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ADB:Primisser, Johann Friedrich

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Artikel „Primisser, Johann Friedrich“ von Otmar Schissel von Fleschenberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 119–120, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Primisser,_Johann_Friedrich&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 02:45 Uhr UTC)
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Primisser: Johann Friedrich P., der älteste Sohn des Webers Johann Primisser und der Maria Burger, der Vetter der litterarisch bekannten Brüder Karl Kassian Primisser und Johann Baptist Primisser. Geboren zu Prad im Vintschgau am 21. August 1757, erhielt er eine über seinen Stand hinausgehende gelehrte Erziehung, die ihn zu seiner Stelle als k. k. Gubernial-Registraturs- und Archivs-Official vorbereitete,für die er am 9. Mai 1785 in Pflicht genommen wurde. „Seinem Lehrer und würdigsten Oberbeamten“ Franz v. Gaßler wollte er nach einem Gelegenheitsgedichte an ihn eine für den Bestand seiner jungen mit einem Söhnchen Gottfried gesegneten Ehe wichtige Gehaltsaufbesserung verdanken. Jedenfalls wurde er unter den Händen dieses Aufklärers der rationalistische Beamte des Josephinischen Zeitalters, als der er in der deutsch-tirolischen Dichtung Bedeutung beanspruchen darf. In seiner Jugend muß sich P. auch die Gunst des Freiherrn v. Sperges erworben haben, da ihn dieser in seinem Testamente 1791 zum Herausgeber seines historischen Nachlasses vorschlägt. P. wurde die reich entlohnte Arbeit in der That übertragen, im Mai und Juni 1792 wurden ihm auch die dazu nöthigen Bücher und Urkunden aus dem Sperges’schen Nachlasse übergeben. Zu einer druckreifen Bearbeitung auch nur eines Theiles der beabsichtigten tirolischen Chronik ist es aber nie gekommen. Nur Ansätze zu einer pragmatischen rationalistischen Geschichtsbetrachtung, Auszüge aus historischen Werken, Specialuntersuchungen und recht umfangreiche, von seinem Sohne später ergänzte Bruchstücke einer „Tirolischen Chronik“ von 1130–1777 die aus dem Nachlasse Primisser’s erhalten sind, zeugen wohl für seinen Fleiß, kaum aber für sein historisches Talent. Am 14. December 1802 wurde er Wirkl. Archivar und Registratursdirector beim tirolischen Landesgubernium, am 14. November 1806 von der bairischen Regierung als solcher bestätigt; erst am 1. März 1812 starb er zu Innsbruck.

P. war ein Vertreter der aufgeklärten Poesie, wie sie von den Kindern der Josephinischen Zeit in Oesterreich gepflegt wurde. Als solcher begründete [120] er eine neue tirolische Dichtung, die im Gegensatze zu der alten gelehrten Jesuitendichtung, welche übrigens schon ganz ausgestorben war (vgl. J. Rohrer, Ueber die Tiroler. Wien 1796, S. 71), ihre Wirkung auf die mittleren und unteren Volksschichten Tirols berechnete, so sehr, daß sie den Dialekt nicht verschmähte. Dieses Streben erklärt sich aus den Motiven, die Primisser’s Dichtung bedingten: seine Beamtenlaufbahn. Die Hauptmasse seiner Dichtung ist loyale Gelegenheitspoesie im Dienste der Spitzen der Behörden, des österreichischen und nach 1806 unbedenklich auch des bairischen Herrscherhauses. Seine Kriegslieder für 1796 und 1797 – wirklich Volksgut gewordene Dichtungen – gehen von einem Liede aus, das nicht wie die ganze übrige Kriegslieddichtung der Zeit (hg. v. J. E. Bauer, Tiroler Kriegslieder aus den Jahren 1796 und 1797. Innsbruck 1896) zur Landesvertheidigung aufruft, sondern eine Betheiligung der Tiroler an den Kämpfen der Coalitionsarmeen in Deutschland propagirt. Es ist dies das bis 1866 lebendig gebliebene „N’ Stutzen hear bam Sokara“ (Zs. d. Ferdinandeumes III. Folge, 49. Heft, S. 447 ff.), das, infolge des raschen Kriegsglückes der Franzosen bald unbrauchbar geworden, später in ein gewöhnliches Kriegslied von P. umgeschmolzen wurde. So verherrlicht auch das einzige von ihm erhaltene Drama „Martin Sterzinger oder Der bairische Einfall ins Tirol“, Innsbruck 1782, Tirolertreue und Tirolermuth in bewußtem Gegensatze zu den in München erschienenen bairisch-patriotischen Ritterdramen nach Törring’s „Agnes Bernauerin“. Die dort üblichen Motive verwendet auch P. vielfach, aber niemals sklavisch; starke Contraste liebt er hier wie in seiner theilweise auf K. G. Cramer’s (1792) Lied „Feinde ringsum“ zurückgehenden Lyrik; in dieser sind auch noch lange Aufzählungen ein beliebtes technisches Mittel.

Die Abhandlung O. Schissel v. Fleschenberg, Joh. Friedr. Primisser’s Leben steht Zs. d. Ferdinandeums III. Folge, 50. Heft, S. 479–494. Ders., 3. Bibliographie d. tirolischen Litt. d. 18. Jhs., l, 1. Mitth. d. Oest. Ver. f. Bibliothekswesen 10 (1906), Heft 1. – Goedeke, Grundriß ², §§ 259, 191; 298 E 4; 298 E 31. – C. v. Wurzbach, Biogr. Lexikon 23 (1872), 306 ff. – J. Bergmann, Die fünf gelehrten Primisser. Ber. u. Mitth. des Alterth.-Vereins zu Wien, 4 (1860), 240 ff. – J. v. Hormayr, Taschenb. f. d. vaterl. Gesch., Berlin 1846, 25 (17), 377 ff. – [A. A. Dipauli], Neue Zs. d. Ferdinandeums 2 (1837), 32 ff.