ADB:Rambach, August Jakob
Johann Jakob R. II (vgl. unten S. 201) und wurde diesem am 28. Mai 1777 in Quedlinburg geboren. Als im J. 1780 sein Vater nach Hamburg zog, wurde ihm dieses zur eigentlichen Heimath. Er besuchte hier vom 7. Jahre an das Johanneum und ging von diesem im Mai 1794 auf das akademische Gymnasium über. Auf der Schule und dem Gymnasium hatte er sich besonders mit dem Griechischen und Lateinischen beschäftigt und [194] namentlich in der lateinischen Sprache es zu einer solchen Fertigkeit gebracht, daß er bis in sein hohes Alter hinein leicht und gewandt lateinisch schrieb und sprach. Von Ostern 1796 an besuchte er drei Jahre lang zum Studium der Theologie die Universität Halle. Unter den dortigen Professoren soll besonders Johann August Nösselt (s. A. D. B. XXIV, 25 ff.) auf ihn bleibenden Einfluß gewonnen haben; der milden theologischen Richtung, die damals in der Facultät herrschte, – Knapp und Niemeyer sind besonders noch zu nennen, – blieb R. sein Leben lang zugethan, und die Frage, ob er mehr den Rationalisten oder den Orthodoxen zuzurechnen sei, hat, wie schon aus ihrer Aufstellung zu schließen ist, niemals eine abschließende Antwort erhalten. Von der Universität nach Hamburg zurückgekehrt machte er am 15. November 1799 das Candidatenexamen. Das Ansehen seines Vaters und seine eigne gewinnende Weise und auch wohl seine nicht geringe Beredsamkeit bewirkten, daß er schon als Candidat, so oft er predigte, sehr gefüllte Kirchen hatte. Und schon am 2. Mai 1802 wurde er, obschon noch nicht 25 Jahre alt, als Nachfolger des zum Hauptpastor erwählten Bernhard Klefeker zum Diakonus an der Jakobikirche erwählt und am 18. Juni in dies Amt eingeführt. In diesem Amte verblieb er sechzehn Jahre. Als sein Vater im J. 1809 sein 50jähriges Dienstjubiläum feierte, begrüßte R. ihn mit einer Abhandlung: De summa ecclesia doctorum laude ad Paulinum illud ἀληϑεύειν ἐν ἀγάπη (Hamburg 1809, 4°); und dieses „rechtschaffen sein in der Liebe“ (vgl. Epheser 4, 15) ist die Regel gewesen, nach welcher er selbst sein Verhalten richtete. Am 18. November 1810 verheirathete er sich mit Louise Friederike Wilhelmine Boysen aus Quedlinburg, der Tochter des Bruders seiner Mutter; die Ehe blieb kinderlos. Nach dem Tode seines Vaters ward er am 20. December 1818 als dessen Nachfolger zum Hauptpastor an St. Michaelis erwählt; in dieser Stellung, die er am 16. März 1819 antrat, hat er sich um das Kirchen- und Schulwesen in Hamburg große Verdienste erworben. Am 21. Februar 1834 ward er Senior des Ministeriums. Schon vorher war er bei der 300jährigen Jubelfeier der Universität Marburg am 12. November 1827 honoris causa zum Doctor der Theologie ernannt. Als er die Mitte der sechziger Jahre überschritten hatte, stellten sich bei dem vorher ungewöhnlich rüstigen Manne die Beschwerden des Alters ein und nahmen allmählich so zu, daß er im Anfang des Jahres 1851 vom Hauptpastorat zurücktrat. Er zog sich nach Ottensen, wo er schon früher im Sommer gewohnt hatte, zurück und starb hier am 7. September 1851, noch nicht 75 Jahre alt. – R. hat sich besonders als Hymnologe ausgezeichnet und seine Verdienste auf diesem Gebiete sind auch heute noch nicht veraltet. Daß gerade die Erinnerung an seinen berühmten Verwandten Johann Jakob R. I (siehe unten S. 196), den Sohn des Vetters seines Urgroßvaters, – doch wußte unser R. selbst die Art dieser Verwandtschaft nicht genau anzugeben, – ihn zu diesem Studium bewogen habe, wie wol gesagt ist, wird sich kaum nachweisen lassen; sicher ist, daß er schon gleich nach dem Antritt seines ersten Amtes eine Vorliebe für die Beschäftigung mit dem geistlichen Liede und Gesange zeigte und diesen Arbeiten bis in sein hohes Alter den größten Theil seiner Muße zugewandt hat. Schon von früh an sammelte er eine hymnologische Bibliothek, die nach und nach einen außerordentlichen Umfang gewann und nach seinem Tode von der Witwe der hamburgischen Stadtbibliothek geschenkt ist. Die erste Frucht dieser Arbeiten war seine Schrift: „Ueber Dr. Martin Luthers Verdienste um den Kirchengesang,“ Hamburg 