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ADB:Rem, Lucas

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Artikel „Rem, Lucas“ von Wilhelm Vogt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 187–190, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rem,_Lucas&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 06:03 Uhr UTC)
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Rem: Lucas R. ist bekannt durch sein Tagebuch (von 1494–1541), welches nicht nur für die Handelsgeschichte, sondern für die Zeitgeschichte überhaupt von großer Wichtigkeit ist. Er entstammt einer alten, wohlhabenden und weitverzweigten Familie von Augsburg, die ihren Ursprung bis in die Zeit der Kreuzzüge zurückführt. Als ihr beglaubigter Stammvater ist Berchthold R., † 1325, anzusehen. Die Familie theilte sich bald in mehrere Linien, unter denen diejenige der R. v. Köz die bekannteste ist und eine Anzahl tüchtiger Männer hervorgebracht hat; im Laufe des 17. Jahrhunderts ist sie erloschen. Zur Familiengeschichte sei folgendes bemerkt. Mit dem zünftischen Stadtregiment (seit 1368) scheinen sich die R. nicht auf den besten Fuß gestellt zu haben: es gab häufig Streitigkeiten. Als ihnen 1479 der Rath die Aufnahme unter die Geschlechter anbot, lehnten sie dies ab; erst bei dem großen Geschlechterschub vom Jahre 1538 werden sie in das Patriciat der Stadt aufgenommen. Auch in Ulm, Lindau und Memmingen finden sich Glieder in dieser Familie, zum Theil in amtlichen Würden. Zu nennen sind außerdem Egydius R., der von 1526–1535 Bischof von Chiemsee war, der Dompropst Wolfgang Andreas (s. den folg. Art.) und der gelehrte Jurist Georg, Rathsconsulent zu Nürnberg und Prokanzler der Universität Altdorf. In der Reformationszeit trat ein Theil der Familie zur neuen Kirche über, der übrige verblieb in der alten. – Lucas R. wurde am [188] 14. December 1481 geboren und ergriff wie die meisten seiner Vorfahren die Kaufmannschaft. Den vierzehnjährigen Knaben schickte sein Vater auf die damalige Hochschule des Handels, nach Venedig, von wo er nach 31/2jähriger Lehrzeit, umfassend italienische Sprache, Rechnen und Buchhaltung, nach kurzem Aufenthalt in Mailand in die Welser’sche Factorei zu Lyon übersiedelte: hier erlernte er auch die französische Sprache. Auf drei Jahre ohne Besoldung, aber mit Verpflegung und Kleidung in den Dienst der Handelsgesellschaft Anton Welser und Konrad Vöhlin aufgenommen, wurde er mit der Buchführung betraut, aber auch auf Reisen geschickt, um Schulden einzukassieren, Safran einzukaufen und in den Nebenfactoreien die Rechnungsbücher und Kassen zu prüfen. Diese Reisen führten ihn weit und breit umher: in die Schweiz, nach Savoyen, nach Südfrankreich, ja bis nach Paris und in die Niederlande. Im J. 1503 bekam er den Auftrag, sich nach Lissabon zu begeben. Ueber Saragossa, durch Castilien, Medina del Campo und Salamanca ritt er dorthin. Er sollte dort beim Abschluß des Handelsvertrages mitwirken, welchen die Welser’sche Gesellschaft und andere Augsburger Kaufleute mit dem König von Portugal wegen „der Armazion 3 Schiff per Indiam“ eingingen. Es ist dies die nämliche Angelegenheit, um derentwillen sich Dr. Konrad Peutinger durch Vermittelung des kaiserlichen Secretärs Blasisus Hölzl an Maximilian I. wandte, mit der Bitte, sie möglichst zu fördern: „dann die Schif zu Portugal schier gen India fahren werden und uns Augsburgern ein groß Lob ist, als für die ersten Deutschen, die India suchen.