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ADB:Richarz, Peter von

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Artikel „Richarz, Peter von“ von Franz Xaver von Wegele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 424–426, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Richarz,_Peter_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:19 Uhr UTC)
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Richarz: Peter v. R., Bischof von Speyer, bez. von Augsburg. Geboren zu Würzburg am 23. Mai 1781 als der Sohn eines Corporals bei den fürstbischöflichen Husaren, aber für eine höhere Laufbahn bestimmt, begann er, obwol der Vater früh hinwegstarb, seine Studien am Gymnasium seiner Vaterstadt und setzte sie im J. 1795 in Bamberg fort, wo ihm im sogen. v. Aufsessischen Seminar ein Freiplatz verliehen worden war. Im J. 1800 trat er ebendaselbst in den philosophischen Curs der Universität über und erwarb sich zwei Jahre darauf die philosophische Doctorwürde. Im Herbste 1802 vertauschte er Bamberg wieder mit Würzburg und wurde, da er sich für den Priesterstand entschieden hatte, in das geistliche Seminar aufgenommen. Die theologischen Vorlesungen hörte er an der Universität und wurde am 11. April 1807 zum Priester geweiht. Im August des gedachten Jahres erhielt er die Berufung als Hülfspriester nach Haßfurt (am Main), wurde jedoch bereits im März 1809 nach Würzburg zurückberufen, und übernahm hier zunächst die Stelle eines Erziehers im v. Bechtolsheimischen Hause. Bereits im J. 1806 hatte die Epoche des Großherzogthums Würzburg begonnen und die Gunst der neuen Regierung eröffnete R. einen seinen Wünschen entsprechenden Wirkungskreis. Er wurde noch im Herbste 1809 zum Professor an den oberen Classen des Gymnasiums ernannt, an welchem er s. Z. seine höhere Ausbildung begonnen hatte. Sein Unterrichtsgebiet umfaßte die classische Philologie und, wie es scheint, die deutsche Sprache. Er versuchte sich nicht ohne Glück (1811) als Schriftsteller durch eine Abhandlung „Ueber die Idee des Schönen in besonderer Beziehung auf poetische Darstellung“ und, vom Geiste des deutschen Freiheitskampfes angehaucht, zugleich als Dichter (vgl. Denzinger’s „Aurora“ Heft 4 und 6). Einige Jahre darauf gab er infolge höherer Anregung ein „deutsches Musterbuch“ je für die unteren und oberen Classen heraus (3 Theile, Bamberg und Würzburg 1815–1816). Die getroffene Auswahl legt für den durchaus unbefangenen und selbständigen Sinn des Herausgebers beredtes Zeugniß ab. Richarz’s Geist strebte jedoch zugleich nach Höherem. Das Großherzogthum Würzburg war inzwischen wieder bairisch geworden, und R. hielt die Verhältnisse für günstig genug, eine Wirksamkeit an der Universität zu gewinnen. Fürs Erste (1817) mußte er sich freilich mit der gewährten Zulassung als Privatdocent der Philologie zufrieden geben. Indeß schon das Jahr darauf wurde er „mit Rücksicht auf seine geschwächte Gesundheit“ des Lehramtes am Gymnasium völlig enthoben und seiner Bitte gemäß zum außerordentlichen Professor der (classischen) Philologie ernannt, allerdings ohne auf diesem Gebiete sich auch schon wissenschaftlich bethätigt zu haben. Vier Jahre später (1821) wurde die außerordentliche Professur – nach wiederholtem Ansuchen – in eine ordentliche umgewandelt. In dieser Stellung hat R. als beliebter Lehrer und geschätztes Mitglied der Corporation 11 Jahre hindurch gewirkt. Zur litterarischen Thätigkeit ist er – mit Ausnahme eines gelegentlichen Programms – auch jetzt nicht gelangt, obwol er sich mit verschiedenen bez. Plänen getragen und beschäftigt hat. Hatte ihm doch im J. 1832 König Ludwig [425] das Amt eines Oberbibliothekars an der Universität, und bald darauf das Schulreferat des Untermainkreises (Unterfranken und Aschaffenburg) übertragen. Aus allem diesem ergibt sich, daß R. sich über Mangel an Anerkennung seiner Leistungen als Lehrer der