1813; durch sie wurde er alsbald bei den wenigen, welche damals solche Studien trieben, vortheilhaft eingeführt, und es wurde ihm fortan leicht, in persönliche oder briefliche Verbindung mit ihnen zu treten. Er beabsichtigte um die Zeit mit dem Superintendenten Fürchtegott [195] Christian Fulda in Halle († 1854) eine hymnologische Zeitschrift zu gründen, doch fand dieser Plan nicht genügende Unterstützung, so daß die Sache unterblieb. R. unternahm darauf die Herausgabe einer „Anthologie christlicher Gesänge aus allen Jahrhunderten der Kirche“; das Werk erschien in sechs Bänden, Altona und Leipzig 1817–1833, und hat nicht nur zur Zeit seines Erscheinens eine gute Aufnahme gefunden und in die Geschichte des deutschen geistlichen Liedes, die damals noch wenig bekannt war, eingeführt, sondern ist auch jetzt noch, nachdem diese Studien eben auch auf Grund der Rambach’schen Anthologie einen viel größern Umfang gewonnen haben und mit ganz andern Hülfsmitteln getrieben werden, für den Forscher von bleibendem Werth; namentlich ist die ungemeine Zuverläßigkeit aller positiven Angaben rühmlich hervorzuheben. R. war gerade dabei, dieses Werk abzuschließen, als er zu einer Arbeit berufen wurde, in welcher er die durch die Ausarbeitung derselben gewonnenen Kenntnisse aufs schönste verwerthen konnte. Er selbst hatte im J. 1832 den Antrag gestellt, daß für die lutherische Kirche Hamburgs statt des seit dem Jahre 1788 in Gebrauch befindlichen, zu den schlechtesten seiner Zeit gehörigen Gesangbuches ein neues eingeführt werden möge. Der Antrag ward von den betreffenden Collegien der Geistlichkeit und des Kirchenregimentes (dem Ministerium, dem Senate und den Sechzigern) angenommen, und R. ward nun zum Vorsitzenden der Commission berufen, welche mit der Ausarbeitung eines neuen Gesangbuches beauftragt ward. Der Commission gehörten außer R. an Evers (Nic. Joachim Guilliam, Pastor zu St. Jacobi, † 1837), Freudentheil (s. A. D. B. VII, 356 f.), Geffcken (s. A. D. B. VIII, 494 f.), John (s. A. D. B. XIV, 489 ff.) und Strauch (Ludwig Christian Gottlieb, Hauptpastor zu St. Nicolai, † 1855); sie versammelte sich wöchentlich Freitags zu einer dreistündigen Sitzung und hat sich des ihr gewordenen Auftrages mit der größten Gewissenhaftigkeit entledigt. Die Grundsätze, welche sie befolgte, namentlich hinsichtlich der Textredaction der Lieder, sind im wesentlichen diejenigen, welche seitdem ganz allgemein als die richtigen anerkannt worden sind; damals waren sie neu und fanden noch vielfachen Widerspruch, weshalb nicht zu verwundern ist, daß ihre Anwendung nicht selten eine noch etwas zaghafte zu sein scheint, so vor allem in Betreff des Rückganges zu den ursprünglichen Texten und der Ausscheidung völlig unpoetischer und eines wirklich christlichen Inhaltes entbehrender Lieder. Für die damalige Zeit war die Leistung eine bedeutende, durch welche den neuem, noch bessern Gesangbüchern Bahn gebrochen ward. Das Gesangbuch ward am 1. Januar 1843 in den hamburgischen Kirchen eingeführt und ist in ihnen noch heute in Gebrauch. Rambach’s alleinige Arbeit ist das Register zum Gesangbuch, in welchem für jedes Lied außer dem Namen des Dichters das Jahr seiner Entstehung oder doch des ersten Druckes desselben angegeben wird; er ließ dann auch noch eine „Kurzgefaßte Nachricht von den Verfassern der Lieder im hamburgischen Gesangbuche“, Hamburg 1843, drucken.
Rambach: August Jakob R., der jüngste unter den bekannteren Trägern dieses Namens, Ururgroßenkel des Tischlers Leonhard R. in Arnstadt, von welchem die ganze Reihe der bekannten Träger dieses Namens stammt, war der zweite Sohn zweiter Ehe von- Chr. Petersen, Memoria Augusti Jacobi Rambach, Hamburgi 1856, 4°. – Lexikon der hamb. Schriftsteller bis zur Gegenwart, Band 6, S. 147 ff. – Geffcken, die Hamburgischen Niedersächsischen Gesangbücher, Hamburg 1857, in der Einleitung S. XXVII ff. – Hansen, die Familie Rambach, Gotha 1875, S. 237 ff. – Koch, Geschichte des Kirchenlieds u. s. f., 3. Aufl., Bd. 7, S. 70 f. – Herzog und Plitt, theologische Realencyklopädie, 2. Aufl., Bd. 12, S. 495.