ADB:Probst von Wendhausen, Philipp Ludwig
Herzog Anton Ulrich zum Rath, und es gelang ihm nun in kurzer Zeit, eine äußerst einflußreiche Stellung zu erreichen. Als 1671 die Stadt Braunschweig nach langem Streite sich der Gewalt der Herzöge unterwerfen mußte, wurde eine herzogliche Commission gebildet, welche vor allem das überaus zerrüttete Finanzwesen der Stadt neu zu ordnen hatte. In diese sogenannte Stadtcommission ward im November 1674 auch P. gesetzt, der bald die Seele derselben wurde. Einige Jahre darauf wurde er zum Geheimrath und am 9. März 1680 zum Kanzler ernannt. Er hat in den folgenden Jahrzehnten in der Politik, wie in der Verwaltung des Herzogthums, wo eine Reihe von Jahren auch die Kammer, die Klosterrathsstube und das Consistorium seiner Leitung unterstellt waren, die wichtigste Rolle gespielt. Vor allem gelang es ihm für den Kammer- und den Landesetat, die bedenklich in Verfall gerathen waren, wieder sichere Grundlagen zu gewinnen und für die allmähliche Abtragung der Schulden feste Grundsätze aufzustellen. Es war ein weiteres Verdienst, daß er in diesen Fragen sowohl mit der Landschaft als zwischen den beiden Brüdern, den Herzögen Rudolf August und Anton Ulrich, volles Einverständniß erzielte. Wesentlich durch seine Vermittlung ist auch die gemeinsame Regierung der beiden Fürsten (seit 1685) zu Stande gekommen; ebenso ward ihm die Wiederherstellung guten Einvernehmens zwischen den einzelnen Linien des Gesammthauses nach längerem Zwiste im J. 1706 zugeschrieben. In Anerkennung seiner Verdienste verlieh ihm Herzog Rudolf August am 28. October 1682 das Gut Wendhausen und im folgenden Jahre erhob ihn nebst seiner Gemahlin und Tochter Kaiser Leopold in den Adelsstand mit dem Zusatze „von Wendhausen“. Auch sonst wußte P. v. W. manche einträgliche Würden und Güter sich zu verschaffen. Am 10. August 1660 erhielt er von dem Capitel des Blasienstifts in Braunschweig eine Commende, die er 1683 wieder aufgab. Ende des Jahres 1673 wurde ihm daselbst das Decanat übertragen, auf das er am 10. April 1680, und 1676 ein Kanonikat, auf das er 1689 Verzicht leistete. Von der Aebtissin von Gandersheim erhielt er 1686 die Salder’schen Lehen; dann wurde er 1695 Propst des Klosters St. Lorenz bei Schöningen. Außerdem besaß er in dieser Stadt ein Gut und beim Kloster Riddagshausen das Gut Neuhof. Er galt als einer der reichsten Privatmänner des Landes. In der äußern Politik hat er alle ehrgeizigen Pläne Herzog Anton Ulrich’s nach Kräften unterstützt. Um der Enkelin seines Fürsten die deutsche Kaiserkrone zu verschaffen, hat er den Uebertritt der Prinzessin Elisabeth Christine zur katholischen Kirche möglichst zu fördern gesucht, da er „kein Theologus sondern ein Politicus“ sei. Dagegen hat er an der Spitze des Geheimerathes den Herzog selbst 1710 in einem eindringlichen Schreiben von dem gleichen Schritte abzuhalten gestrebt. Und damit seine eigene Enkelin ihrem ersten Gemahle, dem Geheimrath v. Imhoff, der katholisch geworden war, hierin [620] nicht nachfolge, verfaßte er selbst zu ihrer Abmahnung eine Schrift „Purae religionis characteres“ etc., die 1715 im Druck erschienen ist. Den Bestrebungen des Pietismus war er sehr abhold; er gehörte zu den Urhebern des scharfen Edicts vom 9. März 1692 wider die „Sectareyen“, das zumeist gegen die Pietisten gerichtet war. Bis in das höchste Alter hinein hat P. in geistiger Frische die Staatsgeschäfte geführt; er starb zu Braunschweig am 17. November 1718 und wurde in einem eigenen Erbbegräbnisse im Dome zu Braunschweig beigesetzt. – P. stand wegen seiner langjährigen Thätigkeit bei Fürst und Volk in hoher Achtung. Herzog Anton Ulrich rühmte in einer dicht vor seinem Tode für seine Söhne aufgesetzten Instruction die vielen Tugenden seines Kanzlers, den er „in summa einen ganzen Minister“ nennt, räth aber zugleich, man müsse „ihn zuweilen durch eine kleine Belohnung cajoliren“. Auch von anderer Seite wird P. als auf seinen Vortheil bedacht und für Geschenke nicht unempfänglich geschildert. Sein Wahlspruch war: Simplicitas astu bene communita triumphat. – P. hat drei Gemahlinnen überlebt; 1660 verheirathete er sich mit Barbara Ilse Fluwerk, die 1696 starb, am 2. December 1697 mit Christine Ermunde v. Sperling, die bereits am 12. Juni 1698, und 1699 mit Maria Elisabeth Freiin von Imhoff, die 1709 verschieden ist. Nur die erste Frau schenkte ihm eine Tochter, Dorothea Elisabeth († 1686), welche 1684 den Geheimrath J. Ch. Stisser heirathete, der sich dann ebenfalls von Wendhausen nannte. Auch diese hatten nur eine einzige Tochter, Ilse Luise, welche ohne Zustimmung des Vaters 1703 den Geheimrath Rud. Christian v. Imhoff und nach dessen Tode († am 22. Juli 1717) dem Geheimrath Konrad Detlev v. Dehn die Hand reichte. Beide Ehen blieben kinderlos. Da Ilse Luise bereits am 27. April 1719 starb, so fiel Dehn, der 1726 in den Grafenstand erhoben wurde, die ganze reiche Hinterlassenschaft Probst’s zu, welche er in kurzer Zeit in leichtsinnigster Weise verschwendete.
Probst: Philipp Ludwig P. von Wendhausen wurde geboren zu Gandersheim am 25. März 1633, † am 17. November 1718. Sein Vater Georg Wilhelm P., Senior und Canonicus des Stifts Gandersheim, starb, als jener kaum 2½ Jahr alt war; seine Mutter Dorothea Elisabeth Steinbringk war die Tochter des Oberamtmanns Heinrich St. Er besuchte das Anna-Sophianeum zu Schöningen und wurde am 30. März 1650 als Student in Helmstedt immatriculirt, wo er neben den juristischen auch geschichtliche Studien betrieb. Nachdem er dann weite Reisen durch die Niederlande, England und Frankreich unternommen und in Speier das Verfahren des kaiserlichen Kammergerichts kennen gelernt hatte, erwarb er 1658 zu Helmstedt mit einer Dissertation „De renuntiatione nobilium filiarum in bona suae familiae“ die juristische Doctorwürde. Im J. 1660 wurde er von der braunschweig-wolfenbüttelschen Landschaft zum Landsyndicus erwählt; 1669 ernannte ihn- Vgl. G. S. Treuer, Ehren-Gedächtnis des … Herrn Ph. Ludw. von Wendhausen, Helmstädt 1719. – Harenberg, Historia eccles. Gandersh., S. 1587 ff. – Manecke, Biographische Skizzen von den Kanzlern der Herzöge von Br.-Lün. S. 34. – Havemann, Gesch. der Lande Br. und Lüneb. Bd. III, S. 588 u. a.