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ADB:Reingoud, Jacques

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Artikel „Reingoud, Jacques“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 30–32, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reingoud,_Jacques&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 00:08 Uhr UTC)
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Reingoud: Jacques R. (der Name wird sehr verschieden geschrieben), Herr von Couwenberg, geboren in Brabant um die Mitte des 16. Jahrhunderts, war während der Regierung von Alba und Requesens in hohen Stellen im Finanzrath thätig und blieb auch nach der Revolution des Jahres 1576 in jener Verwaltung. 1581 wurde er selbst trésorier d’épargne beim Landrath, als jene Behörde die abgeschafften Räthe ablöste. Jedoch mußte er bald zurücktreten und hatte eine Untersuchung wegen Unterschleifs und Erpressung zu bestehen, welche bloß der allgemeinen Verwirrung wegen abgebrochen wurde; dazu wurden ihm viele Processe angeheftet von den Vielen, die sich von ihm betrogen meinten. Durch Speculationen hatte R. jedoch auch selber sein Vermögen eingebüßt. Schon damals ging er mit allerlei Entwürfen zur Hebung der Finanzen um, und schon Requesens soll er vorgeschlagen haben, die Verpachtung der Steuern abzuschaffen und die Bücher der Verwalter, der Gerichtspersonen und Kaufleute untersuchen zu lassen, damit alle früher verübten Betrügereien entdeckt, bestraft und gebüßt werden könnten. Er meinte, so könne der König ohne Mühe und ohne Beihilfe der Staaten die Mittel zum Kriege sich verschaffen. Requesens jedoch scheute vor einem solchen Beginnen zurück. Als dann aber R., der sich mit den Calvinisten tief eingelassen hatte und ein Freund der zelotischen Prediger geworden war, 1585 aus dem eroberten Belgien flüchten mußte und namentlich die Gegner der Staatenregierung, wie sie in Holland bestand, [31] sich nach England wandten, in erster Reihe zum Grafen von Leicester, der ausersehen war, die Führung der Dinge in den Niederlanden zu ergreifen, scheint auch er dahin gegangen zu sein und beim Grafen Dienste genommen zu haben. Nach dessen Ankunft in den Niederlanden (December 1585) gehörte er mit de Burchgrave (s. A. D. B. III, 570), Deventer (s. A. D. B. V, 93) und Meetkerke (s. A. D. B. XXI, 173) zu den Vertrauten des Generalgouverneurs, der ihm in allen Finanzsachen unbedingt gefolgt zu sein scheint. Da wußte ihm R., der ihn schon früher zu einem Versuche, Geld unter einem fingirten Namenswerth zu prägen, verführt hatte, seinen alten Plan anzubringen, indem er denselben mit der Errichtung eines dem alten niederländischen nachgebildeten Finanzrathes verband. Es war ein ganz fertiges System, durch welches allem Unterschleif und Schmuggel gewehrt, Millionen mehr eingebracht, die Finanzen von den Provinzen unabhängig gemacht und der Macht der Staaten von Holland ein arger Schlag versetzt werden sollte. Dazu hoffte R. vielen und nicht eben den Besten unter den Verbannten dadurch einträgliche Stellen verschaffen zu können und einige der ärgsten Gegner, namentlich Paul Buys (s. A. D. B. III, 676) gleich empfindlich zu treffen. Unter anderen Verhältnissen wären allerdings viele von Reingoud’s Vorschlägen nicht verwerflich gewesen, sie waren nur jetzt nicht passend. Das von Leicester wol auf Reingoud’s Treiben urplötzlich eingeführte neue System arbeitete von Anfang an überaus schlecht, und die Wahl der Beamten, welche Leicester dem R. überlassen hatte, öffnete vielen die Augen. Es gab viele unter denselben, welche sich keines guten Rufes erfreuten. Die holländischen Staaten, welche in R. ihren ärgsten Gegner sahen, suchten ein Mittel, denselben zu stürzen: sie ließen einen Beamten, Etienne Paret aus Antwerpen, wegen Beleidigung verhaften und seine Papiere untersuchen. Sie erwiesen nicht allein seine, sondern auch Reingoud’s unehrliche Pläne, gaben Anlaß, dessen Verhaftung zu fordern und dessen Papiere mit Beschlag zu belegen. Der Generalgouverneur ließ ihn jetzt fallen, R. wurde nach dem Haag gebracht, jedoch nicht in der Verwahrung des holländischen Gerichtshofs, sondern des englischen Kriegsraths gehalten, dessen Provost ihn merkwürdiger Weise entschlüpfen ließ. Wahrscheinlich hatte er die Weisung dazu von Leicester erhalten, der den Freund der Rache seiner Feinde entrückt wissen wollte. R. wartete in Vlissingen, wo die englische Garnison ihn schützte, ab, ob seine Partei noch obenauf kam, als das Gegentheil geschah, flüchtete er Ende 1587 nach Brüssel, wo er zum Entsetzten seiner Freunde und Frohlocken seiner Gegner katholisch wurde. Aber es gelang ihm nicht, dadurch etwas zu erlangen, als daß er unbehelligt von seinen Gläubigern daselbst wohnen durfte. Bald ist er dann in tiefer Armuth gestorben.

R. war gewiß ein keineswegs reiner Charakter, er war ein gewissensloser Finanzmann, dem es aber nicht an einer gewissen Genialität fehlte. Wir kennen ihn nicht anders, als durch seine Gegner, welche ihm alles mögliche zutrauten. Es ist aber gewiß, daß seine Religiosität ganz fingirt war, daß er ein Verhältniß hatte mit einer vornehmen belgischen Dame, welche auch in seinen Sturz verwickelt wurde, was keineswegs mit seinem zur Schau getragenen Eifer für den reinen calvinistischen Glauben verträglich war, und daß er bei allen seinen Plänen und Entwürfen in erster Reihe an die eigene Bereicherung gedacht hat. Mehr als Jemand hat er dazu gethan, die Regierung des Grafen Leicester, dessen böser Geist er heißen konnte, zu einer auch in ihren Folgen unglücklichsten Periode der niederländischen Geschichte zu stempeln. Die Verkehrtheit seiner finanziellen Besserungen machte spätere Reformen von vornherein unmöglich.

Von den größeren alten historischen Arbeiten über den Zeitraum findet sich über R. sehr vieles bei Bor, namentlich Actenstücke. – Sonst Bruce, [32] Leycesters Correspondance. – von Deventer, Gedenkstukken van Oldenharnevelt, Bd. I. – Motley, History of the United Netherlands, Bd. II. – Fruin’s Artikel über dieses Buch in der Zeitschrift De Gids von 1862; mein Staat der Vereenigde Nederlanden. – Arend, van Rees und Brill, Alg. Gesch. des Vaderlands, III, 1. Doch sind neue Studien der gedruckten (wie der Resolutionen der Staaten von Holland) und der ungedruckten Actenstücke der Zeit nothwendig.