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ADB:Probst, Peter

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Artikel „Probst, Peter“ von Gustav Roethe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 617–618, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Probst,_Peter&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 17:30 Uhr UTC)
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Probst: Peter P. ist in den Jahren 1544–1566 als Meistersinger und Dramatiker nachzuweisen. Von seinem Leben wissen wir wenig. Im März 1544 war er Rechenmeister, 1553 oder wenig später Spitalschreiber in Nürnberg, wo er vielleicht seine Heimath, sicher seinen dauernden Aufenthalt hatte. Anspielungen auf die Juden von Fürth, auf das Dorf Katzwang an der Regnitz und auf das nahe Winzelburg, auf den Localscherz vom Bachen im deutschen Hof, den auch Hans Sachs so oft benutzte, all das verräth den Nürnberger; hier erlebte er das große Sterben des Jahres 1562, das ihn sogar zu einem geistlichen Klagelied veranlaßte. Der Leichenstein auf dem Friedhof von St. Johannis, den er sich selbst, seiner Gattin Kunigunde und seinen Erben errichtete, trägt die Jahreszahl 1562; das läßt vermuthen, daß jene Epidemie ihm unmittelbares Familienunglück brachte. Noch 1569 wird er unter den Handeltreibenden Nürnbergs genannt, dann brechen die Nachrichten ab. – P. war als Dichter mehr vielseitig als fruchtbar. Die Sammlung seiner Werke, die er selbst 1553 begann und mindestens bis 1566 fortführte, zeigt fast alle die poetischen Gattungen, in denen sich sein Landsmann Hans Sachs versuchte. Probst’s schlichte geistliche Lieder gehen sämmtlich auf die Melodien Luther’scher Choräle. Seine Sprüche in Reimpaaren warnen vor Buhlerei und rühmen den Ehestand mit reichlichen biblischen Belegstellen. Störender wirkt die pedantische Gewissenhaftigkeit dieser biblischen Citate bei den geistlichen Meisterliedern; die weltlichen Gesänge der Art behandeln zumeist rohe Schnurren von geringem Werth; nur eine localisirte Fabel, die die Feindschaft der Katzen und Hunde erklärt, verdient Erwähnung. Fast die Hälfte der Meisterlieder ist in Tönen von Hans Sachs gedichtet; eigene Töne Probst’s sind mir nicht bekannt. Um so bemerkenswerther sind Probst’s dramatische Leistungen. Während Hans Sachs es mit wenigen Ausnahmen bewußt vermied, Christus selbst in ernsten biblischen Stücken auf die Bühne zu bringen, wagt P. das in seiner „schon Christlichen Comedie von dem plint geborenen“ mit der vollen Unbefangenheit früherer Zeiten. Das Stück ist vortrefflich gearbeitet; die reichen dramatischen Motive, die das 9. Capitel Johannis in sich birgt, hat der Dichter geschickt ausgenützt; die vier Acte sind in sich einheitlich und viel vernünftiger abgegrenzt, als Sachs das je verstand; der Disput der fünf Schriftgelehrten läßt in seiner symmetrischen Anordnung zwar Leben, aber nicht charakteristische Sonderung der Streitenden vermissen. Der Text der Luther’schen Uebersetzung ist möglichst wörtlich benutzt. Steif und unmotivirt sind hier, wie oft bei P., Einleitung und Schluß; die Reimbrechung wird in der Comedie wie in den Fastnachtsspielen consequenter gehandhabt, als jemals durch Hans Sachs; sie respectirt in der Regel auch die Scenengrenzen, auch neue Auftritte nicht.

