ADB:Richarz, Franz

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Artikel „Richarz, Franz“ von Melchior Josef Bandorf in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 423–424, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Richarz,_Franz&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 11:02 Uhr UTC)
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Richarz: Franz R., Irrenarzt, geboren am 5. Januar 1812 zu Linz am Rhein, † am 26. Januar 1887 zu Endenich bei Bonn. Sohn eines Kaufmanns und Schiffsbesitzers, erhielt er seine erste Vorbildung auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, dann auf jenen zu Düren und Aachen, widmete sich 1830 zu Bonn dem Studium der Medicin und promovirte daselbst 1834 auf Grund einer Disseratation: „De vesaniae cognitione atque cura quaedam“, welche unter dem Einflusse von Friedrich Nasse entstanden war. Ebenderselbe empfahl ihn auch 1836 als Arzt nach Siegburg an die dortige Heilanstalt, wo er unter Maximilian Jacobi’s berühmter Leitung (vgl. A. D. B. XIII, 593) acht Jahre lang thätig war. Auf Grund der dort gesammelten Erfahrungen, sowie der Kenntnisse, welche er sich auf mehreren Reisen über den Zustand des Irrenwesens in anderen Ländern erworben hatte, veröffentlichte er 1844 eine Schrift „Ueber öffentliche Irrenpflege und die Nothwendigkeit ihrer Verbesserung, mit besonderer Rücksicht auf die Rheinprovinz“, in welcher er das System kleiner, über die Provinz zerstreuter Bezirksheilanstalten mit einer gemeinsamen großen Provinzialpflegeanstalt empfahl. Die Reform des rheinischen Irrenwesens vollzog sich erst nach drei Jahrzehnten, innerhalb welcher Periode die Bedürfnißfrage freilich ganz andere, früher nicht zu ahnende Dimensionen angenommen hatte. R. hatte bald nach dem Erscheinen jener Schrift seine Ideen in die Praxis übertragen durch die Errichtung einer Privatheil- und Pflegeanstalt für Gemüths- und Nervenkranke zu Endenich bei Bonn, welche sich bald eines wohlverdienten Rufes erfreute. Er blieb seiner Schöpfung treu, obwol 1858 nach dem Tode Jacobi’s die ehrenvolle Berufung zur Uebernahme der Direction von Siegburg an ihn erging, nur als diese Anstalt im J. 1863 fast gleichzeitig den Director und zweiten Arzt durch den Tod verloren hatte, übernahm er interimistisch ihre Leitung bis zur Ernennung eines neuen Directors. Im Herbste 1872 übergab er seine Anstalt seinem langjährigen treuen Mitarbeiter und Neffen, Sanitätsrath Dr. Oebeke, blieb aber bis zu seinem Tode noch wissenschaftlich thätig. Unter seinen Arbeiten hat die Abhandlung über den bekannten Criminalfall „Reiner Stockhausen, ein actenmäßiger Beitrag zur psychisch-gerichtlichen Medicin für Aerzte und Juristen von Jacobi, Böcker, Hertz, Richarz“ 1855 weitgehendes Aufsehen erregt. Die darin, sowie in der im 13. Bande der Allgem. Zeitschr. für Psychiatrie S. 256 gegen Jessen’s Angriffe gerichteten Replik enthaltenen Ausführungen über psychische Untersuchungsmethoden, über Willensfreiheit und Zurechnungsfähigkeit u. s. w. sind heute noch ein schätzenswerther Beitrag zur forensen Psychiatrie. Den verschiedenen Vorträgen und Abhandlungen, die in den einzelnen Jahrgängen der Allgem. Zeitschr. für Psychiatrie veröffentlicht wurden, sind noch beizufügen: „Ueber die Nahrungsverweigerung der psychischen Krankheiten. Vortrag gehalten auf der Naturforscherversammlung in Wiesbaden“, 1852, abgedruckt in der deutschen psychiatrischen Zeitschrift; ferner Mittheilungen über Robert Schumann’s Krankheitsverlauf und Tod in der Biographie Schumann’s von Wasielewski und „Robert Schumann“, Aufsatz in der Kölnischen Zeitung [424] vom 30. August 1873, wiederabgedruckt in der Allgem. musikalischen Zeitung, Leipzig, 17. September 1873. Viel beschäftigte ihn die Frage der Vererbung, seine von den allgemein verbreiteten Anschauungen mehrfach abweichenden Theorien sind in seinen zu Wiesbaden 1873 auf den Versammlungen der Anthropologen und Naturforscher Deutschlands gehaltenen Vorträgen: „Ueber Vererbung in Geisteskrankheiten auf Grund der Geschlechtsverschiedenheit“ und in dem 1880 erschienenen Werke „Ueber Zeugung und Vererbung“ publicirt.

Oebeke in der Allgem. Zeitschrift f. Psychiatrie Bd. 43 S. 557.