“ Bis zum Jahre 1508 blieb er in Lissabon, damit beschäftigt, die indischen Schiffe zu armiren, die aus dem indischen Handel mit dem königlichen Hof erwachsenden Vertrags- und Geldgeschäfte zu erledigen, daneben auch große Einkäufe in allen gangbaren Handelsproducten zu machen und die im Interesse seines Hauses nöthigen Reisen zu unternehmen: bis in die Bretagne, in die Niederlande und England, aber auch nach Madeira, wo ebenfalls eine Welser’sche Factorei war, nach der canarischen Insel Palma, wo die Welser große Plantagen besaßen. Die Arbeit, welche er bei diesen Visitationsreisen zu bewältigen hatte, war ungeheuer und vielseitig; nicht geringer als die, welche er in Lissabon auszurichten hatte. Seine Geschäftskenntniß, sein Fleiß und seine Umsicht rechtfertigen vollständig das Vertrauen, das ihm sein Handelshaus schenkte. Aber auch am portugiesischen Hof war er ein geschätzter Mann. Der Erfolg der Rührigkeit Rem’s und des Welser’schen Handels kam ja auch der königlichen Kasse zu gut. Derselben mußten, abgesehen von dem Vortheil aus dem Verkauf der Schiffe 40 Procent des Reingewinns aus der Einfuhr indischer Colonialwaaren ausbezahlt werden, laut Vertrag vom Jahre 1503. Außerdem war R. ein welterfahrener und gewandter Mann, mit dem der König gerne verkehrte, so daß R. gar oft „bey ihm sein muoßt“. Kein Wunder, daß der König den trefflichen deutschen Kaufmann, nachdem er fast sieben Jahre in Portugal gewesen war, nur ungern scheiden sah. „Im Urlaubnehmen lüos (ließ) der King die Kunigin und all sein Kind mit vil Köstlichkeit in sein Kammer kommen: vier Sun und zwei Dochtern in Ordnung, küsset ihnen allen die Hend und nahm mein Abschied, ihnen mein Bruoder Hans hoch befehlend.“ Auf der Rückreise hatte er auch am spanischen Hofe vorzusprechen. Da König Ferdinand nach Aragonien verreist war, „da was el Infante, Don Fernando, mit dem ich redet, vil conversieret, Hand küsset.“ Auf der Reise traf er mit dem König selbst in Medina Celi zusammen und durfte ihn bis Saragossa begleiten. Nach seiner Heimkehr und einer überstandenen Krankheit sollte er nun die Leitung der Factorei Lyon übernehmen; zwar brachte er das dort in Unordnung gerathene Bücher- und Kassawesen wieder auf den rechten Weg, aber er bat dringend um eine Verwendung in dem zu rascher Blüthe gelangenden Antwerpen. Seinem Willen [189] wurde stattgegeben. Auch in Antwerpen harrte seiner eine große Arbeitslast, die noch durch große Unordnungen in der Kasse vermehrt wurde, verschuldet durch Anton Welser d. J., welcher „übel Haus gehalten“ und große Summen im Spiele verloren hatte. Aber auch im Hauptgeschäft zu Augsburg kamen Unregelmäßigkeiten und Unredlichkeiten vor, zu denen R. nicht schwieg. Die bösen Auseinandersetzungen führten schließlich dazu, daß er mit sammt seinen Brüdern Endres und Hans aus dem Dienst der Welser trat. „Also bin ich gemelter Gesellschaft vom 13. November 1499 bis 24. Dezember 1517 in ihrem Verpflicht, Kosten und Lohn gewest, nach meinem Verdienst aufs übelst belohnt.“ Lucas R. gründete nun seinen Hausstand und mit seinen genannten zwei Brüdern und noch zwei Theilhabern eine eigene Handelsgesellschaft. In Köln und Antwerpen errichtete er Factoreien, die er in den folgenden Jahren oft besuchte. R. hatte Glück im Geschäft. Schon als Diener im Welser’schen Haus hatte er eine Einlage von 2000 fl. im J. 1502 gemacht und damit sein Vermögen in der Zeit seines Dienstverhältnisses um fast das fünffache vermehrt, obwol er in Lissabon, wie er selbst sagt viel Geld „um neu Papagey, Katzen, ander seltzam lustig Ding“ und in Antwerpen „um Gemäl(de), Tafeln, Tücher etc. den mehrteil verkramt und verschenkt“ habe. Um einen annähernden Begriff von dem Erträgniß eines kleinen und soliden Kaufmannsgeschäftes zu geben, sei aus seinem sorgfältig geführten Vermögensconto einiges erwähnt. Die im J. 1518 eingelegten 9000 fl. bezifferten im J. 1530 nach Abzug des Lebensunterhaltes und der Verluste 21 910 fl., im J. 1532 26 480 fl. Außerdem betheiligte er sich auch am Cruziadahandel der Fugger in Spanien mit einem Zehntel. Im J. 1540, als er sich von seinem Geschäft zurückzog, besaß er in demselben 56 980 fl., eine schöne Mehrung jener eingelegten 9000 fl. in einem Zeitraum von 22 Jahren. Es mag hierbei betont werden, daß es sich um eine streng rechtliche und mit kleinen Capitalien arbeitende Geschäftsführung handelte: jene großen Weltfirmen Augsburgs, welche ganz andere Capitalien einsetzten und durch ihr oft und heftig angegriffenes Monopolverfahren ungeheure Reichthümer in schneller Zeit zusammenbrachten, hatten allerdings höhere, fast unglaubliche Gewinnsätze zu verzeichnen. So weiß man aus einem Proceß, welchen ein Bediensteter der Ambrosius Höchstetter’schen Gesellschaft, Namens Bartholomäus R., mit seinem Hause 1517 führte, daß eine Einlage von 900 fl. in 6 Jahren sich bis zu 30 000 fl. vermehrte. Ein Zug Rem’s, der von großer Klugheit und Fürsorge für die Zukunft seiner Familie zeugt, muß noch hervorgehoben werden: er legte einen beträchtlichen Theil seines Vermögens in liegenden Gütern und Leibgedingen an, um denselben vor den leichteintretenden Wechselfällen, denen das kaufmännische Capital immer ausgesetzt ist, zu bewahren. – Sein Tagebuch beansprucht keine litterarische Leistung zu sein; abgefaßt im trockenen Geschäftsstil und in einer zuweilen recht holperigen Sprache hat es jedoch den Vorzug der Zuverlässigkeit. Man sieht es dem Manne bald an, daß das Rechnen sein Hauptfach war. Auf umständliche Beschreibung dessen, was er in den vielen Ländern und Städten, die er besuchte, gesehen hat, läßt er sich nicht ein. Aber die Zeiten gibt er genau an, auch von seinem Befinden, das manchem oft ernstlichen Unwohlsein ausgesetzt war, meldet er, wie von den Kuren. Einige Male erwähnt er den Besuch schöner Kirchen und Klöster, Walfahren an besondere Gnadenorte, so namentlich eine Reise nach Loretto. Später ist er zur neuen Kirche übergetreten, ohne dies auszusprechen; man merkt es nur aus dem Umstand, daß seine Kinder in evangelischen Kirchen getauft werden. Die große Bewegung seiner Zeit scheint ihm wenig Interesse abgerungen zu haben: er spricht davon mit keinem Wort. Selbst den berühmten Reichstag von 1530 führt er nur nebenbei als blose Zeitbestimmung an einer einzigen Stelle an. Aber für das bürgerliche, insonderheit [190] kaufmännische Leben ist sein Büchlein eine werthvolle Quelle, die auch in die Verhältnisse seines Haushaltes und der Familie einen Einblick gewährt. Es zerfällt in folgende Abschnitte: 1) Meiner Eltern Geburt, Hochzeit und etwas Bescheids, 2) Mein Geburt, Theil meines Lebens, viel und groß Reisens, 3) Mein Hauptgut und Gewinn (im Geschäft), 4) Meine Heirath, Hochzeit, Vermögen der Frau, Hochzeitsgeschenke, 5) Was ich auf mehr Hochzeiten geschenkt hab, 6) Leibgeding und ererbte und erkaufte Güter, 7) Geburt meiner ledigen und geborn Kind, ihr Wesen, 8) Geburt meiner Ehekind, 9) Verzeichniß der Diener (im Geschäft), 10) Steuerrechnung. – Am 22. September 1541 starb Lucas R.

Stetten, Geschichte der adeligen Geschlechter der Stadt Augsburg. – Greiff, „Tagebuch des Lucas R. a. d. J. 1494–1541“, in d. Zeitschrift des hist. Vereins von Schwaben und Neuburg, Jahrgg. 1860.