint niemals verheirathet gewesen zu sein. Das Geschlecht der Popplau oder Poppel, nachdem es bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts in großer Blüthe gestanden, verarmte späterhin, wie es heißt, in Folge übler Wirthschaft und verschwand aus dem Kreise der Vornehmen Schlesiens. Der Umstand, daß das alte Familienheiligthum, die Grabcapelle bei St. Peter und Paul zu Liegnitz noch im Laufe des dreißigjährigen Krieges in fremde Hände überging und umgebaut wurde, beweist zur Genüge, daß der altberühmte Name der Popplau schon damals der Vergangenheit angehörte.
- Sinapius, Schlesische Curiositäten. Th. I, S. 718. – Streit, Schles. Monatsschrift, Breslau 1792. S. 94 ff. – Oelsner u. Reiche, Schlesien ehedem und jetzt. Breslau 1806. Bd. I, S. 27 ff. – S. B. Klose, Darstellung der inneren Verhältnisse der Stadt Breslau v. J. 1458 bis z. J. 1526 in Stenzel, Scriptores rer. Silesiacarum. Bd. III, S. 361–374. – Chmel, Reg. Chron. dipl. Friderici IV., Abth. 2, p. 710. – Adelung, Friedr. v., Kritisch-litterärische Uebersicht der Reisenden in Rußland bis 1700. Petersb. u. Leipz. 1846. Bd. I. 149 ff. – Karamsin, Gesch. des russ. Reichs. Bd. VI (1824), S. 165 ff. – Strahl im Pertz’schen Archiv, Bd. VI, S. 528 ff. und Fiedler, Joseph, in den Sitzungsberichten der k. k. Akad. der Wissensch. in Wien. Bd. XXII (1857), S. 187–220. – Eine ins Spanische übersetzte Schilderung der Reise Popplau’s durch Spanien nach der Publication v. Oelsner u. Reiche ist enthalten in Anonymi Viajes de Extranjeros por España y Portugal en los siglos XV., XVI. y XVIII. por F. R. Madrid, s. a.