Würzburger Hochschule nicht beklagen konnte. Gleichwol scheint ihn diese Art von Wirksamkeit auf die Dauer nicht befriedigt zu haben. Wir wissen, daß er sich bereits im J. 1828 um die Aufnahme in das Bamberger, und wenige Zeit darauf in das Würzburger Domcapitel, freilich beide Male vergeblich, bemüht hat. Wohl möglich, daß die Selbständigkeit seiner Natur ihm dabei im Wege gestanden. Da trat, allerdings nach Verlauf noch mehrerer Jahre, plötzlich und unerwartet eine Aenderung in seinem Lebensgang ein, die ihn weit über jene Wünsche hinausführte. König Ludwig ernannte ihn am 23. März (1834) zum Bischof von Speyer. Diese Ernennung hat allgemein überrascht. Man hat bisher nur vermuthen können, welche persönlichen Einflüsse auf diesen Entschluß des originellen Fürsten etwa eingewirkt haben. Die kirchliche Richtung des Auserwählten konnte in keiner Weise als eine extreme bezeichnet werden. Das hat R. auch als Bischof von Speyer bewiesen, wenn er auch nicht geneigt war, seine Würde oder seiner Kirche dem Staate gegenüber etwas zu vergeben. In der Speyerer Diöcese bekam man bald nach seinem Amtsantritte zu verspüren, daß ein Mann von nicht gewöhnlicher Thatkraft die Zügel des Regiments ergriffen hatte. Er trat dem Clerus gegenüber in aller Entschiedenheit auf, schlug dagegen in einer oder der andern delicaten Frage, wo staatliche und kirchliche Grundsätze leicht in Conflict gerathen konnten, wie in der Frage der gemischten Ehen, einen versöhnlichen Weg ein, der freilich nicht allgemein gebilligt worden ist. Jedoch es wurde ihm keine Zeit gelassen, die Maßregeln, die er für das Wohl seiner Diöcese beschlossen oder auch schon in Angriff genommen hatte, auszuführen. Bereits am 16. August 1836 ernannte ihn der König, der ihm offenbar huldvoll gesinnt war, zum Bischof von Augsburg, ohne daß er, wie er ausdrücklich versicherte, eine solche Versetzung gewünscht und noch weniger betrieben hatte. Am 22. Februar 1837 trat R. sein neues Amt in Augsburg an. Was Rührigkeit und standhaften Eifer in der Vertretung der Interessen seiner Diöcese und seiner Kirche anlangte, so ließ er es nicht fehlen und befriedigte in dieser Richtung die Erwartungen seines Capitels und seines Clerus, wenn er auch Widerspruch von keiner Seite her gern ertrug. Auch seine versöhnliche Gesinnung gegenüber dem Staate verleugnete er wenigstens in den ersten Jahren dieser seiner Amtsführung nicht. Nur allmählich läßt sich eine Umstimmung in dieser seiner Denkungsweise wahrnehmen, und diese möchte mit dem Hervortreten einer aggressiven Richtung innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland seit den sogen. Kölner Wirren und weiterhin mit den Bewegungen des Jahres 1848 in Zusammenhang stehen. Schon das Jahr 1846 hatte ihm Gelegenheit gegeben, in seiner Eigenschaft als Mitglied der ersten bairischen Kammer, tapfer für das Interesse seiner Kirche, wie er es nun einmal auffaßte, einzutreten. Deutlicher für seine angedeutete Sinnesänderung dürfte der Zusatz sprechen, mit welchem er seine Unterschrift der bekannten Freisinger Denkschrift begleitete: „Für das Concordat – das ganze Concordat – nichts als das Concordat –“ eine Formel, die wie eine Kriegserklärung klang. Ebenso wenig möchte es mit Richarz’s ursprünglicher Anschauungsweise stimmen, daß er im J. 1853 in seiner Diöcese Jesuitenmissionen zuließ, wozu ihn sein Freund und Nachfolger auf dem Speyerer Stuhle, Bischof Geissel, ermuntert zu haben scheint und wofür ihm der ehemalige Minister v. Abel die tiefgerührte Anerkennung aussprach. R. hatte übrigens bereits seit einiger Zeit gekränkelt und so kam sein Tod nicht unerwartet, der ihn am 3. Juli 1855 seiner nie ruhenden Sorge und Thätigkeit für seine Diöcese entriß.

[426] Anton Steichele, Peter v. R., Bischof zu Augsburg (Augsburg 1856). – F. X. Remling, Neue Geschichte der Bischöfe von Speyer, S. 512 ff. – Acten der Universität Würzburg.