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ADB:Raue, Johann

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Artikel „Raue, Johann“ von Johannes Bolte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 397–398, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Raue,_Johann&oldid=- (Version vom 6. November 2024, 00:12 Uhr UTC)
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Raue: Johann R., Schulmann des 17. Jahrhunderts. Als der älteste Sohn des gleichnamigen Diakonus an der Nikolaikirche 1610 zu Berlin geboren, besuchte er das dortige Gymnasium zum Grauen Kloster und trieb auf der Universität Wittenberg, in die er am 4. Juni 1629 eintrat, philologische Studien. Unter A. Buchner’s Einflusse veröffentlichte er 1632 eine Sammlung lateinischer Epigramme und begrüßte einen talentvolleren Dichtergenossen, den in Leipzig studirenden Paul Fleming, brieflich. Die Kriegsnoth in der Mark und der plötzliche Tod seiner Eltern und Geschwister mochten ihm die Rückkehr in die Heimath verleiden. Als Magister ging er 1633 nach Erfurt, um ein Lehramt am Gymnasium und an der Universität zu übernehmen. Doch machte er sich hier und an der Rostocker Hochschule (1636–1639) durch seinen öffentlichen Tadel der hergebrachten Lehrmethode viele Feinde. Daher folgte er 1639 einem Rufe des dänischen Königs an die Soröer Ritterakademie, wo er als Amtsgenosse Johann Lauremberg’s eine Professur der Geographie und Chronologie, später auch der Eloquenz und Logik bekleidete. 1646 suchte er um seine [398] Entlassung nach, da er am Danziger akademischen Gymnasium einen günstigeren Boden für seine Reformpläne zu finden hoffte. Da jedoch weder der Rector Abraham Calov (s. A. D. B. III, 712) noch sein Nachfolger auf dieselben eingingen, wandte er sich 1652 an den Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen und legte diesem seinen Methodus informandi vor; allein obwol die Gutachten der Universitäten und Schulrectoren zum großen Theil günstig ausfielen, mangelte es vor allem an den nöthigen Geldern. Nachdem R. noch in Gotha und Altenburg angeklopft, versuchte er es in der Heimath, und hier gelang es ihm, vom Großen Kurfürsten am 26. Juli 1654 zum Generalinspector aller Schulen der Mark Brandenburg ernannt zu werden. Bei der großen Geldnoth jedoch waren die Erfolge seiner Thätigkeit sehr geringfügig. So mochte es ihm selbst willkommen sein, daß ihm der Kurfürst am 20. April 1659 die Verwaltung seiner Bibliothek übertrug. In dieser Stellung starb er 1679 zu Berlin.

Den Mittelpunkt von Raue’s wissenschaftlicher Thätigkeit bilden seine pädagogischen Bestrebungen, die freilich durch allerlei Mißgeschick, vielleicht auch durch Mangel an eigener Stetigkeit und Energie in ihrer Entfaltung gehemmt wurden. Er war durch die Schriften von Amos Comenius angeregt und empfing von diesem und seinem Lehrer Buchner Anerkennung. Ohne den umfassenden Blick des ersteren zu besitzen, erkannte er richtig die Mängel der alten mechanischen Unterrichtsweise und machte selbständig theilweise recht praktische Besserungsvorschläge für den Anfangsunterricht der Trivialschule: Decliniren und Conjugiren soll zuerst an der Muttersprache erlernt werden; die lateinische Sprache werde dann durch eine Bilderfibel mit Fabeln, wie sie J. Buno 1650 nach Raue’s Plane entwarf, und durch etymologisch geordnete Vocabularien gelehrt; denn anschaulich und anregend soll der Unterricht sein; erst später folge der praktischen Grammatik die systematische. Für die Lectüre empfiehlt R. die Historiker: Nepos, den er selbst für die Schule herausgab, Cäsar, Livius, Curtius. Er bevorzugt nachdrücklich die Realien, Geographie, Botanik, Geometrie, Medicin, auch Stenographie, und will die Arithmetik, Logik, Rhetorik beschränken. Unter den zahlreichen Schriften Raue’s verdient noch eine handschriftlich erhaltene Schulcomödie (auch Comenius dichtete solche) erwähnt zu werden: „Drama super originibus populi Romani, h. e. Aeneae et Laviniae coniugio“, 1648 in Danzig aufgeführt. Fünf Acte in schlichter lateinischer Prosa nach Vergil, dazu eine deutsche Uebersetzung und als Zwischenspiel ein lebendiges Bild aus dem Wittenberger Studentenleben.

G. G. Küster, Altes und neues Berlin 1, 315 f., 276, 1012. – Die vortreffliche Arbeit von A. Ziel, Joh. Raue’s Schulenverbesserung. Progr. Dresden 1886, hat besonders das Dresdener Archiv ausgenutzt. – Bolte, Zeitschr. f. deutsche Philol. 20, 85. – Weißenborn, Acten der Erfurter Universität 2, 550. – Lappenberg, P. Fleming’s Deutsche Gedichte S. 582, 807 (1865). – Eine Handschrift von Raue’s „Wohlgemeinter Deduction-Schrifft über die Schulenverbeßerung“ besitzt das Berliner Gymnasium zum Grauen Kloster. – Ueber die Berliner Mscr. germ. Fol. 525 und Quart 437 werde ich noch besonders berichten. – Ein Porträt im Berliner Liber pictur. B 26 Nr. 188.