Probst’s sieben Fastnachtsspiele sind ein interessanter Beleg dafür, wie wenig es der fruchtbaren Thätigkeit des Hans Sachs selbst in seiner Vaterstadt gelang, die typischen Scherze und Unflätereien des alten Fastnachtsspiels zu beseitigen. Kennten wir nicht das Datum der Probst’schen Spiele, wäre nicht die Reimbrechung, [618] wir würden sie gutentheils dem 15. Jahrhundert zuweisen. Freilich zeigen sie überall Handlung, nicht bloße Aufzüge verschiedener Typen; aber die altbeliebte Bauernhochzeit, die Quacksalber-, Priester- und Gerichtsscenen kehren bei P. im Ganzen und in Details wieder. Während z. B. Hans Sachsens Aerzte vorwiegend moralische Leiden curiren, befassen sich Probst’s Doctoren, darunter der nicht von ihm erfundene Dr. Schmotzmann, mit der ganzen hergebrachten Schmierigkeit widerlicher Krankheiten; an den gröblichen Mißverständnissen, die die verblümten Anfragen des „Nartztes“ zur Folge haben, freuten sich Probst’s Hörer wie ihre Ahnen, und das viehische Fressen und Saufen der Bauerntölpel, die grobdrähtige Komik ihrer Namen und Masken wirkte den Städtern mit ungeminderter Kraft auf die Lachmuskeln. P. ist durchgehend roher als Hans Sachs, von dessen natürlicher Anmuth er keine Ahnung hat; aber die geschlechtliche Frechheit des 15. Jahrhunderts ist auch bei ihm gemildert; seiner Bauernhochzeit fehlt z. B. das typische Motiv, daß die Braut eine „versuechte Diern“ ist, die Aufzählung ihres Hausraths schildert werthlosen Plunder, aber sie wirkt nicht durch Zoten; und der Ehebruch dient P. nur selten als komisches Sujet. Darin wird sich der Einfluß des großen Landsmanns zeigen, der sonst nur in Einzelheiten durchschimmert. So hat die erste Rede des Molkendremel im Nasentanz, die Werbung des Gesellen im bösen Weib und manch einzelner Witz auf P. gewirkt, während Sachsens „Farendt Schuler mit dem Teuffelbannen“ an Probst’s ungeschicktere Behandlung des gleichen Stoffs nirgends anklingt. Mit Vorliebe ging P. bei den älteren Meistern des Nürnberger Fastnachtspiels in die Schule. Ein Spiel von 1556, das in seinen Hauptscenen einen Freihirten (= Freihart) im komischen Verhör vor Doctor und Pfarrer vorführt, hat Hans Folzens (?) Spiel vom Arzt (Keller’s Fastnachtspiele Nr. 120) und namentlich seinen dialogischen Spruch von dem Freyheit und dem Priester (Zschr. f. deutsches Alterthum 8, 530) ausgiebig geplündert. Vagabunden, die den liederlichen und geizigen Pfaffen hänseln und ausbeuten, sind auch sonst Lieblingsfiguren des lutherischen Dichters. Zwei ernsthaftere Spiele führen uns in Bürgerkreise und stellen die Folgen schlechter Kindererziehung, ehelichen Unfrieden und nachlässige Haushaltung ohne befriedigenden Abschluß dar. – Nirgend in den Fastnachtspielen erreicht P. die bezaubernde Anschaulichkeit, die lebendige Bewegung des Sachs’schen Dialogs; während dieser in belebter Rede und Gegenrede ganz kurze 1–3silbige Verschen effectvoll verwerthet, verläßt P. die Regel seiner Acht- und Neunsilbler nur zu Gunsten der traditionellen halblateinischen Segensformeln einmal; der reichen weltlichen Belesenheit, die der regsame Schuster so anmuthig zur Schau trägt, hat der Herr Spitalschreiber nur ein vereinzeltes Pittacuscitat entgegenzusetzen; aber für Manches entschädigt der strömende Reichthum an dialektischen Wendungen, an Sprichwörtern und ungenirtem Volkswitz. Dagegen that Gottsched dem Dichter eine unverdiente Ehre an, als er seinen Heincz Wurst aus dem Spiel von kranken Bauern als das dramatische Debut des verhaßten Spaßmachers ansah. Mit gleichem Recht konnte er dann den Wursthans im Wildbad des Hans Sachs anführen. Heincz Wurst ist bei P. nichts als ein verfressener schwieriger Bauer wie viele, ohne jede witzige oder satirische Ader; so gewiß Goethe’s „Hanswursts Hochzeit“ im letzten Grunde auf die Bauernfarcen des Fastnachtsspiels zurückgeht, so wenig hat P. gethan, um seinen Heincz Wurst, dem an anderm Orte auch ein Fritz Wurst zur Seite steht, aus der Schaar seiner Dorfgenossen irgendwie herauszuheben.

Dresdener Hs. M 173. – Archiv für Litteraturgeschichte IV, 409. – Schnorr, Zur Geschichte des deutschen Meistergesangs. S. 8. – Eine Ausgabe soll bevorstehen.